- 05 - Der Gerichtsrat ahnte natürlich davon nichts. So putzte er denn zu Hause eifriger an sich herum und zog, ...

Der Gerichtsrat ahnte natürlich davon nichts. So putzte er denn zu Hause eifriger an sich herum und zog, eitel wie er war, recht knapp sitzendes Fußzeug an. Die Gadebuscher hatten schon lange die empfindsamste Stelle an ihm herausgefunden und sprachen gern davon; wenn er so dahinging und den Druck der Schuhe auf die Leichdörner durch leises Flöten und anscheinend tänzelnden Gang zu überwinden versuchte, dann sagten sie. „Er hat wieder seine Barometerfüße, es kommt schlecht Wetter.“
Diesmal schmerzten ihn seine Füße sehr nachdrücklich, als wollten sie mahnen. „Geh nicht!“ Er pfiff nur um so lauter und machte sich in der beginnenden Dämmerung auf, an der Ecke geriet er an den Brauer Rotgeter, der den Napoleonsfreund nicht leiden konnte und ihm durchaus nicht auswich, und da die Straße sehr schmutzig war, so kam Fromm in die Enge, was er besonders daran merkte, daß Rotgeter ihm auf den Fuß trat. O Himmel, er hätte schreien und hüpfen mögen und wollte doch seine wunde Stelle nicht verraten. Nur daß seine Füße lauter mahnten. „Geh nicht, geh nicht!“ Er ging doch und betrat das verhängnisvolle Haus sehr siegesgewiß. War es nun der Umstand, daß er in seiner Kenntnis des Frauenherzens, auf die er sich etwas einbildete, die Zurückhaltung der Färberfrau als Berechnung auslegte, er ging immerhin etwas zu stürmisch vor. Matthies, der die Treppe in der Dämmerung herunterkam, hörte einen kräftigen Schrei und trat nach dem Klopfen rasch genug ein, um die Frau in großer Verwirrung zu finden und jemanden durch die Hintertür verschwinden zu sehen, er folgte, und der Jemand glitt in die Färberei und war alsbald zwischen den dort aufgestellten Kübeln verschwunden. Matthies sah sich um, entdeckte, daß das Fenster vergittert war und schloß die Tür ab; gerade da kam von dem Schuppen her der Färber an, er sprühte auf wie eine Rakete und schwur, den Kerl krumm und lahm zu prügeln.
„Wer ist denn das?“ fragte Matthies hellhörig, „einer von den Franzosen? dann helfe ich mit.“
Der Färber griff sich an den Hals, ihm wurde die Luft knapp, aber die Wut schlug wieder durch. „Der pfeifende Hund mit den Barometerfüßen, ich will ihn braun und blau schlagen,“ zischte er. Fast machte Matthies einen Freudensprung, jedenfalls hüpfte er vergnügt auf den Trittstein vor der Tür und faßte die Klinke und krümmte sich in stillem Lachen und raunte dem Färber etwas ins Ohr. Der riß die Augen zuerst weit auf und sah ihn unsicher an, dann aber überwältigte ihn wieder die Wut, er umarmte trotzdem seltsamerweise Matthies und gab ihm geradezu einen Kuß, und dann traten die beiden ein und schlossen die Tür sorgfältig hinter sich zu.
Es war schon recht dunkel in dem Raum, aber beide kannten sich dort leicht aus. „Hier ist etwas nicht richtig,“ sagte der Färber, „ich hatte den Knüppel angelehnt, der ist umgeworfen, hier muß ein Dieb hineingeschlichen sein.“
„Ich habe ihn,“ rief Matthies und griff hinter einen Kübel, „Meister, wir wollen dem das Wiederkommen verleiden, angefaßt!“
Der Gerichtsrat war recht wohlbeleibt und zappelte und wand sich gewaltig, aber die beiden waren ihm gewachsen. Bevor er sich’s versah, hatten sie ihn schon aufgehoben. „Augen zu!“ schrie der Färber. Plumps, da tauchten sie ihn in den großen Kübel, in dem gerade eine kräftige Blauholzlösung gebrauchsfertig stand. Einen Augenblick hielten sie ihn unter, dann ließen sie ihn heraus. „Meine Herren -“ kreischte er und sprudelte dazwischen, „ich bin - der Gerichtsrat - Fromm.“
„Du Hund willst dir hier noch falsche Namen beilegen? Nieder mit ihm, Matthies!“ Weg war er, selbst seine Hände mußten unter, denn sie schüttelten ihn so hin und her wie eine Strähne Garns, das gefärbt werden sollte.
„Ich flehe Sie an, fordern Sie, was Sie wollen, lassen Sie mich los.“
„Aller guten Dinge sind drei!“ kommandierte der Färber. Also wieder unter. Dann hoben sie ihn heraus, stellten ihn auf die Füße und schoben ihn auf den Hof.
„Ach so, Sie sind es doch, Herr Gerichtsrat,“ sagte Matthies erstaunt.
„Ja, das ist schlimm genug, das wird in Wochen nicht wegzubringen sein, die Farbe ist ganz echt, sehen Sie nur meine Hände an, die werden nie ganz weiß. Nun guten Abend, Herr Gerichtsrat.“
„Um Gottes willen, ich soll doch nicht so -“
„Nein, bewahre, in das Haus sollen Sie nicht, ich müßte ja die Dielen hinter Ihnen abholen lassen, um sie wieder rein zu kriegen. Hier geht die Pforte auf die Straße.“
„Meine Herren, bedenken Sie - ich beschwöre Sie - Matthies, hole mir einen Anzug - ich will hier - o Gott, was fang ich an?“
„Was Sie anfangen? dasselbe wie wir. Sie sagen nichts, und wir sagen nichts, und damit leben Sie wohl.“
Der Unglückliche stand schon auf der Straße und hörte, wie hinter ihm die Tür verriegelt wurde, er sah sich scheu um, zum Glück war es dunkel, er schlich sich triefend an den Häusern hin, glitt endlich in seine Wohnung und fiel ächzend auf den Boden und lag lange, bevor er sich besann, und da hatte das Blauholz dann Zeit, seine Wirkung ordentlich geltend zu machen.
Die beiden Blaufärber hielten ihr Wort und schwiegen, aber des Färbers Frau war nicht gebunden, und die Aufwärterin des Gerichtsrates war es wohl durch einige harte Taler, aber deswegen ließ sie es doch nicht an geheimnisvollen Andeutungen fehlen, so ging die Nachricht durch die ganze Stadt, und es war ein Jubel darüber von einem Ende bis zum andern. Fromm ließ sich in vier Wochen nicht sehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!