4tens Kleidungsstoffe, Kleidungsstücke und Putzwaren. - Bei den alten Spartanern waren Könige, Magistratspersonen und die Bürger der niedrigsten Stände auf gleiche Art gekleidet. ...

Bei den alten Spartanern waren Könige, Magistratspersonen und die Bürger der niedrigsten Stände auf gleiche Art gekleidet. Sie trugen eine kurze Tunika von grober Wolle, darüber einen Mantel, Sandalen zur Fußbedeckung, und auf dem Kopfe eine Mütze, die unsern Nachtmützen glich; doch schläferig waren sie nicht, jene Spartaner! Man hätte wohl gewünscht, bei seinen Besuchen im Louvre ein solcher spartanischer Mensch zu sein, um sich umso stärker verwundern zu können und alle die Herrlichkeiten mit so größerer Freude zu betrachten. Ganz gewiß wären die Könige Leonidas und Agesilaus dort vor hundert Dingen überrascht stehengeblieben, an welchen jetzt selbst der ärmste Schelm mit Gleichgültigkeit vorübergeht. Hier wäre der Ort, etwas gegen die Üppigkeit in Kleidungen zu eifern; aber mich schreckt ein französischer Schriftsteller, der neulich die Gegner des Luxus „les Jansénistes de la fabrication“ gescholten. Einen guten Flötenspieler hat man vor einigen Tagen „le Racine de la flûte“ genannt, und aus diesen zwei Beispielen kann man sehen, daß wir Deutsche auf unsere gefrorene Musik gar nicht stolz zu sein brauchen. Das, was unter Stoffen und Zeugen meinem ungebildeten Sinne merkwürdig geschienen, will ich kurz erzählen. Die Zeuge wären eigentlich nach der Art ihrer Grundstoffe einzuteilen; es herrscht aber an sehr vielen eine so verwegene Mischung von Wolle, Baumwolle, Seide, Leinen und Ziegenhaaren, die Mesalliancen zwischen Kette und Einschlag sind so häufig, daß eine Absonderung nach Geburt und Herkunft gar nicht möglich war. Es ist bequemer, jene Zeuge am menschlichen Körper selbst zu betrachten – an diesem Sammelplatze ihrer Bestimmung, an diesem Abgrunde aller erschaffenen Dinge, an diesem reißenden Tiere, das, schlimmer als der Wolf, das Schaf mit der Wolle verzehrt. Gegen die logische und anatomische Einteilung des Fabrikwesens in Kopf, Leib und Fuß wird niemand etwas einzuwenden finden. Was die Shawls betrifft, sollen diese in einem besonderen Kapitel abgehandelt werden. Es geschieht so, um das religiöse Gefühl der Weiber zu schonen, welche die französischen Shawls nicht zu den irdischen Dingen zählen, sondern zu den himmlischen.

Kleidungsstoffe. – Die Franzosen haben es noch nicht dahin gebracht, die französische Wolle besser als die sächsische zu finden. Das gereicht ihnen zur Ehre. Auffallend ist nur, daß sie, ohne alle Rücksicht auf den Rheinbund und auf den Deutschen Bund, die sächsische Wolle immer noch „laine électorale“ nennen und daß sie sagen: „les laines des troupeaux de l'Électeur“, als wären alle sächsischen Schafe Eigentum des Landesfürsten ... Feine deutsche Herren, welchen das Tuch in Deutschland nicht teuer genug ist, können sich in Paris blaues Tuch zu 90 Fr. und schwarzen Kasemir zu 34 Fr. die (französische) Elle kaufen ... „Etoffes écossaises à carreaux, dont l'usage est excellent contre le froid et la pluie; elles sont d'ailleurs légères et solides.“ Dieses Zeug benutzen Schottländer und Schottländerinnen zu ihren Plaids. Freunde der Scottschen Romane werden ihn zu schätzen wissen ... „Drap mousseline“, ist wegen seiner Leichtigkeit zu Amazonenkleidern und Frauenmänteln dienlich ... Spitzengarn aus phormium tenax, einer in Neuseeland einheimischen Leimpflanze bereitet, ist ein neues Fabrikat ... Ein Atlaszeug, auf der einen Seite weiß, auf der Kehrseite rosenrot, hat mich frappiert. Da die Farben nicht durchscheinen und sich nicht wechselseitig nuancieren, muß diese Zweideutigkeit nur gemacht worden sein, um den Launen des Windes zu schmeicheln .... Gewebe von Eiderdunen, zur Fütterung und Garnierung für Frauenmäntel, sind teurer als Pelz, also auch schöner ... Köchlin aus Mühlhausen, der erste Kattunfabrikant in Frankreich, hat – nichts zur Ausstellung gebracht. Der Chef des Hauses sitzt seit sechs Monaten im Kerker, zur Strafe, daß er ein Fabrikgeheimnis der geheimen Polizei verraten.


Kopfbedeckungen. – Die notwendigste, schönste und wohlfeilste Kopfbedeckung bilden die Haare. Wem die Natur diese Gabe versagt, oder wer sie verlebt oder verscherzt, der muß zu Perücken seine Zuflucht nehmen. Im Louvre waren sie in Menge und Mannigfaltigkeit zu finden. Oberflächliche Beobachter, die nicht nachdenken, mußten sich gewundert haben, dort eine so große Zahl Friseurs zu sehen, deren Erwerbszweig ja von gar keiner nationalökonomischen Wichtigkeit ist und die mit ihrer breiten, marktschreierischen und prunkenden Ausstellung andern Fabrikanten Raum, Ohren und Augen wegnahmen. Wir Publizisten aber wußten uns das zu erklären. Die Pariser Haarkünstler nämlich sind nicht in der großen Welt, aber in der hohen sehr beliebt wegen ihrer musterhaften Gesinnung. Frau von Staël hat in ihrem vortrefflichen Werke über die französische Revolution zu bemerken vergessen, daß bei der Bestürmung der Bastille sich nicht ein einziger Friseur befunden. Damals kamen mit den Brutusherzen auch die Brutusköpfe auf, welchen die Perückenmacher nicht gewogen sein konnten, und sie sind daher immer treue Anhänger des Zopfregimes geblieben. Die Pariser Friseurs sind noch aus einem anderen Grunde beliebt. Sie kommen in alle Häuser und Familien, und zwar in den echt kritischen Stunden: bei Männern des Morgens, bei Frauen zur Toilettenzeit, wo man bei diesen und jenen Zunge und Herz im Negligé findet; sie er fahren also viel; sie wissen also viel zu erzählen; sie sind also angenehme Gesellschafter; sie wissen sich also bei allen bedeutenden Männern einzuschmeicheln, welchen, ihrer anstrengenden Berufsgeschäfte wegen, jede Zerstreuung eine Wohltat ist; sie wurden also von der Polizei, die in Frankreich wie überall die Regierung regiert, begünstigt; sie konnten sich also im Louvre nach Wunsch ansiedeln und ihre Waren breit auskramen. Darunter sah man: Perruques pylogènes, für Professoren der Philologie bestimmt; perruques imperméables, für solche beschäftigte Männer, die von lästigen Wahrheiten nicht beunruhigt werden wollten. Des Haarkünstlers Allix müssen wir mit Auszeichnung gedenken. Dieser würdige Mann schmückt die Köpfe nicht bloß von außen, sondern auch von innen; er ist Philosoph, Arzt und Naturforscher. Es gibt nichts Belehrenderes als den Prospektus, den er austeilt. Nachdem er die Geschichte der Perücken mit philosophischem Geiste abgehandelt, sagt er: „Es gibt sehr viele Männer, welchen Perücken nottun, die aber dennoch lieber, als sie solche trügen, ihren Kahlkopf dem Ungestüme der rauhesten Witterung preisgeben; denn die auf hergebrachte Weise verfertigten Perücken machen ihnen Kopfweh, Schwindel, Beängstigung. Ich habe hundert Versuche gemacht, wie diese Reizbarkeit zu schonen sei, ich habe nach dem Beispiele des berühmten Michalon Gipsköpfe gegossen und ihnen meine Perücken angepaßt – doch alles vergebens! Da kam mir in den Sinn, die Anatomie des Kopfes gründlich zu studieren. Ich muß gestehen, daß die Vorstellung des Zergliederns anfänglich alle meine Gefühle in Aufruhr brachte; aber ich dachte an die leidende Menschheit und überwand meinen Abscheu. Die Schläfe ist derjenige Teil des Kopfes, den ich mit der größten Sorgfalt untersucht habe; ihre äußerst große Empfindlichkeit machte mich stutzen.“ Herr Allix erzählt nun, wie ihn der Lauf der Schläfarterien und Venen belehrt habe, daß der Druck der Perücken auf diese Stellen die Kongestionen nach dem Kopfe verursachte; er habe durch ein neues Verfahren diesem Mißstande abgeholfen. Hiermit noch nicht zufrieden, fährt der Haarkräusler fort: „Ich will jetzt eine Anatomie des Kopfes geben, die ich nach Sabatier studiert.“ Diese folgt im Prospektus in sechs Kapiteln: Description de la tête; du Crotophyte ou Temporal; de l'Occipito-Frontal; des artères et veines; artère temporale; de la veine temporale ... Wer durchaus in den Tartarus will, der tut wohl, sich französischen Spitzbuben anzuschließen; ich kann mir nicht denken, daß diese viel zu leiden haben werden. Sie sind so lieb in ihrer Schelmerei, daß Minos selbst wird lachen müssen.

Von andern Kopfbedeckungen sind der Herrenhüte von Ziegenhaaren zu gedenken, der chapeaux imperméables en tissu de soie und der türkischen Mützen. Letztere werden hier als etwas Neues angepriesen; aber in Wien sind sie wie noch viele andere türkische Artikel schon längst Mode. Den Frauen gefiel eine neue Art Hutfedern von Fischbein, das Schönste, was sich in dieser Art nur denken läßt. Blumen von Wachs und Gaze sind bekannt. Von diesen Blumen werden in Paris von zweitausend Menschen jährlich für mehrere Millionen Franken verfertigt, die man über ganz Europa und Amerika verbreitet. Frauenhüte mit Geierfedern schien mir ein allzu wilder Schmuck.

Leibbedeckungen. – Roben von „tissu circulaire“ waren eine auffallende Erscheinung. Sie haben keine Naht und gehen aus den rauhen Händen des Webers ohne Aufenthalt in die zarten der Schönen über. Wehe den Frauenschneidern! Nur noch zwei Schritte auf diesem Wege, und ihre ganze Kunst ist entbehrlich geworden ... Die Korsetts der Madame Meier gewannen sich tausend freundliche Blicke. Sie hätten so viel „grâce“, diese Korsetts, sagten sie; und dann lächelten sie und schwiegen ... Ternaux lieferte wollene Jupons ohne Naht von „tricot circulaire“. Sie kosten nur 2 Fr. 25 C. und dennoch sprach man mit der größten Hochachtung von ihnen. Der Weberstuhl webt in jeder Minute 10920 Maschen an diesem Zeuge ... Spitzen und Blonden sah man, daß einen die Augen übergingen. Blonden, viermal gewaschen, er schienen so jung und frisch wie Hebe, wenn sie aus dem Bade steigt. Eine lebensgroße weibliche Wachsfigur in einem Glashause war ganz in Spitzen gekleidet. Sie saß auf einem Stuhle, rührte sich nicht und sprach kein kluges Wort; aber ihr Putz war zwanzigtausend Franken wert, und sie wurde beneidet ... Stammler von Straßburg verfertigt Herrnwesten von Metallgespinst, aus Stahl oder Silberdraht. Die Maschen sind sehr eng, und Amor muß sich spitzere Pfeile schmieden lassen, will er ein so umpanzertes Herz verwunden.

Fußbedeckungen. – Die unglücklichen Pariser Frauen sind verdammt, an den Festtagen der Eitelkeit in Spitzenstrümpfen zu erscheinen, die nichts anderes sind als eine künstliche Epidermis. In unserem Vaterlande sind Schnupfen und andere Erkältungen wohlfeiler zu haben. Herrn tragen schwarzseidene durchbrochene Strümpfe, daß man sich schämt, solch einem seidnen Geschlechte anzugehören. Loben wir dagegen die zarten weichen Socken, die man im Bette trägt. Die eiteln Pariser bilden sich ein, sie wohnten unter einem südlichen Himmel, und sie leben darnach. Die Zimmer, oft der vornehmsten Häuser, sind mit Stein gepflastert, in den Schlafzimmern selbst vieler reichen Leute findet man keine Federdecken, und zarte junge Herren, die im geheimen frieren, schlafen wie Krieger im Feldlager unter ihren Mänteln. Deutsche Reisende in Paris, die jenen Ausweg noch nicht gefunden, leiden viel in den Hotels; wären auch die Flüsse gefroren, man gibt ihnen nur ein leichtes Deckchen, als hätten sie den Vesuv im Leibe. Die erwähnten Bettsocken, die ihre Wärme sympathetisch weiter verbreiten, sind daher eine sehr wohltätige Erfindung ... Strümpfe aus Kaschmirgewebe habe ich zu sehen und zu betasten versäumt ... Bas jarretières, so genannt, „parceque ces bas ceignent la jambe jusqu'au dessus du mollet, où ils sont retenus par la seule force de l'éstaticité de la maille“, sind gesunde Strümpfe. Gut ist es aber doch, daß man diese Erfindung nicht einige Jahrhunderte früher gemacht. Kein Strumpfband wäre dann verloren gegangen; kein König hätte in seiner Machtvollkommenheit gerufen: Hony soit qui mal y pense! kein Kniebandorden wäre entstanden, und – hundert unbelohnte Tugenden gingen kümmerlich durch die Welt.

Die heuchlerische Kunst, den Fuß zugleich zu zeigen und zu verbergen, ist in Paris zur höchsten Vollkommenheit gebracht. Ihr dürft es einem unparteiischen deutschen Manne glauben: die deutschen Schuhe, auch die besten, können sich selbst mit den gewöhnlichen Parisern nicht vergleichen. Die letztern haben einen Schmelz, einen Anhauch, ein Etwas, ein Nichts – nur der Pinsel eines Malers könnte das anschaulich machen. Frauenzimmer, wenn sie über die schmutzige Straße gehen, schnallen unter die Schuhe „socques articulés“ an, auch „Sous-chaussures imperméables et flexibles“ genannt. Es ist eine hölzerne, aus mehreren Teilen bestehende Sohle, deren Glieder von zarten messingnen Bändern zusammengehalten werden. Man muß aber behutsam damit auftreten, denn der kleinste Fehltritt macht das Gleichgewicht verlieren ... Bei nassem Wetter trägt man souliers imperméables, die kein Wasser durchlassen. Wären Sie, liebe Leserin, eine Stunde nach der Sündflut vom Berge Ararat hinab in die Ebene spazieren gegangen, es wäre Ihnen dennoch kein Fuß naß geworden! Treten Sie an den Laden des Herrn Jabot. Sehen Sie das zierliche Becken mit Wasser gefüllt? Schon drei Wochen schwimmt ein impermeabler Schuh wie ein Nachen darin herum, und, fühlen Sie selbst, er ist nicht im mindesten feucht geworden! Ich hatte das süße Unglück, mit einer jungen Dame vor dem Laden des Herrn Jabot zu stehen. Fünfzig Minuten wurden die Schuhe bewundert, fünf Minuten kritisch untersucht und fünf Minuten darum gefeilscht. Die Dame fragte nach dem Preise. Zehn Franken, sagte Herr Jabot. „In einem anderen Laden – erwiderte die Dame – wurden mir impermeable Schuhe für sechs Franken angeboten.“ ... Ihr habt noch nie eine Löwin gesehen, der man ihre Jungen geraubt; aber ihre Wut habt ihr in tausend Gedichten beschrieben gelesen. So wie jene Löwin zeigte sich Herr Jabot, als ihm gesagt worden, daß noch ein anderer Schuhmacher impermeable Schuhe verkaufe. „Comment? – rief er aus – Ceux qui vous disent que ce sont des souliers imperméables, sont des charlatans; il n'y a que mois dans l'Europe qui fait de ces souliers; c'est de mon invention, car il faut être chimiste, et vous savez que les cordonniers ne le sont guère.“ So sprach der Schuhmacher Jabot!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schilderungen aus Paris.