5. Heinrich Johann Friedrich Ostermann

Der Nutzen einer größeren Aufklärung des Menschen ist entschieden. Sie lehrt eine sich selbst befriedigendere, für die Mitwelt gemeinnützigere, und überhaupt genommen vollkommenere Anwendung der menschlichen Geisteskräfte; sie gibt hellere und höhere Begriffe von der einfachen, wahren Religion, die sich nicht an die Namen der Unterabteilungen des Christentums, oder des Moslemismus, des Judaismus, und wie die Arten, den für alle Völker einzigen Gott anzubeten, heißen mögen, bindet; sie veredelt die Früchte der Gelehrsamkeit; sie flößt den Stolz ein, die hohe Bestimmung, zu der man berufen ist, zu erfüllen; sie reizt an, die Geschäfte würdiger zu betreiben; sie ist die vollkommenste Trösterin in unverschuldeten Leiden; sie erleichtert den Übergang vom Leben zum Tode. — Der Wert der größeren Aufklärung ist noch vielfacher, aber nicht alle aufgeklärte Menschen leisten allgemein den Nutzen, den sie gewähren kann.

Heinrich Johann Friedrich Ostermann war der zweite Sohn eines lutherischen Geistlichen in Bockum, einer Stadt in der Westfälischen Grafschaft Mark. Er studierte in Jena und kam auf Empfehlung seines älteren Bruders, der schon in Russland war, im Jahre 1704 in die Dienste des Russischen Vize-Admirals Cruys a), der ihn aber wegen seiner großen Geschicklichkeit, und wegen seiner sehr bald erlangten Fertigkeit in der Russischen Sprache, bei einer vorfallenden Gelegenheit seinem Monarchen als einen sehr brauchbaren Mann empfahl.


a) Cornelius Cruys, ein Holländer aus einer ansehnlichen Familie, war schon in seinem Vaterlande in wichtigen Seediensten gebraucht worden, als ihn Peter I mit nach Russland nahm. Er hat die meisten Verdienste um die Bildung der Russischen Marine. Cruys starb 1727 im einundsiebzigsten Jahr seines Alters.

Von diesem Augenblick an leistete er in politischen und einheimischen Geschäften dem Russischen Hofe die nützlichsten Dienste. Sie sind zu wichtig und zu vielfach, um nur obenhin berührt werden zu können. Die Geschichte der Erfüllung der ihm auferlegten Pflichten ist in den Jahrbüchern der Russischen Regenten bis zum Ende des Jahrs 1741 so verwickelt enthalten, dass es unmöglich ist, eine von den andern zu trennen. Alle Regenten Russlands, denen er diente, setzten in ihn das vollständige Vertrauen, und ließen sich angelegen sein, ihn zu belohnen.

Es würde zu weitläufig sein, das Leben dieses großen Mannes ausführlich zu beschreiben, aber wir wollen einige Anekdoten von seinem Dienste, und von dem letzten Jahre seines Aufenthalts in Petersburg, ehe er nach Sibirien ging, erzählen, die wenig bekannt sind.

Dass Ostermann, in Gemeinschaft mit Catharinen und Schaphirow, den Kaiser am Pruth aus der gefährlichsten Lage zog, ist bekannt genug. Es verdient nur deswegen wiederholt zu werden, weil seit der Zeit Peters Zutrauen zu ihm unbegrenzt wurde. — Als der Friede mit Schweden geschlossen werden sollte, schickte der Monarch im Jahre 1721 den Grafen Bruce b) und den Baron Ostermann nach Nystadt. Ostermann nahm starke Wechsel mit vom Kaufmann Meyer c), aber keine Dukaten, weil, wie er sagte, die schweren Geldkasten viel Aufsehen machen möchten. In Nystadt mussten allemal die sämtlichen Kommissarien zusammen kommen, weil außerdem nichts ausgemacht werden durfte. Ostermann stellte sich dann immer betrunken. Die Schweden glaubten schon, sie hätten alles gewonnen. Aber Ostermann ging immer außer der Versammlungszeit zu Cederkreutz, dem vornehmsten der Schwedischen Kommissarien, redete mit ihm alles ab, gab ihm hundert tausend Rubel und alle Güter seiner Familie in Liefland zurück, und erhielt dadurch seinem Kaiser die Herzogtümer Liefland und Esthland, die in der Folge für eine Summe d) Geldes dem Schwedischen Hofe zum Schein abgekauft wurden, um durch diesen Kauf die Krone Polen zum Schweigen zu bringen, die Ansprüche auf diese Länder bildete. In dem Augenblicke, da alles schon unterzeichnet war, kam Jaguschinski als Courier aus Petersburg, um Bruce und Ostermann zu sagen, sie sollten ohne Ausnahme alles zugestehen, was Schweden verlangen würde, um nur Frieden zu erhalten, denn man habe die sichere Nachricht, dass eine Engländische Flotte, unter dem Befehl des Admirals Norris, unter Segel gegangen sei, um in das Baltische Meer zu kommen. Zum Glück kam Jaguschinski zu spät. Ostermann hatte alles erlangt, was er haben wollte, und brachte Wechsel über große Summen wieder mit, die er nicht gebraucht hatte, und die er dem Kaiser weder einhändigte. — Nach diesem allen war es wohl natürlich, dass Peter I. ihn sehr schätzte. Dieser Monarch hatte oft gesagt, Ostermann, der von ihm selbst unterrichtet worden sei, habe nie einen Fehltritt in der Erfüllung seiner Pflichten getan. Seine Entwürfe in russischer Sprache, die er alsdann für fremde Höfe in das Deutsche, Französische oder Lateinische übersetzt habe, wären immer unverbesserlich gewesen. Noch auf seinem Totenbett 1725, da Ostermann ihn gar nicht verlassen durfte, wiederholte der Kaiser dies alles, und man weiß, dass in den letzten Jahren Peter I. sich den Ratschlägen Ostermanns fast ganz allein anvertraute. — Dieser Fürst machte ihn zum Geheimenrat und erhob ihn in den Freiherrenstand.

b) Ein Teil der Schottischen Familie Bruce, die ehemals diesem Reich Könige gegeben hatte, und noch jetzt in ihrem Wappen, das Zeichen der Herrscherwürde, den Streitkolben führt, war schon zur Zeit der Usurpation Cromwells nach Russland gekommen. Der, von welchem hier die Rede ist, war General-Feldzeugmeister, und hatte viel literarische Kenntnisse. Der Russische Zweig der Familie Bruce ist in der männlichen Linie mit dem General en Chef am Ende des vorigen Jahrhunderts ausgestorben. Die letzte Erbin dieses Hauses, das eines der reichsten war, heiratete einen Grafen Musin-Puschkin, Gesandten in Neapel, der sich seit der Zeit Musin Puschkin Bruce nannte, um wenigstens das Andenken des großen Namens zu erhalten.

c) Meyer, ein reicher altdeutscher Kaufmann in Moskau, der sich in Petersburg niederließ, viel mit Peter I. lebte, wurde unter Regierung der Kaiserin Elisabeth, zugleich mit dem Sächsischen Berghauptmann Curt von Schönberg, unglücklich. Meyers Sohn, Raudolph, war ein Taufpate Peters I., und ein sehr unterrichteter, rechtschaffener und allgemein geschätzter Kaufmann.

d) Wir glauben gehört zu haben, dass diese Kaufsumme nicht mehr als Eine Million Rubel war.


Unter der Regierung der Kaiserin Catharina I wurde Ostermann Reichs-Vizekanzler und wirklicher Geheimerrat. Auf ihrem Totenbett ernannte ihn diese Prinzessin zum Oberhofmeister ihres Nachfolgers Peter II und zum Mitglied des Conseils, dem während der Minderjährigkeit dieses Prinzen die Regierung aufgetragen wurde.

Ostermann besorgte die Erziehung des jungen Kaisers so gut es sein konnte, und schrieb für ihn die bekannte vortreffliche Einrichtung e) der Studien. Er erhielt von seinem Herrn und Zögling 1730, der noch fast als Kind starb, die Würde eines Russischen Grafen.

e) Sie steht im dritten Teile des veränderten Russlands, der 1740 erschienen ist.

Die Kaiserin Anna, in deren Umgebung Ostermann einer der geistvollsten und aufgeklärtesten war, machte ihn zum Kabinettsminister. Er führte in demjenigen Teil der Regierung, der ihm ausschließlich anvertraut war, das Ruder mit einer immer sicheren Hand. Aber sein heller Verstand, und seine große Staatsklugheit und Menschenkenntnis machten, dass, wenn die Kaiserin auch in andern Fällen sich gar nicht mehr zu raten wusste, sie immer den Grafen Ostermann kommen lies, und nach seinem Vorschlage ihre Entschließungen erteilte. Dieser weitsehende Mann suchte nach und nach sich immer mehr vom Hofe zu entfernen, und sich in dem Kreise seiner Pflichten einzuschränken, den er immer mehr zu verengen bemüht war. Er bemerkte die Verwirrung und den Parteigeist am Hofe und in der Kaiserlichen Familie, und sah daraus mit prophetischem Blick, dass wichtige Katastrophen erfolgen müssten, deren Ausgang nicht zu berechnen war. Daher glaubte er, durch seine Klugheit sich von den Wirkungen der Explosion zurückhalten zu können. Er entschuldigte sich durch Krankheit und ging nicht mehr an den Hof. Zum Teil war dies nur ein Vorwand, denn man sagt, um sich ein krankes Aussehen zu geben, habe Ostermann sein Gesicht mit Zitrone gefärbt; zum Teil war er aber auch wirklich krank. Er hatte schon damals einen unterbrochenen Schmerz au den Füßen, der ihn sehr bald ganz um den Gebrauch derselben brachte. Doch alles das konnte ihn nicht schützen, sobald man seinen Rat brauchte. Er musste dann mit größter Sorgfalt, Schonung und Bequemlichkeit in die Zimmer der Monarchin getragen werden.

1740. Nach dem Tode der Kaiserin Anna ging er gar nicht mehr aus, blieb aber immer ein Hauptorgan im Russischen Staate. Er wollte gleich nach dem Ableben dieser Fürstin seinen Abschied nehmen, aber der Herzog von Curland, der damals Regent war, bat ihn so dringend, dass er blieb.

Die Regentin Anna, Mutter des Kaisers, bloß um dem Grafen Ostermann einen höheren Rang, den eines Feldmarschalls zu geben, ernannte ihn 1740 zum Groß-Admiral; eine Stelle, für die er wohl eigentlich nicht gemacht war, weil er das Detail derselben nicht verstand. Doch als ein Mann von großen Talenten hatte er gewiss nach einiger Übung auch in diesem Fache den richtigen Überblick eines Chefs. — Unter der Regierung dieser Prinzessin fing die Österreichische Partei am Russischen Hofe an, ihm vorzuwerfen, dass er zu preußisch gesinnt sei. Der Vorwurf war auch nicht unbegründet, und man muss glauben, dass ein so weiser Minister, als Ostermann war, wenn er seinen Hof auf Preußische Seite zu lenken suchte, auch gewiss von der Güte des Systems und des Verstandes des jungen und unternehmenden Preußischen Monarchen, Friedrichs II., überzeugt sein musste. Indessen machte sich Ostermann am Russischen Hofe dadurch große Feinde, zu welchen besonders Generalissimus, Prinz Anton Ulrich von Braunschweig, Gemahl der Regentin und Vater des Kaisers, gehörte, der immer für Österreich stimmte. Doch dies alles hatte weiter keine Folgen, zumal da man, um der Regierung mehr Festigkeit zu geben, den Grafen Ostermann bald dahin brachte, sich mit denen zu vereinigen, welche die Großfürstin und Regentin Anna selbst auf den Russischen Thron zu setzen, und den bisherigen Kaiser, ein Kind von einigen Monaten, zum Thronfolger zu erklären im Sinne hatten; ein Projekt, über dessen Ausführung man durch die Revolution der Elisabeth übereilt wurde.

In der Zeit der vormundschaftlichen Regierung der Prinzessin Anna wurde Ostermann sehr ernstlich krank. Im Monat März 1741 versicherte Dr. Kämpf, ein sehr geschickter Arzt aus Hamburg, dass die Umstände dieses Ministers durch Salzfluss, Harnverstopfung und Blutergießen so bedenklich würden, dass man, obgleich Hilfe, oder vielmehr Aufschub, nicht ganz unmöglich sei, dennoch einen unerwarteten Tod befürchten müsse. — Zu seinem Unglücke lebte Ostermann noch lange genug.

Am Ende des Jahrs erfolgte die Empörung der Elisabeth. Nur eine so unbedeutende und schwache Frau konnte die Verdienste dieses großen Mannes, dem ihre Vorfahren besser zu schätzen gewusst hatten, verkennen. Sie ließ sich von ihren Ministern und Höflingen überreden, den Grafen Ostermann als den größten Verbrecher von allen den Männern, die das Opfer der Intrige ihres Hofs wurden, zum Tode zu verurteilen.

Wir wollen, da sich eben die Gelegenheit darbietet, die Inquisitionsgeschichte dieser Unglücklichen, die mit Ostermann zugleich verurteilt wurden, und das Schicksal einiger ihrer Verwandten, so kurz als möglich, erzählen. — Das Leben der Elisabeth ist und bleibt ein durchgängig schändliches Buch, in welchem höchstens nur zwei oder drei leidliche Blätter zu finden sind.

Noch in der nämlichen Nacht, als die neue Kaiserin aus dem Winterpalais kam, wo sie die bisherige Dynastie hatte in Verhaftung nehmen lassen, wurden Truppen ausgeschickt, um mehrere Personen in ihren Häusern zu arretieren. Diese waren: der Graf Ostermann, der General-Feldmarschall, Graf von Münnich für der Großkanzler, Graf Golowkin e), der Oberhofmarschall, Graf Löwenwolde f), der Präsident und Geheimerat, Baron Mengden g),der Staatsrat Demiresow und der Sekretär Posniakow. Die Gefangenen kamen alle in die Staatsgefängnisse in der Festung, außer Löwenwolde, der anfänglich in seinem Hause verhaftet war, endlich aber auch dahin kam. Übrigens wurden sie alle sehr leidlich gehalten. Die zu der Untersuchung der vorgeblichen Verbrechen ernannten Kommissarien waren: der General Uschakow k), der General-Procureur Knées Trubetzkoy l), der General Lehwaschew m), der Oberstallmeister, Knées Kurakin m), der Geheimerat Narischkin m) und im Januar 1742 kam noch ein Knées Golizin m) hinzu, der zur Zeit der Kaiserin Anna Präsident des Justiz Collegiums gewesen war. Der Fürst Trubetzkoy hatte das Geschäft zu fragen, und Herr von Betzkoy war Protokollist.

f) Der General-Feldmarschall Graf von Münnich, ein Holsteiner von Geburt, war eben so groß in seinen Talenten als in seinen Fehlern. Er war einer der geschicktesten und glücklichsten Feldherren seiner Zeit und ein vortrefflicher Ingenieur. Überdies hatte er viel Verstand und ausgebreitete Kenntnisse, aber er war auch so sehr Egoist, als man es nur sein kann. Daher mengte er sich in Staatssachen, die nie sein Fach hätten sein sollen. Seine Hauptfehler waren Rachgier und Grausamkeit. Eine genaue Schilderung dieses Mannes, der große Verdienste um Russland hatte, würde zu weit führen. Peter III ließ ihn aus Sibirien zurückkommen, und behielt ihn bis zum letzten Tage seiner Regierung bei sich. Seines hohen Alters ungeachtet leistete Münnich noch wichtige Dienste. Er starb in der Mitte der sechziger Jahre.

g) Der Großkanzler, Graf Golowkin, war ein stolzer Mann, aber ein sehr geschickter Staatsminister. Er starb an dem Orte seiner Verbannung.

h) Der Oberhofmarschall, Graf Löwenwolde, war aus Liefland gebürtig und einer der würdigsten Staatsmänner Russlands. Er starb in Jaroslawl.

i) Der Präsident, Baron Mengden, war ein Bruder der bekannten Julie Mengden, von der in diesem Buche mehr gesagt werden wird.

k) General Uschakow war lange Zeit der gefürchteste Mann in Russland. Von der Regierung Peters I an bis in die Regierung der Elisabeth war er Präsident der geheimen Kanzlei. Von ihm wird in mehreren Stellen dieses Buches gesprochen werden.

l) Knées Nikita Trubetzkoy war ein höchst strenger und rachgieriger Mann. Von ihm wird an mehreren Orten in diesem Buche die Rede sein. Er hatte verschiedene Kinder hinterlassen, von denen ich nur zwei erwähne: den Fürsten Peter Nikititsch Tubetzkoy, einen sehr würdigen Patrioten und Staatsdiener, der im Anfange der neunziger Jahre starb, und die in Petersburg noch lebende Fürstin Wjasemsky.

m) m) m) m) Lewaschew, Kurakin, Narischkin und Golizin. Von allen diesen Männern können wir in diesem Augenblicke keine besonderen Nachrichten angeben. Wahrscheinlich war Kurakin der Vater der jetzigen beiden großen Staatsmänner in Russland, Alexander und Alexis; Narischkin, der Großvater der beiden mit den ersten Hof-Chargen bekleideten Männer, Alexander und Dimitrej; und Lewaschew, der Vater des wahrscheinlich verstorbenen Generals und Kaiserlichen Adjutanten.


An Ostermann wurden bis achtzig Fragen getan. Dieser große Mann machte eine vollständige Geschichte seines Ministeriums und verschwieg nichts. Er sagte, so lange er einer Regierung mit Eid und Pflicht zugetan wäre, hätte er auch geglaubt, seiner Obliegenheit nachkommen zu müssen. Unter der Menge unbegründeter und unsinniger Verbrechen, deren man ihn beschuldigte, waren die hauptsächlichsten: dass nach dem Tode Peters II. die Herzogin Anna von Curland, statt der Prinzessin Elisabeth, auf dem Russischen Thron gesetzt worden sei; dass er die Flotte in Verfall gebracht habe, damit Russland genötigt sein mochte, die Freundschaft der Seemächte zu suchen; dass die Verurteilung der Kneesen Dolgorucky im letzten Regierungsjahre der Kaiserin Anna durch ihn befördert worden sei; dass er angeraten habe, die Prinzessin Elisabeth in das Kloster zu sperren; und dass das Projekt, den jungen Herzog Peter von Holstein aus dem Wege zu schaffen, von ihm herrühre. Unter allen wurde Ostermann am meisten beschuldigt. Er war, wie wir wissen, immer sehr kränklich gewesen, und jetzt wurde er im Gefängnis so krank, dass er beichtete und das Abendmahl nahm, so nahe glaubte er sich seinem Ende. Nach dieser Krankheit bemerkte man eine, ihm ungewöhnliche, Ängstlichkeit und Kleinmütigkeit an ihm. Er ließ den Geheimenrat L'Estocq zu sich bitten, der auch einige mal zu ihm ging, aber seinem Vorgeben nach ihm nicht helfen konnte. Als Ostermann im Januar, unter den Kommissarien, den Fürsten Golizin erblickte, bat er ihn, wegen der Verfolgung der Golizinschen Familie, woran er allerdings Schuld war, um Verzeihung.

Ostermanns Vermögen, als er arretiert wurde, war im Vergleich dessen, was andere aufgehäuft hatten, sehr unbeträchtlich. Er hatte einige unbedeutende Güter und ein Haus n). Außerdem fand man bei ihm elftausend Pfund Sterling, und hundert und dreißigtausend Gulden, die er in den Banken o) in London und Amsterdam niedergelegt hatte. An barem Gelde und Juwelen hatte er nur zweihundert und dreißig Rubel, und vier oder fünf Portraits von Souveränen mit Diamanten besetzt.

n) Ostermanns Haus war in etwas verkleinerter Gestalt das jetzige Senatsgebäude. Sonderbar ist, dass alle Bewohner dieses Hauses unglücklich geworden sind. Der erste war Graf Ostermann, der nach Sibirien kam. Nach ihm erhielt es Graf Bestuschew, den man auf seine Güter verwies. Alsdann bewohnte es Prinz Georg von Holstein, der am Tage der Revolution im Jahre 1762 in diesem Hause von Russischen Soldaten gemisshandelt wurde, und es bald nachher verlassen musste. Endlich wurde der Senat dahin verlegt, und man weiß, dass unter Catharina II dieses höchste Reichs-Kollegium beinahe ganz seinen vorigen Wirkungskreis verlor, unbedeutend wurde. — Ein ähnliches Unglückshaus hat man auch in Berlin unter den Linden. Der Erbauer desselben wurde bankrott. Dann kam es an den Minister Görne, der wegen verübter Beeinträchtigungen von Friedrich II weggejagt wurde. Nach ihm erhielt es die berüchtigte Gräfin Lichtenau, deren politisches Ende man weiß. Jetzt bewohnt es der Fürst von Oranien — — —

o) Damals gab es in Russland selbst noch keine öffentlichen Anstalten, um Geld unterzubringen.


Münnich war zur Zeit der Revolution der Elisabeth außer Diensten. Er hatte nämlich seinen Abschied genommen, weil er wohl merkte, dass die Regentin kein Vertrauen p) mehr zu ihm hatte. Seinem Vorgeben nach wollte er eben abreisen, als Elisabeth den Thron bestieg. Er würde aber wahrscheinlich wieder in Russische Dienste gegangen sein. Man beschuldigte ihn unter andern er sollte an dem Abende, an welchem er den Herzog von Curland arretierte, zu den Garden, um sie zu diesem Schritt zu bewegen, gesagt haben, die Prinzessin Elisabeth werde als Kaiserin ausgerufen werden. Als er, natürlicher Weise, diese Beschuldigung ableugnete, wurden Gardesoldaten, die bestochen waren, herein gerufen, die ihm ins Gesicht sagten, er habe sie selbst überredet. Münnich blieb unerschrocken, und behandelte diese erbärmlichen Menschen, die Kommissarien sowohl als die Soldaten, die alle eine gleiche Behandlung verdienten, mit gebührender Verachtung. Er sagte mit edlem Stolz den Richtern, wenn man die Sache so betreiben, und ihn unglücklich machen wolle, so könne man das viel kürzer haben. Man dürfe nur selbstbeliebige Antworten zu den an ihn gerichteten Fragen setzen, und er verspreche als ein ehrlicher Mann, sie ungelesen zu unterschreiben. Indessen machte Münnich doch noch einen Versuch zu seiner Rettung, der aber für seinen Charakter nicht sehr rühmlich war. Er schrieb nämlich an den Prinzen von Hessen-Homburg q), dessen erklärter Feind er von jeher gewesen war, und der allen klugen und höflichen Leuten wenigstens gleichgültig sein musste. In diesem Brief sprach er viel von seinem Eifer für das hessische Haus, in dessen Armee er zu dienen angefangen hatte; versprach ihm, wenn er ihn befreien würde, viel geheime Anekdoten von Hessen zu sagen; sprach von Prätensionen Hessens an Curland und dergleichen mehr, aber alles dieses half nichts.

p) Anna fürchtete den unternehmenden Geist des Grafen Münnich. Sie gestand wohl selbst ihren Vertrauten: ein Mann, der, wie er schon eine Revolution gegen den Herzog von Curland so geschwind und so glücklich beendigt hätte, könnte auch wohl Lust bekommen, noch mehr zu wagen. Sie war sogar ruhiger, als Münnich an der entgegengesetzten Seite der Newa wohnte.

q) Der Prinz von Hessen-Homburg, Ludwig Johann Wilhelm Gruno, geboren 1745, war schon unter Peter I in Russische Dienste getreten, und starb im Jahr 1745 als General-Feldzeugmeister. Von seiner Gemahlin wird an einem andern Orte etwas gesagt werden.


Golowkin und Ostermann hatten sich, sagt man, stürzen wollen. Jeder hatte besonders daran gearbeitet, die Regentin zur Kaiserin zu machen. Endlich hatte man sie vereinigt, und um diese Vereinigung zu bewirken, war Mengden gebraucht worden.

Übrigens haben wir keine Kenntnis der vorgeblichen Verbrechen, deren man Golowkin, Löwenwolde und Mengden beschuldigte.

Dimiresow wurde angeklagt, zuerst das Projekt gemacht zu haben, die Regentin Anna und ihre Nachkommenschaft auf den Russischen Thron zu setzen, und die Prinzessin Elisabeth ganz von demselben auszuschließen.

Posniakow sollte mit Dimiresow zugleich an diesem Entwürfe gearbeitet haben.

Alles war nichts als Hofintrige. Man wollte nur Leute entfernen, die durch ihre große Überlegenheit an Geisteskräften, Erfahrung und Kenntnissen den neuen Ministern und Höflingen unbequem wurden. Um sie desto empfindlicher, grausamer und gewisser strafen zu können, machte man sie zu Staatsverbrechern. Diese Benennung war aber hier nicht anwendbar. Teils waren diese Beschuldigungen erdichtet, und konnten höchstens nur durch ein hineingeworfenes, vielleicht übereiltes Wort bestätigt werden; teils war ja ehemals Elisabeth so gut, wie jeder Untertan im Russischen Reiche, eine Privatperson, gegen die man kein Staatsverbrechen begehen konnte.

Am 28ten Januar 1742 fuhr die Kaiserin nach Sarskoe Muisa, jetzt Sarskoe Selo. Sobald sie fort war, wurde, mit Trommelschlag begleitet, durch die ganze Stadt bekannt gemacht, dass man früh um zehn Uhr nach Wassilej Ostrow r) kommen sollte, um daselbst die Exekution an den Feinden der Kaiserin zu sehen.

Es war gerade vor dem Kriegskollegium ein gemeines Blutgerüste, sechs Stufen hoch, erbaut, auf welchem ein Block stand. Das ganze Astrachansche Regiment schloss einen Kreis, in welchem, außer den zu der Exekution notwendigen Personen, noch ein Wundarzt sich befand, aber kein Priester. Die Staatsgefangenen waren schon ganz früh aus der Festung gebracht worden. Punkt zehn Uhr kamen sie in den Kreis; Grenadiere begleiteten sie mit aufgepflanztem Bajonett.

Graf Ostermann war in seinem gewöhnlichen Morgenkleid, nämlich in einem rötlichen Fuchspelz. Er trug eine kleine Perücke und einen schwarz samtenen heruntergeschlagenen Reisehut. Da er zu schwach war, so wurde er in einem schlechten Iswoschiks- oder Fuhrmanns-Schlitten, mit einem Pferde bespannt, gefahren.

Graf Münnich und alle die andern kamen zu Fuß. Münnich trug einen Pelz und eine Zobelmütze.

Nach ihm kamen, Graf Golowkin, Graf Lowenwolde, Baron Mengden und der Etatsrat Dimiresow.

Der Sekretär Posniakow kam nicht mit; er hatte seine Strafe schon im Palais s), nämlich die Pritsche, bekommen.

r) Damals war der Richtplatz in Wassilej-Ostrow vor den Kollegienhäusern, ungefähr vor dem dritten vom Ufer. Jetzt ist er in der Nähe des Alexander-Newsky-Klosters.

s) In den ungedruckten Nachrichten über diese Exekutionsgeschichte heißt es: im Palais, ohne weitere Bestimmung. Vielleicht war es das ehemalige Palais der Prinzessin Elisabeth.


Als die Staatsgefangenen im Kreise beisammen waren, wurde Ostermann, der immer als der Hauptverbrecher angesehen worden war, von vier Soldaten auf das Schafott getragen, und auf einen hölzernen Sessel gesetzt. Er entblößte sein Haupt, und ein Sekretär vom Senat las das Urteil. Die Delinquenten erfahren es nie eher, als auf dem Richtplatz. Ostermann war verurteilt, geköpft und gerädert zu werden. Er hörte das fürchterliche Urteil gelassen an, schien sich zu wundern, und sah gen Himmel. Gleich nachher legten ihn die Soldaten mit dem Gesicht auf die Erde. Der Henker streckte ihm den Hals auf den Block, hielt den Kopf an den Haaren und nahm das Beil. Ostermann legte beide Hände vor sich hin; ein Soldat rief ihm zu, er sollte sie zurücknehmen, und hierauf ließ er sie herabfallen, und hielt sie an den Leib. Indem man glaubte, dass der Todesstreich kommen sollte, rief der Senatssekretär dem Grafen zu: Gott und die Kaiserin schenken Dir das Leben. Ostermann wurde wieder aufgerichtet; er zitterte. Man setzte ihn wieder auf den Schlitten, und nun musste er warten, bis die andern ihr Urteil wussten.

Keiner mehr bestieg das Gerüst. Allen war das Leben abgesprochen. Elisabeth schenkte es ihnen, schickte sie in die Verbannung, und verlängerte dadurch die Qualen der Unglücklichen.

Als sie den Kreis wieder verließen, bemerkte man an den meisten den Eindruck, den diese, die Menschheit empörende Szene, auf die verschiedenen Charakters der Staatsgefangenen gemacht hatte.

Münnich war der erste, der aus dem Kreise geführt wurde. Sein Betragen war edel, sein Blick niederschlagend; frech nannten ihn seine Feinde. Er wurde in einem zugemachten Schlafschlitten vom Hofe gesetzt, hatte Hoflivree bei sich, und wurde von vier Grenadieren mit Bajonetten begleitet. Man brachte ihn in die Festung.

Dahin kam auch Ostermann auf seinem Iswoschiksschlitten; Soldaten gingen neben her. Er war zu sehr durch körperliche Schmerzen und durch die Begebenheiten der letzten Stunde entkräftet, um durch äußere Merkmale anzuzeigen, was in seiner großen Seele vorging. Man kann sich jedoch seine Empfindungen leicht denken.

Golowkin hatte immer das Gesicht bedeckt. Sobald er es entblößte, bemerkte man verbissene Wut. Er wurde auch auf einem Schlitten, und Wache neben her, in die Festung gebracht.

Löwenwolde gab sich ein Ansehen von Freundlichkeit, die wahrscheinlich Verstellung war, zeigte aber übrigens viel gelassenen Mut. Er ging zu Fuß nach dem wenig entfernten Senat zurück.

Mengden hatte immer das Gesicht bedeckt, weinte beständig, und war äußerst kleinmütig. Er ging auch zu Fuß in den Senat.

Dimiresow schien äußerst ruhig zu sein, und begab sich eben auch dahin.

An diesem Tage reisten alle von Petersburg ab, um sich an die Orte ihrer Verbannung zu begeben. — Graf Ostermann nach Beresow, wo der Fürst Menzikow gestorben war. — Graf Münnich nach Pelim. Er kam daselbst in das Haus, das er nach seinem eigenen Riss für den Herzog von Curland hatte bauen lassen. — Garl Golowkin an den Verbannungsort des Generals Carl Biron der eben damals zurückkam. Der Name des Orts ist uns unbekannt. — Graf Löwenwolde nach Jaroslawl, wohin damals der Herzog von Curland von Pelim kam. Da Jaroslawl nur ein leidlicher Verweisungsort ist, so durften wahrscheinlich beide Männer Umgang zusammen haben. — Baron Mengden dahin, wo bisher der General Gustav Biron, der auch zurückkam, gesessen hatte. —

Alle erhielten die notwendigsten Kleider. Manche Bedienten wollten ihren Herren folgen, und es wurde ihnen erlaubt. Ostermanns Bedienten erwarteten ihren Herrn in der Jemskoy t) und gingen alle mit. Er erhielt drei Fässer Uugrischen Wein. — Löwenwolde wurde ebenfalls von seinen Leuten in der Jemskoy erwartet. Sie blieben alle bei ihm. Er bekam überdies einen Wundarzt, weil er oft kränklich war, und sein Pferd zu seiner Bequemlichkeit. — Jedem Staatsgefangenen gab man täglich einen Rubel, und jedem Bedienten zehn Kopeken. — Eine schöne Handlung, die Herren und Diener ehrt, war die, dass die meisten Bedienten ihr erworbenes Geld brachten, worunter auch ansehnliche Summen waren, und ihren Herrschaften gaben.

Die rührendste Szene war den Staatsgefangenen bei ihrer Abreise von Petersburg aufbehalten; das Wiedersehen ihrer Verwandten, und bei vielen der ewige Abschied von ihnen.

Zu Münnich waren seine Verwandten schon in der Festung geführt; worden. Die Gräfin Münnich entschloss sich sogleich, ihren Gemahl zu begleiten. Sein Sohn u) war ebenfalls verhaftet gewesen, wurde aber begnadigt, nicht auf den Richtplatz geführt, und ganz frei gelassen. Der Vater verbot ihm zu weinen. — Die Gräfin Golowkin ging ebenfalls mit ihrem Gemahl. — Für den Baron Mengden musste diese Vereinigungs-Szene fürchterlich sein. Er liebte seine Gemahlin so sehr, als sie ihn liebte, und in welchem Zustande fand er sie! Eine völlige Zerrüttung des Verstandes war die Folge ihrer tiefempfundenen Schmerzen. Sie hatte ein kleines Kind, und war von dem Entschluss nicht abzubringen, ihren Gemahl zu begleiten, und das Kind mitzunehmen.

t) Jemskoy oder Fulirmaimsstadtteil ist eine Art Vorstadt von Petersburg über der Anitschkowsclien Brücke nahe beim Alexander-Newsky-Kloster.

u) Graf Münnich, der Sohn, war Hofmeister am Kaiserlichen Hofe gewesen, und bekam jetzt Güter bei Moskau. Dieser äußerst rechtschaffene Mann starb als wirklicher Geheimerrat und Andreasordensritter in den neunziger Jahren. Er hinterließ zwei Söhne und wenigstens eine Tochter. Diese war die Gemahlin des wirklichen Geheimenrats von Vietinghof.


Graf Ostermann fand seine Familie in der Jemskoy. Die Gräfin sah ihren Gemahl, um ihn nie nieder zu verlassen. Seine Tochter und seine Söhne blieben zurück. Über eine Stunde lang hielt er an diese die rührendsten Vermahnungen. Alle, die gegenwärtig waren, sogar die ganz fremden Offiziers und Soldaten weinten. Endlich bat er sich von seinen Söhnen den letzten Liebesdienst aus: sie mussten ihn in seinen Reiseschlitten tragen.

In Beresow lebte Ostermann noch fünf Jahre, schwächlich und mühsam, und starb am 25sten Mai 1747 in größter Seelenruhe.

Man weiß schon die Ehrenstellen, die dieser berühmte Mann bekleidete, als er mit dem Anfange der Regierung der Kaiserin Elisabeth unglücklich ward. Wir dürfen nur noch hinzusetzen, dass er Generalpostdirektor und Ritter der beiden Russischen und verschiedener fremder Orden war.

Endlich wollen wir nun noch von den Eigenschaften des Grafen Ostermann, eines der ersten Staatsmänner Europas sprechen, und dabei das Urteil zu Rate ziehen, das der berühmte gleichzeitige Schriftsteller Mannstein hier und da über ihn gefällt hat. — Ostermann hatte einen weitumfassenden, völlig aufgeklärten Verstand, besaß eine nietrügende Beurteilungskraft und Menschenkunde, und zeigte in allen seinen nur irgend bedeutenden Reden und Handlungen die feinste Delikatesse. In Allem, was er unternahm, (und er befasste sich nicht mit gewöhnlichen Dingen) hatte er eine Tendenz, die sich durch keine Hindernisse aufhalten ließ. Er war untadelhaft in seinem Lebenswandel, geschäftig, aufrichtig, unbestechlich und treu, wie man es nur sein kann, in Verwaltung der ihm anvertrauten Geschäfte und ansehnlichen Geldsummen. In verschiedenen Teilen der Wissenschaften besaß er eine gründliche Gelehrsamkeit, und hatte besonders zu Erlernung der Sprachen eine Intelligenz, wie man sie selten findet. Allen Männern von Verdiensten, und besonders allen Gelehrten, erteilte er den vollkommensten Schutz. Sein größtes Talent, als Staatsminister, war eine nicht zu übertreffende Kenntnis der Europäischen Höfe, der eigentlichen oder übelverstandenen Stärke oder Schwäche ihrer Regierungen und Länder, und ihrer Verhältnisse unter einander, und eine genaue Beurteilung der damaligen gekrönten oder eigentlichen Machthaber in Europa. — Aber Graf Ostermann war auch äußerst misstrauisch, und konnte nicht gern einen über sich und neben sich leiden, den er nicht offenbar an Einsichten übertraf. Zum Glück konnte ihm aber seine Überlegenheit an Talenten selten streitig gemacht werden. Seiner Leidenschaften war er so sehr Herr, dass man die Geschicklichkeit, sie zu verhüllen, beinahe Falschheit nennen konnte. Um seinem Vortrage mehr Nachdruck zu geben, und dadurch seinen Zweck zu erreichen, war es ihm leicht, Tränen zu vergießen. Wenn in kritischen Fällen die Meinungen der Ministers verlangt wurden, stellte er sich krank, um die Verantwortlichkeit abzulehnen. Mit den Gesandten der fremden Höfe sprach er so rätselhaft, dass diese selten beim Weggehen von ihm mehr wussten, als da sie zu ihm kamen. Sie sähe er den, mit dem er sprach, frei an, aus Furcht, sich zu verraten. In seiner Lebensweise war er ihm höchsten Grade unreinlich.

Die Gräfin Ostermann, zu ihrer Zeit eine der würdigsten Damen des Russischen Hofs, war eine geborene Stresnew; eine Familie, die mit dem Hause Romanow nahe verwandt war. Nach dem Tode ihres Gemahls kam sie aus Sibirien zurück.

Graf Ostermann verließ zwei Söhne und eine Tochter, die in der Religion der Mutter, nämlich in der Griechischen, erzogen wurden.

Zur Zeit des Unglücks ihres Vaters waren die Söhne Capitains von der Garde. Sie mussten zurückdienen, denn sie wurden als Hauptleute bei Feldregimentern angestellt. Man schickte sie in die Gegend der Baschkoren, doch kamen sie bald von dort zurück.

Einer von ihnen wurde im Departement der auswärtigen Angelegenheiten angestellt, und sogar noch zur Zeit der Kaiserin Elisabeth als Gesandter nach Schweden geschickt, wo er lange blieb. Er war ein höchst mittelmäßiger Diplomatiker. Die Revolution Gustavs III im Jahre 1772 geschähe unter seinen Augen, und ganz ohne sein Wissen. Dem Befehle des Königs gemäß durfte ihm sein Bankier nur eine ganz unbedeutende Summe verabfolgen lassen, damit er keine Bestechungen wagen konnte. Er wurde so eingeschränkt, dass er nicht einmal einen Courier abfertigen durfte. Demungeachtet war man in Petersburg sehr zufrieden mit seinen Depeschen. — Es war einmal eine Zeit unter Catharina II, da Graf Panin v) wenig galt. Dieser merkte es, und wollte seine Entlassung haben, aber die Kaiserin gab sie ihm nicht. Er bat um einen Gehilfen, und man überließ es ihm, sich einen zu wählen. Panin nahm den Grafen Ostermann aus Schweden den er für einen klugen Mann hielt, weil seine Depeschen vortrefflich waren. Aber diese hatte der Reichsrat Calling, Chef der Russischen Partei, geschrieben.

v) Vom Grafen Panin sprechen wir an einem schicklicheren Orte.

Ostermann kam; man fand, dass er ein eingeschränkter Kopf war, und er blieb null. Als das Griechische Projekt aufkam, das Panin durchaus nicht billigte, verlor dieser sein ganzes Ansehen, und Ostermann bekam ausschließlich die Direktion der ausländischen Angelegenheiten. Er behielt sie aber nur dem Namen nach. Es entstanden, wie man zu sagen pflegt, eine Menge Faiseurs, als: Besborodko, Potemkin, Markow, Woronzow w), die Lieblinge, und wer die Herren alle waren, die in politischen Fällen von der Kaiserin um Rat gefragt wurden, und im Departement zu befehlen hatten; nur Ostermann nicht, der sich weder durch Geschicklichkeit noch Artigkeit zu seinem Posten qualifizierte. Bisher war dieser Mann Vize-Kanzler, Wirklicher Geheimerrat und Ritter aller Russischen Zivilorden gewesen. Paul I., der seine Unbrauchbarkeit längst bemerkt hatte, wollte ihn gern entfernen, machte ihn zum Großkanzler, und ließ ihm zu verstehen geben, dass er seinen Abschied verlangen möchte. Aus Geiz, der seine Hauptleidenschaft ist, schien er nicht zu verstehen, was der Kaiser von ihm verlangte, bis dieser ihm geradezu sagen ließ: er würde wohl tun, sich zu entfernen. Er tat es endlich und ging nach Moskau, wo er noch am Ende des letzten Jahrhunderts lebte.

w) Vom Grafen Alexander Romanowitsch Woronzow sprechen wir auch an einem schicklichem Orte.


Seine Gemahlin, die er erst spät heiratete, war Alexandra Iwanowna Talysin, eine Tochter des Admirals dieses Namens. Sie war eine vortreffliche Frau und noch im Mittelalter, als sie im Anfange der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts starb.

Sein Bruder war im Militärdienste geblieben, und nach und nach avanciert, ohne sich sehr ausgezeichnet zu haben. Er hatte ebenfalls alle Ritterorden von Russland und war General en Chef, als Paul I. den Thron bestieg. Dieser Fürst, der die Zivilgenerale nicht leiden mochte, ernannte ihn zum wirklichen Geheimenrat. Er lebte am Ende des vorigen Jahrhunderts in Moskau, und war seit langen Jahren verheiratet.

Beide Brüder ersetzten den Mangel an Talenten durch eine ganz außerordentliche Rechtschaffenheit. Keiner von ihnen hat Kinder. Sie haben daher die Söhne ihrer Schwester adoptiert, die seitdem Tolstoy-Ostermann heißen, und in Hof-, Zivil- und Militärdiensten sich rühmlich auszeichnen. Ihre Onkels hatten von jeher den Ruf, große Reichtümer zu besitzen.

Die Schwester der beiden Grafen Ostermann heiratete schon zur Zeit der Kaiserin Elisabeth einen Obristleutnant Tolstoy. Die Monarchin hatte so wenig Delikatesse, die Vermählung im Hause des Grafen Ostermann feiern zu lassen. Frau von Tolstoy scheint schon lange gestorben zu sein. Ihr Gemahl starb als General en Chef.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russische Günstlinge.