3tens Mechanische Künste. - Eine große Menge, teils ausgeführter, teils modellierter landwirtschaftlichen Werkzeuge bringen demjenigen, der in solchen Dingen keine nähere Kenntnis hat, ...

3. Mechanische Künste

Eine große Menge, teils ausgeführter, teils modellierter landwirtschaftlichen Werkzeuge bringen demjenigen, der in solchen Dingen keine nähere Kenntnis hat, wenigstens den Gedanken bei, daß die notwendigsten Ackerbaugerätschaften wohl keiner Vervollkommnung fähig sein mögen, da der Pflug aus den Zeiten Hesiods und Virgils dem heutigen fast ganz gleich kam. Eine Handmühle, mit welcher eine Person in jeder Stunde zwanzig Litres Getreide mahlen kann, schien mir das Werk verbesserter Einrichtung zu sein. Sie kostet 200 Franken; und eine für zwei Personen, die stündlich vierzig Litres mahlt, kostet 300 Franken. Feuerspritzen, sonstige Löschgerätschaften wie auch sehr zweckmäßige Rettungsmaschinen waren in Menge zu sehen; doch habe ich unter letztern keine bemerkt, die nicht in Deutschland auch schon bekannt, wenigstens vom Hauptmann Neander in Berlin in Vorschlag gebracht worden wären. Nur war hier deren Gebrauch anschaulicher gemacht, da sie mit dem Modell eines Hauses in Verbindung gesetzt waren ... Wer Schneiders griechisches Lexikon besitzt, kann sich erklären, was „voiture ologyre“ heißt, wie man überhaupt ohne gründliche Kenntnis der griechischen Sprache sehr viele ausgestellte Sachen gar nicht verstehen konnte. Das Modell zu einem Transportwagen für Findelkinder machte einen rührenden Eindruck. In einem langen bedeckten, mit Windladen versehenen Wagen waren zwei Reihen Hängematten von Packleinewand, denen in Seeschiffen gleich, angebracht und zur Aufnahme der armen Würmchen bestimmt. Es ist nämlich zu wissen, daß in Paris, wo alles im Großen und fabrikmäßig getrieben wird, eigene Postwagen für Ammen und Findelkinder eingeführt sind, die täglich zur bestimmten Stunde abfahren und welchen man auf den Landstraßen oft begegnet ... Das Modell einer Normalküche war appetitlich anzusehen. Nicht weniger als funfzig Speisen können darin gleichzeitig gekocht werden ... Ein anderes Modell zu einem Amphitheater für chirurgische Operationen war nach einer vortrefflichen Idee ausgeführt. Freilich kann man die Schauspieler auf solchen Bühnen nicht völlig zufriedenstellen: aber für die Bequemlichkeit der Zuschauer ist auf das beste gesorgt. – Das neuerfundene „Instrument destiné à remplacer les sangsues“ kenne ich nur aus der gedruckten Anzeige. Wenn es seine Bestimmung erfüllt, ist es von national-ökonomischer Wichtigkeit und kann, allgemein eingeführt, große Ersparnisse in den Staats- und Privathaushaltungen bewirken.


Der rühmlichst bekannte Mälzl aus Wien, k.k. österreichischer Hofmechaniker, der seit mehreren Jahren in Paris lebt und durch seine Metronomen mit deutscher Beharrlichkeit dafür sorgt, daß die Franzosen im gehörigen Takte bleiben, hat nicht bloß diese seine bekannten Taktmesser, sondern auch weibliche Puppen zur Schau gestellt, die jede unter einer Glasglocke still und bescheiden auf kleinen Stühlchen sitzen und in verschiedenen Landestrachten gar herrlich geputzt sind. Aber nicht bloß in ihren schönen Gesichtern und Kleidern besteht ihr Wert, sondern darin, daß sie sprechen können. Sie können ja und nein ganz hörbar sagen. Die Franzosen machten sich über diese Wortkargheit lustig und wollen daraus auf eine gewisse Geistesarmut schließen; aber die leichtsinnigen Spötter vergessen, daß selbst den geistreichsten Staatsmännern, welche die größten Dinge zustande bringen, es selten gelingt, ja oder nein deutlich auszusprechen. – Bedeutender als jene weiblichen Puppen ist ein männliches Puppenspiel, das einer der ersten Pariser Mechaniker verfertigt hat; nämlich ein vollständiges Regiment französischer Lanzenreuter, die mit Pferden und Waffen alle Bewegungen der menschlichen Lanziers machen und deren Trompeter ganz gehörig dazu blasen. Der kleine Herzog von Bordeaux hat dieses Spiel am vorigen Weihnachtsfeste von seinem königlichen Großonkel zum Geschenke erhalten, und der Hof war so gefällig, es zum Vergnügen des Publikums in die Exposition zu schicken. Unglücklicherweise aber habe ich das Kunstwerk nicht in Tätigkeit gesehen, denn es war immerfort von einer solchen Menschenmenge umgeben, daß ich mich nicht durchdrängen konnte. Habe ich das große Wunder nicht erblickt, wie man aus Maschinen Menschen macht, so tröste ich mich damit, daß ich schon ein größeres Wunder gesehen.

Von den vielen ausgestellten Uhren will ich nur zwei erwähnen. Das Werk der einen war in einem von vergoldeter Bronze schön skulptierten Blumenkorbe ganz versteckt, und die jezeitige Stundenzahl zeigte sich im Kelch einer halbgeöffneten Rose. Deutsche Bonbonsdevisen versichern: „Zeit bringt Rosen“; hier aber sind es Rosen, welche die Zeit bringen. Das andere Uhrwerk ist sehr kunstreich in einem zollangen Zeiger angebracht, so daß der Zeiger sich selbst treibt. Dieser Uhrzeiger oder diese Zeigeruhr kann, ohne weitere Vorrichtung, an jeder Wandfläche, auf welcher man ein Zifferblatt malt, angebracht und davon wieder abgenommen werden. Schon im vorigen Winter sah man diesen Uhrzeiger an einer Spiegelfläche der französischen Oper, auf welcher man den Stundenkreis gezogen, in Bewegung. Die Uhr zeigt sowohl Stunden als Minuten und ist von überraschender Wirkung. – Wer in seinem Zimmer ganz gemächlich den Lauf der Welten beobachten will, der konnte sich in der Exposition Planetarien nach Belieben auswählen. Man sah sehr große von Holz und auch kleine, zierlich von Metall verfertigte, die man unter einer gewöhnlichen Penduleglocke bergen konnte. Mehrere astronomische Uhren versprachen viel; wer nur die Geduld hätte, abzuwarten, ob sie Wort halten! Sie wollen alle Veränderungen in der Zeitlichkeit anzeigen; Stunden, Minuten, Sekunden, den Wechsel der Jahreszeiten, den Lauf des Mondes, den täglichen Auf- und Untergang der Sonne, und ein Zeiger übernahm sogar die verwegene Verpflichtung, alle vier Jahre den Schalttag in Erinnerung zu bringen.

Die ausgestellten Schlosserarbeiten zeigen, daß dieser Zweig der Industrie in Paris zu großer Vollkommenheit gebracht worden. Man sieht die schönsten und zweckmäßigsten Werke, und das Eisen ist so vortrefflich poliert, daß man es mit Stahl verwechseln könnte. An hundert Arten von Sicherheitsschlössern hat der Argwohn allen seinen Witz verschwendet. Schön und kostbar verzierte Geldkoffer möchte man wieder in andere Koffer einschließen, um sie reinlich zu haben. Eiserne Fingerringe gegen Migräne und zur Beförderung des Blutumlaufs, uns ehrlichen Deutschen unter dem Namen Gichtringe längst bekannt, wurden hier als eine neue Erfindung angepriesen. Bratspieße, die sich „nach kosmischen Gesetzen“ bewegen, sind so nährend als belehrend. In einem von kostbarem Holze verfertigten Kasten sah man eine vollständige Sammlung aller für Schlosser nötigen Handwerkszeuge, auf das Zierlichste gearbeitet. Auf einer messingnen Platte las man die Worte eingegraben: „offert au roi pour le duc de Bordeaux.“ Wem fiele hierbei nicht der unglückliche Ludwig XVI. ein, der für Schlosserarbeiten eine so leidenschaftliche Liebhaberei hatte? Daher ist es wahrscheinlich, daß die Gabe nicht angenommen worden.

In den Zimmern, welche die mechanischen Werke ausfüllten, sah man auch eine große Menge Zeichnungen und Grundrisse zu Bauwerken, die teils wegen der Wunderlichkeit des Plans, teils darum einen komischen Eindruck machten, weil die unglücklichen Planmacher nie dazu kommen konnten, ihre Entwürfe auszuführen. Der eine wollte schon unter Ludwig XVI. eine Brücke bauen; da trat die Revolution dazwischen. Ein anderer wollte während der Revolution einen Tempel bauen; da kam die Usurpation und verhinderte. Ein dritter wollte während der Usurpation ein Theater aufführen; da sprach die Restauration: Halt! – und so wurde den armen Schelmen, so oft sie in den Tempel des Ruhmes eintreten wollten, die Türe vor der Nase zugeschlagen. Unter andern war das Modell einer Säule zu sehen, die ein Baukünstler zum Denkmale an die Rückkehr Ludwigs XVIII. in Vorschlag brachte. Die Säule war der auf dem Vendômeplatze gleich; nur hatte der Künstler die Neuerung an gebracht, daß sie von ebenso vielen Fenstern, als das Jahr Tage hat, nämlich von 365, durchbrochen werden sollte. Ein guter Gedanke! Schade nur, daß dann kein Platz für die Mauersteine übriggeblieben wäre. Diese Glassäule wollte der Planmacher auf der Stelle errichtet sehen, wo der unter Napoleon begonnene und unvollendet gelassene Arc de Triomphe de l'Etoile steht, den man, Platz zu gewinnen, niederreißen sollte. Napoleon hatte diesen Siegesbogen der aus Rußland zurückkehrenden Armee bestimmt, und die jetzige Regierung ging immer mit dem Gedanken um, ihn abbrechen zu lassen. Kaum hatte jener Baukünstler sein Modell aufgestellt, als im Moniteur eine königliche Verordnung erschien, welche den Arc de Triomphe de l'Etoile auszubauen befahl. Es ist nämlich nach Beendigung des spanischen Krieges beschlossen worden, das siegreiche französische Heer zu belohnen, und zwar, was Feldherrn und Oberoffiziere betrifft, die wußten, was sie taten, klassisch – mit Orden, Beförderungen, Dotationen und andern soliden Dingen; was aber die Gemeinen betrifft, die ohne Kritik der reinen Vernunft, bloß körperlich in das Feuer gegangen, romantisch – indem ihnen zugedacht worden, unter jener Triumphpforte in die Stadt Paris einzuziehen. Den armen Planmacher also hat das neckische Schicksal wiederum geprellt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Schilderungen aus Paris.