Prügelknaben. Die Rute in Mädchenschulen

So unerhört ersterbend die Ehrfurcht vor allem war, was in der Nähe des Thrones lebte, so zögerten doch die Lehrer nicht, die Rute zu zücken, wenn einer ihrer beinahe „allerhöchsten" Zöglinge sich irgend ein Versehen zu schulden kommen ließ. So erhielt Kaiser Maximilian der Erste, der letzte Ritter, in seiner Jugend oftmals tüchtige Schläge. Auf einem Blatte im „Weißkunig“, das den jungen Max beim Unterricht zeigt, sind drei weitere Schüler, ohne Zweifel Prügelknaben anwesend.

Die Einrichtung solcher Prügelknaben war uralt und vererbte sich durch Jahrhunderte fort, bis sie im achtzehnten Jahrhundert erlosch.


Was Berthold von Regensburg, eingedenk seiner Klostererziehung, vom Schlagen mit der Hand sagt, wird in den Schulordnungen den Lehrern immer wieder aufs neue eingeschärft. Sie sollen die Schüler nicht auf die Köpfe, auch nicht auf die Hände hauen sondern „in die hindern" oder „äffteren". Dann nicht mit Stöcken, sondern mit Ruten, die meist in Gestalt eines Besens gebunden waren. Die Knaben mussten sich zu diesem peinlichen Verfahren die Hosen herunter lassen, wie unser Bild deutlich zeigt.

Trotz aller behördlichen Bestimmungen sangen die Schüler bis vor wenigen Menschenaltern den alten Schulvers:

      Hie, haec, hoc — der Lehrer (Kantor) mit dem Stock,
      Is, ea, id — was will er denn damit?
      Sum, fui, esse — er haut ihm in die Fresse,
      nie, illa, illud — dass die Nase blut!

Doch auch in Mädchenschulen schlugen gewisse Schulmeister gar zu gern zu. Im Jahre 1562 beklagte sich der ,deutsche Schreiber' Oswald Saupe in Dresden darüber, „dass sich ein neuer Schulhalter aufdringe, ein junger Gesell vor dem Wilsdruffer Tore, der Knaben und Mädchen unterrichte, und zwar nicht nur kleine sondern auch erwachsene und mannbare. Es wäre, da er unbeweibt, und die Jungfern, so viel man berichte, alle mit der Rute züchtige, leicht Unheil zu erwarten" 8).

Der Bakel wurde schließlich das Standessymbol des Lehrers und das Um und Auf jeglicher Erziehung und allen Unterrichtes.

Wie man den Herrscher nie ohne Krone und Zepter als Embleme seiner Würde und seines Gottesgnadentum zu sehen gewohnt war, so erschien der Schulmeister niemals ohne seine Attribute, Rutenbündel oder Stock. Das Siegel von Höxter aus dem Jahre 1356 stellt einen Lehrer dar, der die Rute über einen knienden Knaben schwingt. Auf einer der herrlichen Miniaturen der Manessischen Bilderhandschrift aus dem dreizehnten Jahrhundert sind zwei geistliche Lehrer bei ihren Schülern abgebildet. Beide haben dicke Rutenbündel in den Händen. Im Elsaß kommt die Amtsbezeichnung des Lehrers als „Besemer" (scoparius) vor 9).

8) Hippolytus Guarioninus, Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts. Ingolstadt 1610, S. 245 ff.

9) Theodor Flate, Sankt Afra, Geschichte der Königl. Sächsischen Fürstenschule zu Meißen. Leipzig 1879, S. 181 ff.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sittengeschichte des deutschen Studententums
006 Kaiser Maximilian, der letzte Ritter, beim Unterricht mit seinen Prügelknaben

006 Kaiser Maximilian, der letzte Ritter, beim Unterricht mit seinen Prügelknaben

005 Herrscherin Rute. Albertus Magnus lehrt

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