Vauxhall!

Nun hören Sie denn auch etwas von dem berühmten und an so vielen Orten nachgeahmten Vauxhall.

Gestern habe ich Vauxhall zum erstenmale besucht. Aus meinem Logis in Adelphi-Buildings hatte ich nicht weit zur Westminsterbrücke, wo immer eine große Anzahl von Böten auf der Themse befindlich ist, die jedem auf einen Wink zu Gebote stehen, der sich für einen Schilling oder Sixpence fahren lassen will.


Von hier fuhr ich also die Themse hinauf nach Vauxhall, wo man im Vorbeifahren zur linken Seite Lambeth und den alten Palast des Bischofs von Canterbury liegen siehet.

Vauxhall ist eigentlich der Name eines kleinen Dorfs, worin der Garten eben dieses Namens befindlich ist. Man zahlt beim Eingange einen Schilling.

Ich fand beim Eintritt wirklich einige Ähnlichkeit mit unserm Berliner Vauxhall, in sofern man kleines mit größerm vergleichen kann, wenigstens waren die Gänge, nebst den Malereien am Ende, und den hohen Bäumen, die zuweilen an der Seite derselben einen Wald ausmachen, denen zu Berlin so ähnlich, daß ich mich oft im Spazierengehen auf eine angenehme Art täuschte, und vergaß, daß ich so weit von dieser Stadt entfernt war; insbesondere, da ich einige geborne Berliner, als den Herrn Kaufmann Splittgerber, nebst mehrern hier antraf, mit denen ich den Abend sehr angenehm zubrachte.

Hin und wieder, besonders in einem der künstlichen Wälder in diesem Garten, wird man durch den plötzlichen Anblick der Bildsäulen von berühmten Englischen Dichtern und Philosophen, als z. B. Miltons, Thomsons und anderer angenehm überrascht. Was mich am meisten freute, war die Statue des deutschen Tonkünstlers Hendel, welche vorn beim Eingange in den Garten nicht weit vom Orchester befindlich ist.

Dies Orchester ist unter einer Menge Bäume, wie in einem Wäldchen, sehr schön errichtet, und gleich beim Eintritt in den Garten schallt einem die Vokal- und Instrumentalmusik entgegen. Es lassen sich hier beständig weibliche Sängerinnen hören.

In der Nähe des Orchesters sind an den Seiten des Gartens kleine Nischen, mit Tischen und Bänken, worinnen gespeist wird. Die Gänge vor denselben, so wie überhaupt im Garten, sind beständig gedrängt voll von Menschen aus den allerverschiedensten Ständen. Ich speiste hier mit dem Preußischen Legationssekretär und Herrn Splittgerber, nebst noch einigen gebornen Berlinern, und was mich am meisten wunderte, war die Frechheit der hiesigen unzüchtigen Weibspersonen, die zu halben Dutzenden mit ihren Kupplerinnen ankamen, welche sich für sich selber und für ihr Gefolge, auf die unverschämteste Weise ein Glas Wein nach dem andern ausbaten, das man ihnen nicht gut abschlagen durfte.

Ein Engländer eilte sehr schnell vor unsrer Nische vorbei, und als ihn einer seiner Bekannten fragte, wo er hinwolle, sagte er auf eine so komisch-wichtige Art, die uns alle zu Lachen machte: I have lost my Girl! Mein Mädchen ist mir aus dem Gesicht gekommen! Es schien, als ob er es suchte, wie man einen Handschuh oder Stock sucht, den man irgendwo hat stehen lassen.

Etwas spät in die Nacht sahen wir noch ein prächtiges Schauspiel in einem Teile des Gartens, wo nach aufgezognem Vorhange durch eine künstliche Maschine Auge und Ohr so getäuscht wurde, daß man einen wirklichen Wasserfall von einem hohen Felsen herab, zu sehen und zu hören glaubte. Als alles im Gedränge hier hinrannte, entstand ein groß Geschrei, take care of your Pockets, nehmt eure Taschen in Acht! welches ein Zeichen war, daß einige Beutelschneider unter dem Haufen glückliche Handgriffe gemacht hatten.

Vorzüglich gefiel es mir in der sogenannten Rotunde, einem prächtigen runden Gebäude im Garten, welches vermittelst schöner Kronleuchter und großer Spiegel auf das schönste erleuchtet war, und rund umher mit vortrefflichen Gemälden und Bildsäulen prangte, mit deren Betrachtung man sich Stundenlang auf die angenehmste Art beschäftigen kann, wenn man des Gewühls und Gedränges von Menschen in den Lustgängen des Gartens müde ist.

Unter den Gemälden stellt eins die Übergabe einer belagerten Stadt vor. Wenn man dies Gemälde lange ansieht, so wird man bis zu Tränen dadurch gerührt; denn der Ausdruck des höchsten Elends, der an Verzweiflung grenzt, bei den Belagerten, nebst der ängstlichen Erwartung des ungewissen Ausgangs, und was der Sieger über die Unglücklichen beschließen wird, ist in dem Gesicht der um Gnade flehenden Einwohner vom Greise bis auf den Säugling, den seine Mutter emporhält, so wahr und natürlich zu lesen, daß man sich ganz vergißt, und am Ende beinahe kein Gemälde mehr zu sehen glaubt.

Auch hier findet man die Büsten vorzüglicher englischer Schriftsteller rund umher an den Seiten aufgestellt. So findet der Britte seinen Schackspear, Lokke, Milton, Dryden auch an den Plätzen des öffentlichen Vergnügens wieder, und ehret da ihr Andenken. Selbst das Volk lernt diese Namen kennen, und nennt sie mit Ehrfurcht. In dieser Rotunde ist auch ein Orchester, worin bei regnigten Abenden die Musik aufgeführt wird. Doch genug von Vauxhall!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Reisen eines Deutschen in England im Jahre 1782