- 06 - Inzwischen war auf Evas Antreiben Johann fertig geworden und abgefahren, er beeilte sich nicht recht vorwärts ...

Inzwischen war auf Evas Antreiben Johann fertig geworden und abgefahren, er beeilte sich nicht recht vorwärts zu kommen. Als er eine Zeitlang gesahren war, geriet er in ein Schlagloch, und wenn er auch glücklich wieder herauskam, so ärgerte er sich doch über den Stoß und sah sich um, um zu erforschen, ob irgend etwas am Wagen zerbrochen. Da fiel ihm auf, daß vom Hofe her einige französische Reiter in der Ferne folgten. Etwas von dem Vorgange in der Wohnstube war durch den Kutscher doch auch zu dem Gesinde hinausgedrungen, unwillkürlich durchschoß ihn Argwohn, er trieb seine Pferde an, aber da er seine Gäule genommen hatte, die besser vor dem Pflug als vor der Kutsche gingen, so fielen sie nach einigen unbeholfenen Sprüngen in ihren alten Schritt zurück. Wieder blickte er sich um, die Reiter waren noch da, er kniff die Augen, winkte Eva zu und deutete mit der Peitsche zurück. Da entdeckte auch sie die Verfolger, blitzschnell durchzuckte sie die Erkenntnis, daß sie um ihretwillen abgeschickt wären. Sie schrie nicht und klagte nicht und rang nicht fassungslos die Hände. „Johann,“ sagte sie rasch, „das gilt mir.“ Johann nickte, und ein wilder Blick fuhr zurück, er zog sein Messer und legte es aufgeschlagen neben sich, dann peitschte er die Pferde. „Das nützt nichts,“ sagte Eva. „Dort, wo die Tannen an den Weg stoßen und der Schwarzdorn am Rande steht, fahre hart an das Gebüsch, sieh dich nicht um und halte dich nicht auf, vor allem stecke dein Messer ein.“
Johann gehorchte, er fuhr so nahe an das Gebüsch, daß die Zweige gegen die Räder schlugen, dann merkte er einen Ruck, und als er doch zurückschielte, war der Platz hinter ihm leer; er peitschte auf die Pferde ganz erbarmungslos und dachte, es wäre ja ganz gleich, was die dazu sagten, die Hauptsache wäre, die Verfolger recht weit hinter sich her zu locken.
Eva lief inzwischen durch das Gehölz, aber sie entdeckte, daß die hohen Tannen ihr nur schlechte Deckung gaben, wer sie hier suchte, mußte sie rasch finden. Sie duckte sich platt auf den Grund und hörte bald die Reiter vorübertraben, dann lief sie weiter. Jenseits der Tannen lag die Meierei, so erwog sie, wenn sie die erreichte - nein, dort würde man sie natürlich zuerst suchen, und der Meier war schon unglücklich genug. Schnell bog sie ab zum Gebüsch des Waldrandes und sah, wie drüben auf dem Wege die Reiter den Wagen umringt hatten, jetzt plötzlich umkehrten und zum Gehölze zurückjagten. Da war ein Wasserloch auf dem Dreschlande, sie kannte es und hoffte, sich im Schilf verbergen zu können.
Als sie näher kam, bemerkte sie einen kleinen verdeckten Karren, ein Kamel graste nicht weit davon, ein Bär war angekettet, und zwei struppige Männer lagen im Grase zwischen zwei großen Hunden. Bärenführer! die schlimmste Art von Menschen auf der Landstraße! Nein, nicht die schlimmste Art, der Oberst war schlimmer. Sie schoß auf die Gruppe zu, die Hunde knurrten.
„Rettet mich, um Lottes willen, rettet mich, die Franzosen sind hinter mir.“
„Franzosen? hat die verfluchte Bande mal wieder was vor?“
Ein bärtiger Mann stand auf und musterte sie. „Kann mir’s schon denken,“ sagte er, „so machen sie’s allerorten.“
Ohne weitere Erörterung öffnete er die Wagentür und winkte, sie schlüpfte hinein, er holte den Bären herum und band ihn gerade vor der Tür an, dann legte er sich wieder zu seinem Genossen und brummte ihm zu: „Wenn du nun nicht ganz still liegen bleibst, dann schlage ich dir alle Knochen kurz und klein. Still, du versoffener Hund, ich jage dir sonst das Messer in den Leib.“
Es war die höchste Zeit gewesen, die Verfolger hatten das kleine Gehölz abgetrieben; ingrimmig über das Entkommen der Beute hielten sie Umschau über das Feld und ritten heran.
„Holà! Hé! Retenez les chiens!“ rief einer, denn die beiden Hunde hatten sich sofort mit gefletschten Zähnen bereit gestellt, seinem Pferde an die Gurgel zu fahren. Der Führer richtete sich langsam auf und pfiff, da krochen sie zu ihm heran.
„Une demoiselle - mit die bunte Kleid – une petite –où est-elle?“ So scholl es durcheinander.
Der Führer stierte sie an und schüttelte den Kopf. Sie fluchten und wollten sich an den Wagen machen, da hub gerade das Kamel seinen langen Hals empor, entsetzt fuhren die Pferde zurück und standen am ganzen Leibe zitternd da. Ein Reiter stieg ab und kam heran, brummend richtete sich der Bär auf und schwenkte seine Vordertatzen recht bedrohlich, das Pferd konnte kaum noch von dem Kameraden gebändigt werden, der rief ihm zu: „Imbécile, crois-tu, que ces brutes traitent bien à une demoiselle? Guettons-la à la porte de la ville.“ Dann jagten sie davon.
„Was sagte er?“ sragte der Führer und stieß seinen Begleiter an. „Nun kannst du sprechen, du kannst ja französisch.“
„Brillant, exzellent, ich war ja lange in Paris - eine Stadt - o, ich bewundere sie - ich sehne mich nach ihr, ich bete sie an. Ach, wie mag sie jetzt trauern um ihren Fall se consumer en déirs – ô ma reine, ma déesse, je t’adore -“
„Fängst du deine Verrücktheit wieder an? Wissen will ich, was die sagten.“
„Sie wollten ihr auflauern am Tor. Ah, les Fran?ais sont irreésistibles, et les femmes fran?aises,“ er neigte sich zu dem Führer, ,,ich glaube, die da drinnen ist eine Französin, so leicht und fein, da könnte man von den Offizieren ein gutes Stück Geld verdienen.“
„Halt’s Maul, du Lump, ich will dir sonst mal gut deutsch kommen, daß dein Französisch mit einem Schlage ausfährt.“
Beide legten sich wieder ins Gras, und der Führer murmelte: „Was fang ich mit ihr an? Mitnehmen kann ich sie nicht, in die Stadt wage ich mich nich; warten wir’s ab, im Notfalle bleibt sie die Nacht über drinnen, es ist ja uns hier warm genug für ein Freilager.“ Sein Begleiter murrte wohl dagegen und begann mit erhobenen Händen zu prostetieren, aber ein fester Druck warf ihn einfach zurück.
So verging einige Zeit, die das arme Mädchen in Todesangst in ihrem furchtbaren Kerker verbringen mußte, dann schlugen die Hunde wieder an. Von der Meierei her kam ein leichter Wagen quer über den Dresch gerollt, der Fahrer wollte eine Strecke abschneiden, um rascher die Landstraße zu gewinnen, die nach Gadebusch führte, die Sonne begann sich zu neigen. Er hatte des Pferdes nicht acht; als es plötzlich scheute und springend zur Seite fuhr, hätte es fast die Deichsel abgebrochen, es schlug aus und bäumte sich und wollte sich nicht bändigen lassen; da es dabei immer den Wagen rückwärts trieb, wäre der auf ein Haar in das Wasserloch gerollt. Der Bärenführer hatte aber das Unheil rechtzeitig entdeckt und war herzugesprungen, nun faßte er es am Kopfe und versuchte es zu beruhigen, aber es zitterte an allen Gliedern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!