2. Alexander Menzikow

Das Zeitalter Peters I. ist zugleich die Epoche ausgezeichnet großer Männer im Russischen Staate. In keiner der nachfolgenden Regierungen findet man so viele von dem wichtigen Gehalt derer, die der eigentliche Schöpfer des Russischen Reichs in der Staatsverwaltung, in der Militärverfassung, im Seewesen, in den Finanzen, im Departement der ausländischen Angelegenheiten, in der Justizverfassung und im Polizeiwesen angestellt hatte. Manche fand er in den großen Familien seines Reichs, andre unter den vornehmen Ausländern, die an seinem Hofe erschienen. Viele kamen aus dem Pöbel im Auslande; verschiedene aus dem Staube der niedrigsten Klassen des Russischen Volks. Schon ehe Peter I. in das reifere Alter kam, in welchem sein geübter Verstand die brauchbarsten Subjekte aussuchen konnte, begünstigte ihn der Zufall, und führte ihm Jünglinge zu, die durch die größten Geistesfähigkeiten sich merkwürdig machten. Selten irrte er sich in ihnen, und sie nie in ihm. Die meisten entsprachen seinen Erwartungen, und er zog sie hervor und belohnte sie großmütig. Aber die wenigsten waren glücklich bis an das Ende ihres Lebens.

Der Gipfel des irdischen Glücks ist für die meisten Emporkömmlinge der gefährlichste Punkt. Selten weiß einer von ihnen, sich bis an das Ende seiner Tage auf dem erhabenen Platze zu erhalten, auf welchen ihn ein kühner, genialischer Flug, und eine mit Festigkeit fortgeführte Tendenz gebracht haben. Er schwindelt auf der ungewohnten Höhe, und - fällt.


Alexander Menzikow war im Jahre 1674, am 17ten November geboren. Sein Vater war ein Bauer aus der Gegend von Moskau, und hieß Daniel Menzikow.

Mehrere Bauern in Russland bringen ihre Söhne in die großen Städte zu Handwerkern in die Lehre, und so wurde auch Alexander zu einem Piroggen - Bäcker a) gegeben. Nach Art dieser Lehrjungen musste er seine Piroggen, die er auf ein Brett gelegt auf dem Kopfe trug, in den Straßen zu Moskau ausrufen. Er tat dies auf eine so lustige Art, dass er dadurch die Aufmerksamkeit des berühmten Le Fort auf sich zog. Dieser Staatsmann ließ ihn zu sich kommen, sprach viel mit ihm, und da er seine Antworten genugtuend und seine Gesichtszüge s) klug und einnehmend fand, so nahm er ihn als Bedienten zu sich. Hier hatte Alexander oft Gelegenheit, den jungen Czar, der nur zwei Jahre eher war als er, zu sehen und zu sprechen, und dessen Gunst zu gewinnen. Le Fort, ein gründlicher Beurteiler geistiger Fähigkeiten, bemerkte mit Wohlgefallen den durchdringenden Verstand seines Bedienten, und beschloss, ihn zum Dienste des Staats geschickt zu machen. — Gewiss, der Mann verdient den wärmsten Dank; der, entfernt von Eifersucht, seinem Herrn und dem Staate einen so gebildeten Zögling zurücklässt; und nicht minder Bewunderung verdient dieser Zögling, der in den Plänen seines großen Vorgängers und nach den Absichten seines Fürsten fortarbeitet. — Le Fort brachte den jungen Menzikow in die Dienste des Czars, nahm ihn mit zu der großen Gesandtschaft im Jahre 1697, machte ihn auf alles aufmerksam, lehrte ihn Missbräuche abschaffen und neue Einrichtungen treffen, gab ihm Unterricht in Militärgeschäften, und suchte besonders seine eigenen Maximen in Ansehung der Staatswirtschaft und der auswärtigen Angelegenheiten ihm so einzuimpfen, dass der kluge und gelehrige Menzikow sich dieselben ganz zu eigen machte. Indessen ist doch zu glauben, dass, wenn Le Fort leben geblieben wäre, er, der gewiss des jungen Mannes anmaßungsvollen Charakter durchspähet hatte, denselben nie würde haben so hoch steigen lassen, als er in der Folge wirklich stieg. - Doch Le Fort starb, und das Personal der Russischen Staatseinrichtung bekam dadurch eine ganz andre Gestalt.

Peter I. sah sich, obgleich umringt von Höflingen, dennoch allein. Fast alle waren seinen weisen Entwürfen zuwider, wenigstens so lange, bis Überzeugung sie besserte. Nur Menzikow allein stimmte unbedingt mit den erhabenen Grundsätzen seines Fürsten überein. Es wurde sogleich der Nachfolger des verstorbenen Günstlings in der Gnade ihres Herrn, und erhielt nach und nach, aber doch immer in sehr bald auseinander folgenden Zeiträumen, alle die wichtigen Stellen, die Le Fort bekleidet hatte. - Jetzt zeigte Menzikow, dass er unter die ausgezeichneten Menschen gehöre, die sich einen Namen in der Geschichte zu erwerben wissen. Er war gewiss so seht Genie, als man es in einem despotischen Staate sein darf, dessen Regent kein Gesetz zu kennen braucht. In voller Geistes- und Manneskraft entwickelte er seine großen Fähigkeiten, stand seinem Herrn in Allem treulich bei, sowohl im Entwerfen wohltätiger Regentenplan, als durch die folgsamste und pünklichste Befolgung der Befehle des Kaisers. Die Erzählung der einzelnen wichtigen Dienste dieses Staatsmannes und Feldherrn gehört in die Regierungsgeschichte des großen Monarchen, die er durch seine Talente wenigstens zum Teil verherrlichte. —

Man entdeckte gleich Anfangs in ihm die Anlage zu einem Staatsdiener, der durch sein tatenvolles Leben Mitwelt und Nachwelt in Erstaunen setzen kann, aber man sah auch in den Folgejahren mit Bedauern, dass sein vielversprechender Einfluss nicht immer für den Staat der günstigste und für die Untertanen der heilsamste blieb. — Peter ernennte ihn unter andern zum Hofmeister seines nachher so unglücklich gewordenen Sohnes Alexej. Menzikow vernachlässigte die Erziehung dieses Prinzen auf eine ganz unverantwortliche Weise. Es war ihm gleichgültig, ob der Czarewitsch in den Lehrstunden fleißig war, oder nicht. Auch gab er wohl gar seinen Beifall, wenn er merkte, dass die Popen dem Prinzen unnützen kirchlichen Tand beibrachten, ihn in ihren albernen Gesellschaften festhielten, und ihm einen Abscheu vor allen Neuerungen seines Vaters einzuflößen suchten. -

Man wird verführt zu glauben, dass Menzikow schon damals die Absicht gehabt habe, den Czarewitsch durch den eigenen Willen des Kaisers von der Thronfolge ausschließen zu lassen. Noch lag aber sein Projekt sehr im Hintergrunde. Menzikow stand mit Catharinen c), die er seinem Monarchen abgetreten hatte, in der engsten freundschaftlichen Verbindung. Daraus entstanden gegenseitige Verpflichtungen. Er erhielt sie in Ansehen, und suchte sie immer höher zu bringen, und sie unterstützte ihn, wenn er wankte. Sie sollte dem Staate Thronerben geben, und Er wollte nach Peters Tode das Reich und den unmündigen Souverän beherrschen. Um nun aber das Alles zur Ausführung zu bringen, war es nötig, den Sohn dem Vater verdächtig zu machen, und auf diese Art den Prinzen vom Throne zu entfernen. Es geschah, wie wir wissen, mehrere Jahre nachher, als der Czarewitsch schon verheiratet gewesen war, und von seiner Gemahlin einen Sohn und eine Tochter bekommen hatte. Peter wurde ganz gegen Alexis eingenommen, der durch sein unkluges, unzuverlässiges, niedriges, widerspenstiges und den Vater und den Regenten empörendes Benehmen, Veranlassung zu dem traurigen Schicksale gab, das ihn traf. Es wurde gegen 1718 den unglücklichen Prinzen ein Todesurteil abgefasst, und der Fürst Menzikow war der erste, der es unterschrieb.

Die Art des Umgangs Peters I. mit seinem Günstling war einzig. Der Kaiser, tat nichts, ohne Menzikows Rat. In allen Ereignissen seiner Regierung und seines Privatlebens zeigte er, ihm ein Vertrauen, das keinen höheren Grad erreichen konnte. Man würde sagen können, dass der Monarch und der Günstling die herzlichsten Freunde gewesen wären, wenn nicht dieser, ein immerwährendes Spiel seiner Leidenschaften, sich dadurch der hohen Bestimmung, der Freund seines Fürsten zu sein, unwürdig gemacht hätte. Menzikow musste fast beständig der Begleiter des Kaisers sein, und wenn ihn Peter zuweilen zurückließ, so regierte der Günstling mit Bewilligung seines Herrn den ganzen Staat. Dieser Zepter konnte alsdann wirklich eisern genannt werden. Dadurch wuchs die Zahl von Menzikows Feinden, die er besonders durch sein eigennütziges Betragen sich täglich schuf. Sie beobachteten alle seine Schritte und offenbarten dem Kaiser alles, was ihnen von den gewinnsüchtigen Handlungen seines ersten Staatsdieners bekannt wurde. Dreimal kam dieser deswegen, während der Regierung Peters I. in die schärfste Inquisition, wovon wir nur ein Beispiel vom Jahre 1719 anführen wollen. Fürst Menzikow wurde beschuldigt, die Finanzen des Reichs, die ihm, allein anvertraut waren, übel verwaltet, und große Summen davon zu seinem Nutzen verwendet zu haben. Er musste seinen Degen abgeben, durfte sein Haus nicht verlassen, und sollte nun die Strafe, die ihm der Kaiser auflegen würde, erwarten. Man hatte Ursache zu glauben, dass die Sache eine sehr schlimme Wendung nehmen würde; und man sprach schon davon, dass Menzikow zu ewiger Gefangenschaft würde verurteilt werden. Allein die Freude seiner Feinde war zu voreilig. Der Monarch ließ ihn rufen. In dem Augenblick, als er ankam, warf er sich dem Kaiser zu Füßen, bat um Gnade und versprach Besserung. Peter hatte das Verbrechen schon fast wieder vergessen, und dachte nur an die Verdienste seines Dieners. Er schenkte ihm seine Gnade wieder und legte ihm eine sehr große Geldstrafe auf, die Menzikow auf der Stelle entrichten musste.

Für kleinere Verbrechen gab es auch kleinere Strafen. So erzählt man; eines Abends erfuhr der Kaiser eine Menge gegründeter Beeinträchtigungen, die der Fürst verübt hatte. Am andern Morgen begab sich Peter nach Wassilej-Ostrow d) zu Menzikow, der daselbst in seinem Palais, dem jetzigen Landkadettenkorps, wohnte, ging in das Schlafzimmer zu ihm, der noch schlief, hielt ihm sein Vergehen vor, und züchtigte ganz in der Stille aber auf eine sehr fühlbare Art seinen Günstling, der niedrig genug dachte, dergleichen Strafen zu ertragen. Nachdem dies geschehen war, fuhr Peter wieder fort. Auf dem Rückwege begegnete er einer Menge Leute, die auf sein Befragen ihm sagten, dass sie nach Wassilej-Ostrow gingen, um dem Fürsten Menzikow zu seinem Namenstage Glück zu wünschen. Der Kaiser kehrte sogleich mit ihnen um; Menzikow erschrak heftig, weil er glaubte, Peter komme nur, um ihn noch einmal zu züchtigen. Aber der Monarch sprach ihm Mut ein, indem er ihm gleich beym Eintritt ins Zimmer sagte; ich habe gehört, es ist heute Dein Fest; ich bin daher mit diesen guten Leuten gekommen, Dir Glück zu wünschend und bei Dir zu schmausen. — So endigten sich fast immer die Klagen, die gegen den Fürsten vorgebracht wurden, und es beweist hinlänglich für die tiefen Einsichten und für die große Brauchbarkeit dieses Mannes, dass Peter, der vielfachen Beschuldigungen ungeachtet, ihn doch bei sich behielt, und nichts ohne dessen Rat und Beistimmung tat.

Die dem Monarchen bekannt gewordenen Züge des Eigennutzes und der Treulosigkeit Menzikows, waren nicht die einzigen, die den Fürsten zum Verbrecher machten. Es gab noch andre, die der Kaiser nicht erfuhr, und welche die schärfste Ahndung und seine gänzliche Entfernung von Staatsgeschäften verdient hätten. — Peter I., der immer gewünscht hatte, Deutscher Reichsfürst mit Sitz und Stimme auf dem Reichstage zu werden, stand einmal, wir wissen nicht zu welcher Zeit, und durch welchen Zufall, auf dem Punkte, Schwedisch - Pommern zu bekommen. Der Preussische Hof, der nicht gern einen so unbequemen Nachbar haben wollte, wendete sich an den Fürsten Menzikow und bestach ihn mit zwanzigtausend Dukaten. Der erste Staatsdiener des Kaisers, auf welchem dieser sein ganzes Vertrauen setzte, brachte nun vermutlich Scheingründe vor, die den Monarchen von dem Wunsche abbrachten, Pommern besitzen zu wollen. Kurz, die Unterhandlung wurde abgebrochen. — Hätte Peter den wahren Zusammenhang der Sache erfahren, so würde der Günstling schwerlich mit einer gewöhnlichen Strafe losgekommen sein.

Dass Menzikow immer so glücklich sein konnte, den verdienten Folgen seiner Verirrungen zu entgehen, und nicht selten über seine Ankläger zu siegen, war großen Teils Catharinens Werk. Dafür war er aber auch auf den Nutzen dieser Prinzessin bedacht. Mit Riesen Bemühungen vereinigte er aber zugleich die für seinen Vorteil. Da keiner von Peters und Catharinens Söhnen leben blieb, so fiel Menzikow zuerst auf den Gedanken. Catharinen nach Peters Tode auf den Thron ihres Gemahls zu erheben. Er teilte diese Idee dem Monarchen mit, der sie billigte. Nun wurde sie zur Thronfolgerin erklärt und im Jahre 1724 gekrönt. Es war voraus zusehen, dass der Fürst Menzikow, welcher der Hebel von diesem Allen war, das Steuerruder im Staate führen würde, wenn nach Peters Tode Catharina zur Regierung käme.

Einem so mächtigen Günstlinge als er war, der dem Kaiser und der Kaiserin zugleich sich unentbehrlich gemacht hatte, konnte es nicht an Auszeichnungen von Seiten der auswärtigen Mächte fehlen, die sich alle um seine Freundschaft bewarben. Der Wiener Hof hatte ihn schon längst zum Reichsgrafen und bald nachher zum Reichsfürsten ernannt, und die Höfe zu Copenhagen, Dresden und Berlin schickten ihm ihre Orden. Peter I. selbst, um seinem Günstlinge öffentliche Beweise seiner Dankbarkeit zu geben, erteilte ihm den Titel eines Herzogs von Ingermanland; erster Staatsminister und erster General-Feldmarschall der Armeen des Kaisers war er schon.

Doch alle diese großen Auszeichnungen der Gnade seines Monarchen konnten den Fürsten nicht auf der Bahn der Rechtlichkeit festhalten. Seine Habsucht und seine Treulosigkeit brachten ihn einige Monate vor dem Tode des Kaisers noch einmal in die Ungnade dieses Monarchen. Da eben in dem Augenblicke, Catharina mehr als jemals, in ihren eigenen kritischen Angelegenheiten, einen Ratgeber nötig hatte, so musste Graf Jaguschinski, zum Vorteil Menzikows, den Kaiser auf andre Gedanken zu bringen suchen. Es gelang ihm; der Fürst war so glücklich, die Gnade seines Herrn, und zwar diesmal ohne irgend eine Aufopferung, wieder zu erlangen.

Catharina und er fanden nun notwendig, für ihre Selbsterhaltung alles zu wagen, und waren wahrscheinlich gleich Anfangs entschlossen, derselben das kostbarste Opfer zu bringen. Peter I. war mit beiden höchst unzufrieden, und hatte ihnen harte Strafen gedroht, wenn er von seinem schmerzhaften Krankenlager sich wieder erheben würde. Catharinens und Menzikows Betragen war schon seit langer Zeit den Befehlen des Kaisers geradezu entgegengesetzt gewesen, und er hatte beide schon oft gewarnt. Die angedrohten Strafen konnten also sehr empfindlich werden, und beide wieder in den Staub zurückführen, aus welchem die Huld des Monarchen sie hervorgezogen hatte. Es war also der Klugheit der Kaiserin und des Fürsten und ihren Gesinnungen gemäß, den Zeitpunkt der Wiederherstellung des Kaisers gar nicht eintreten zu lassen, und so wird es also wahrscheinlich, dass man der Natur Vorgriff, und durch künstliche Mittel die Krankheit des größten Monarchen, der damals in Europa regierte, eher endigte, als es nach dem Laufe der Natur hätte sein sollen. — Peter starb, 1725, und alle seine Entwürfe, die er mit Catharinen und Menzikow haben mochte und die gewiss groß und heilsam waren, wurden vernichtet.

Menzikow, Jaguschinski, und der Priester Theophanes halfen nun Catharinen auf den Russischen Thron. Für keinen war dieses Ereignis vorteilhafter als für den Fürsten. Das erste Jahr der Regierung Catharinens, war eigentlich die Regierung Menzikows. Die Folge entsprach dem Anfange nicht. Die Wagschaale des Fürsten stieg in die Höhe, indem die der Familie Holstein sank und das Übergewicht behielt. Der bisherige Günstling merkte den Verfall seines Ansehens deutlich, als er die Zurückberufung seines Todfeindes, des Baron Schaphirow, nicht verhindern konnte. Demungeachtet verlor er vor den Augen der Welt nichts von seinem Range und von seiner scheinbaren Mitwirkung. Allein dies war ihm nicht hinlänglich. Er wollte auch den wirklichen Einfluss ferner behaupten, den er bisher gehabt hatte. Was man ihm nicht zugestehen wollte, suchte er auf eine andere Art sich zu verschaffen. — Es ist hart, wenn der Geschichtsschreiber, in kurz auf einander folgenden Zeilen, zweimal die nämliche Vermutung eines Verbrechens wagen, und dadurch die Gewissheit des einen und des andern gleichsam bestätigen muss. Fast ist es keinem Zweifel unterworfen, dass Menzikow, um allein und unumschränkt über das Land eines unmündigen Fürsten zu, herrschen und ihn mit seiner Tochter zu vermählen, die Lebenstage der Vorgängerin dieses Prinzen verkürzt habe. Sein Egoismus und seine Herrschbegierde unterdrückten alle Empfindungen, die das Andenken an seine ehemalige Verbindung mit Catharinen und sein Dank für alles, was sie für ihn getan hatte, notwendig in seinem Herzen hervorbringen musste. Catharina starb 1727. —

Peter II. bestieg den Russischen Thron, und Menzikow ergriff mit kühner und sichrer Hand der Regierung. In den ersten Monaten des Jahrs 1727 stieg seine Macht an höchsten, und als Privatmann konnte sein Rang nicht erhöhet werden. Zur Zeit seines größten Glücks, unter Peter II., war er Fürst des Deutschen Reichs, Herzog von Ingermanland, Generalissimus der Russischen Armeen, erster Staatsminister, Senateur, und Ritter der beiden Russischen und einiger fremden Orden, namentlich der Orden vom weißen Adler, vom schwarzen Adler, vom Elefanten und vom heiligen Hubertus e). Obgleich damals verschiedene Deutsche Prinzen in Russland waren, und viele russische Kneesen Fürsten genannt werden, weil ihnen hohe Geburt, Verwandtschaft mit dem Kaiserlichen Hause und außerdenklich große Glücksgüter das Recht dazu gaben, so wurde doch, und zwar schon seit langen Jahren

Menzikow allein der Fürst genannt. Er war eben auf dem Punkt, seine Tochter mit dem Kaiser zu vermählen, als er durch seinen unvorsichtigen Geiz der Familie Dolgorucky die Gelegenheit gab, ihn zu stürzen. Er nahm nämlich eine Summe Geldes, die der Kaiser seiner Schwester schenkte, zu sich, unter dem Vorwand, dass der junge Monarch den Wert des Geldes noch nicht zu schätzen wisse. Da er nichts ahnte, so ging er nach Oranienbaum, einem Lustschlosse, das ihm gehörte, und wohin er auch den Kaiser gebeten hatte, um der Einweihung der dortigen Kapelle beizuwohnen. Der Kaiser kam zwar nicht, aber Menzikow ließ die Kapelle einweihen, die man noch daselbst sieht, benahm sich dabei mit großer Ostentation. Und kehrte, dann ganz unbefangen nach Petersburg zurück. Er wunderte sich zwar, den jungen Monarchen, der bisher bei ihm gewohnt hatte, nicht mehr in seinem Palais in Wassilej-Ostrow zu finden, ging aber zu ihm in das Palais im Sommergarten, das Peter II. bezogen hatte. Der Kaiser, der schon von den Knéesen Dolgorucky wider den Fürsten eingenommen war machte ihm persönlich die bittersten Vorwürfe über die Unverschämtheit, ein Geldgeschenk, das er seiner Schwester bestimmt hatte, unterzuschlagen. Der Fürst wollte sich zwar entschuldigen, aber der Kaiser entließ ihn mit den sichtbarsten Merkmalen seiner Ungnade. Bald darauf ließ er ihm durch den General-Lieutenant Saltikow f) sagen, dass er seiner Ehre und Würden, seiner Ritterorden, seines Vermögens und seiner Freiheit verlustig erkannt sei. Bei dieser Nachricht fiel der Fürst in Ohnmacht. Die Fürstin, seine würdige Gemahlin, eilte, und warf sich dem Monarchen, der eben aus der Kirche kam, zu Füßen, aber dieser ließ sie liegen, ohne ihr ein Wort zu sagen; ein Beweis, dass Peter II. nur ein Kind ohne alle Beurteilungskraft war. Man machte der Nation dieses wichtige Ereignis bekannt, indem man erklärte, dass künftig keine andere Kaiserliche Verordnungen Kraft haben sollten, als die der Kaiser selbst unterschrieben hätte. Bisher hatte nämlich Menzikow die sogenannten Kaiserlichen Befehle unterzeichnet. — Man schritt hierauf zur Konfiskation seines Vermögens, und fand an Juwelen, an barem Gelde und an goldenen und silbernen Gefäßen für drei Millionen Rubel an Wert, ohne seine weitläufigen Besitzungen zu rechnen, die ungeheuer gewesen sein müssen, da man versichert, dass er gegen hundert tausend Bauern gehabt habe.

Es erfolgte alsdann eine Inquisition, die sich einige Tage nachher endigte. Menzikow wurde zu ewiger Verbannung nach Sibirien verurteilt. Er reiste noch im Monat September 1727, mit seiner Gemahlin, seinem Sohne und seinen beiden Töchtern nach Beresow, einer kleinen Stadt am Soswa - Fluss, die ungefähr hundert und fünfzig schlechte Häuser hat, welche größten Teils von Kosaken bewohnt werden.

Hier lebte der vor einigen Wochen noch so mächtige und allgemein gefürchtete Fürst Menzikow, der auf dem Punkte stand, Schwiegervater des Kaisers zu werden, in den elendesten Umständen; denn zu seinem Unterhalt war ihm nicht mehr als täglich 1 Rubel ausgesetzt, den ihm seine Wache vielleicht nicht einmal vollzählig gab. Demungeachtet lebte er doch so sparsam, dass er von dem gesammelten Gelde eine Kleine unbedeutende hölzerne Kirche bauen konnte, an der er selbst arbeitete. - Wenn man über diesen fürchterlichen Wechsel in dem Schicksale dieses Emporkömmlings nachdenkt, so löst sich die Erbitterung gegen den ungerechten Mann, in Mitleid gegen den bedauernswürdigen Menschen, auf.

Der Kummer, der noch in Sibirien durch Todesfälle in seiner Familie vermehrt wurde, siegte über seinen großen Geist, und stürzte ihn in eine tiefe Schwermut. In dieser traurigen Gemütsverfassung sprach er kein Wort, und nahm in den letzten Tagen seines Lebens nichts zu sich als kaltes Wasser. Er starb endlich am 2ten November 1729 im fünf und fünfzigsten Jahre seines Alters.

Die fehlerhaften Hauptzüge in Menzikow- Charakter waren. Egoismus, niedriger Eigennutz, Eitelkeit, unmässiger Stolz, Herrschsucht, Unversöhnlichkeit und Grausamkeit. Diese Fehler und Laster, die zum Teil in Leidenschaften ausarteten, bestürmten ihn unaufhörlich und setzten ihn in einen immerwährenden Zustandes des Streites mit einer Menge Menschen, besonders aber mit den Großen des Reichs. — Nun wollen wir aber auch die schönere Seite der Medaille betrachten. — Menzikow war gütig gegen alle Fremde, und alle seine Landsleute, wenn sie sich nur in seine Launen zu schicken wussten; ein Eigensinn, den er in seinem hohen Range wohl durchzusetzen verlangen konnte. Er war dankbar für erzeigte Dienste, tapfer bis zur Verwegenheit, und ein eifriger Beschützer derer, die ihm ergeben waren. Sein Verstand und alle mit demselben in Verbindung stehende Fähigkeiten des Geistes hatten einen hohen Grad von Genie erreicht. Hätte er in der frühesten Jugend eine sorgfältige Erziehung gehabt, so würde er viel haben leisten können. Er ersetzte in der Folge diesen Mangel durch großen Fleiß, und erwarb sich nicht gemeine Kenntnisse in Künsten. und Wissenschaften. Sein Vaterland kannte er genau und wurde ihm dadurch sehr nützlich. Er tat viel für die Kultur des Volks, für den Anbau mehreren Städte in Gegenden, wo sie vorteilhaft waren, für die Aufnahme des Handels, der Künste und Wissenschaften, für die Verbesserung des Bergbaues, für die Vervollkommnung der Kriegszucht, für den Glanz des Hofs, und für die Gründung des imponierenden Ansehens der Russischen Regenten im Ausland. — Gibt es wohl viel Günstlinge, deren Verdienste man mit denen des Fürsten Menzikow messen kann? Und wenn man auch zuweilen beim Lesen seiner Geschichte sich von Unwillen über manche seiner Ungerechtigkeiten hingerissen fühlt, so kommt man doch darauf zurück, den Namen eines Mannes, der die großen Taten Peters I. ausführen half, mit Bewunderung zu nennen.

Die Fürstin Menzikow war eine geborene Arsenien; ein Haus, das einen ausgezeichneten Rang unter den adeligen Familien in Russland behauptet. Sie war ein Muster weiblicher Schönheit und Tugenden, die ihr die Huldigung der ungeheuchelten Ehrfurcht Aller erwarben, die sie kannten. Bei dem Unglück ihres Mannes zeigte sie vom ersten Augenblick an die ganze-Vollkommenheit ihres erhabenen Charakters. Sie begleitete ihn an den Ort seiner Verbannung. Schon als sie mit ihm noch am Hofe im höchsten Glänze lebte, hatte sie oft die Wirkungen seiner vielfachen Launen ertragen müssen. Sie setzte bloss ihre liebreichen Bemühungen fort, indem sie jetzt das traurigste Schicksal durch Liebe und Teilnahme ihm zu erleichtern suchte. Allein der Kummer, der sie schon lange gedrückt hatte, tötete sie sehr bald. Sie starb in Beresow, wahrscheinlich schon im Jahre 1728.

Die Kinder aus dieser Ehe waren ein Prinz und zwei Prinzessinnen. Sie folgten alle drey ihren Eltern, nach Sibirien.

Der Prinz war am 17ten März 1714 geboren. Der Vater bewies an ihm besser als an dem Czarewitsch, dessen Hofmeister er gewesen war, dass er sehr richtig verstand, was zu einer guten Erziehung gehört; diejenige, die er seinem Sohn gab, war vortrefflich. Der Fürst Menzikow hatte die Absicht, seinen Sohn mit der Großfürstin Natalia Alexjewna, Schwester Peters II., zu vermählen, allein sein unglückliches Schicksal übereilte ihn, ehe er seinen Entwurf ausführen konnte. So lange der Fürst lebte, blieb der junge Prinz in Sibirien. Die Kaiserinn Anna ließ ihn zurückkommen, und gab ihm einen nicht sehr beträchtlichen Teil der väterlichen Güter wieder. Wir wissen nicht, ob er am Hofe, oder in der Armee, einige Ehrenstellen bekleidet habe; nur dass er Ritter des Hubertus-Ordens war ist uns bekannt. Er pflanzte sein Geschlecht fort. — Sein Sohn ist der jetzige Fürst Menzikow, der in der Armee sehr rühmlich gedient hat. Als er aus ganz besondrer Neigung zu einem sehr stillen, einförmigen Leben vor mehreren Jahren den Dienst seines Hofs verließ, war er General - Lieutenant, Senateur und Ritter des Hubertus- und des Russischen militärischen Georg Ordens von der dritten Klasse. Er lebt jetzt, meistens getrennt von seiner Familie, im Auslande. Seine Gemahlin, die in den Tagen ihrer blühenden Jugend ihrer Schönheit wegen berühmt war, ist eine Kneschna oder Prinzessin Golizin. — Der Sohn aus dieser Ehe, ein junger Prinz, der viel nützliche Kenntnisse mit einer ausgezeichneten Liebenswürdigkeit des Charakters verbindet, war in den neuesten Jahren bei den Russischen Gesandtschaften in Dresden und Berlin angestellt.

Die Prinzessinn Maria Alexandrowna, älteste Tochter des ersten Fürsten Menzikow, war am 9ten Januar 1713 geboren, und wurde von ihrer vortrefflichen Mutter musterhaft erzogen. Ein junger Graf Sapieha, Verwandter des Kaiserlichen Hauses durch die Gräfin Sophia Skawronska, Nichte der Kaiserinn Catharina I. bat im Jahre 1720 um ihre Hand, erhielt sie aber nicht, weil der Vater wahrscheinlich damals schon höhere Absichten hatte. Der Fürst arbeitete unablässig an dem Projekte, seine älteste Tochter mit dem Kaiser zu vermählen, und auf diese Weise seine Nachkommen auf den Russischen Thron zu bringen. Es gelang ihm auch schon gleich nach dem Ableben der Kaiserinn Catharina I, die Verlobung Peters II. mit der Prinzessinn Maria zu Stande zu bringen. Diese wurde am 6ten Junius 1727 gefeiert. Die Vrrmählung sollte im Herbst erfolgen. Indessen erhielt die Kaiserliche Braut den Titel Kaiserliche Hoheit, und wurde im Kirchengebete gleich nach der Schwester des Kaisers genannt. Alle diese Aussichten einer glänzenden Zukunft wurden durch Menzikows Unglück getrübt. Der Umstand, dass Peter II. keinen Unterschied in dieser Familie machte, und alle Mitglieder derselben, Schuldige und Unschuldige, ja sogar seine verlobte Braut mit einerlei Strafe belegen konnte, macht diesen Kaiser hassenswert. Maria folgte ihren Eltern nach Beresow, wo sie schon im folgenden Jahre ein Opfer des tötenden Grams wurde.

Ihre jüngere Schwester, die Prinzessinn Alexandra Alexandrowna, war in den ersten Tagen des Januars im Jahre 1715 geboren, und war so glücklich, zugleich mit Marien die vortrefflichen Lehren ihrer Mutter teilen zu können. Sie kam mit ihrem Bruder aus Sibirien zurück, wir wissen aber übrigens nicht, ob und an wen sie verheiratet worden ist.



a) Piroggen sind ein elendes Backwerk, das mit gehacktem Fisch gefüllt ist, und mit Leinöl gegessen wird. Nur das gemeine Volk genießt diese ekelhafte Speise. Es versteht sich, dass auf den Tafeln der Großen, gehörig zugerichtet, dieses Gericht eine Leckerei ist.



b) Menzikow soll in seiner Jagend sehr hübsch gewesen sein; besonders soll er sehr lebhafte Augen gehabt haben. Bilder von ihm, die man noch in Russland, obgleich sehr selten, antrifft, zeigen, dass er einen sehr geistreichen, durchdringenden und angenehmen Blick hatte. Dies bemerkt man vorzüglich an einem Portrait, das schon in späteren Jahren gemacht ist, und das sonst im Kaiserlichen Schlosse in Gatschina, in den ehemaligen Zimmern des Kaisers Pauls I, hing.



c) Die Geschichte Catharinens ist so genau mit Menzikows Leben verwebt, dass man keines ohne das andre lesen kann. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann keines vollständig geschrieben werden. Was hier fehlt, wird man in jenem finden, und so ist der Fall auch umgekehrt.



d ) Peter I wollte keine Brücke über die Newa nach Wassilej-Ostrow bauen lassen, um die Russen an die Schifffahrt zu gewöhnen. Sobald Peter II. zur Regierung kam, ließ Menzikow die noch bestehende Schiffbrücke aufrichten.



e) Der Hubertus-Orden, der, nach seinen Statuten, ohne Schwierigheit allen Deutschen Reichsfürsten gegeben wird, kam in der Familie Menzikow immer vom Vater auf den Sohn, und ist auch noch in derselben.



f) Saltikow war mit der Kaiserlichen Familie nahe verwandt. Sein Vater war der Bruder der Czarin Prascovia, der Gemahlinn des Czar Joan Alexjewitsch. Dieser Czar war ein Halbbruder Peters I. und der Vater der Herzogin Catharina von Mecklenburg, und der Kaiserinn Anna von Russland.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Russische Günstlinge.