- 04 - „Sie wohnen hier recht hübsch, ist Ihnen die Färberei nicht unbequem?“ Trautmann stand in seiner hageren Figur ...

„Sie wohnen hier recht hübsch, ist Ihnen die Färberei nicht unbequem?“ Trautmann stand in seiner hageren Figur, angetan mit seinem Schlafrock, und sah ihm anfangs kalt ins Gesicht, bald folgte er ihm mit zornigen Blicken.
„Ja, mein lieber Herr Rektor, es ist nun doch wieder Ruhe ins Land gekommen, könnten wir nicht einen gemeinsamen Spielabend einrichten? Ich hatte freilich einen kleinen Streit mit Koch, aber er war im Unrecht.“
„War er das, Herr Gerichtsrat?“ Es klang eigentümlich, dem alten Mann zitterte die Stimme etwas, äußerlich stand er noch ruhig da.
„Ja, ja, er gab damals nach und richtete sich nach meinem Beispiel, und darum, mein guter Herr Rektor -“
„Herr Gerichtsrat, man hat mir die Sache anders erzählt. Man hat mir glaubwürdig gesagt, daß Sie den Eid, den Sie Napoleon am l6. November 1806 - es ist uns allen der Tag der Schande wie mit glühendem Eisen ins Herz gebrannt den Sie Napoleon leisten mußten, lächelnd und händereibend unterzeichnet hätten und dem französischen Offizier versichert, daß Sie freudig überrascht über die neue Wendung wären. Herr, lassen Sie ihr verdammtes Händereiben! Ich will Ihnen sagen, ein Deutscher waren Sie nie, Sie sind seit jenem Tage in meinen Angen auch kein Mecklenburger mehr. Was Sie noch sind, wissen Sie allein. Zum Teufel, Herr, Ihr Angenflankieren ist mir in der Seele zuwider. Schreiben Sie getrost Ihren Franzosenfreunden, daß ich Ihr Spionieren nicht dulden wollte und Ihnen die Tür gezeigt hätte.“ Er öffnete die Tür, und der Gerichtsrat, der zuletzt nur noch mit erhobenen Händen stumm und beschwörend vor ihm gestanden hatte, glitt hinaus und die Treppe hinab und hatte unterwegs schon weiterbedacht, daß man ja vom Fenster der Mademoiselle Clothilde auch auf den Hof sehen könnte und aus deren Seele am Ende noch allerlei Wissenswertes heraushaspeln, und wenn er sie zu bewegen vermöchte jungen Besuch einzuladen, sobald er Mademoiselle wieder aufwarten würde - - -
Trautmann hatte den Gerichtsrat sofort durchschaut und die Gefahr erkannt, die für Matthies und alle am Paschen Beteiligten heraufzog. Da er sich nicht selbst zu helfen wußte, so suchte er Gelegenheit mit Eva zu reden und ihr seine Sorge zu offenbaren. Aber Matthies kam nicht auf ihren Ruf, er war mit seinem Lehrherrn, so hieß es, über Land zu einer schweren Amputation gerufen. Irgend etwas mußte geschehen; und da ihr Mademoiselle von dem Besuche des Gerichtsrates erzählt hatte, und daß er dann und wann wiederkommen wollte, so schien es ihr ganz angebracht, zur genannten Zeit sich auch dort einzufinden, um mit weiblicher List und gedeckt durch Mademoiselles Gegenwart den dicken Herrn zu beobachten und allerlei aus ihm, der immer so zuvorkommend und höflich war, zu erforschen; der Mutter fiel es auf, daß sie ungewöhnlich an sich putzte, nur um einen nachbarlichen Besuch zu machen.
Fromm war sehr entzückt von seinem Einfluß und von Evas Entgegenkommen, hier konnte ihm der Sieg nicht fehlen. Er rückte geradeswegs zu ihr auf das Sofa; zum Fragen und Horchen, wie Eva es sich ausgedacht hatte, kam sie gar nicht, der kleine glatte Herr ließ sich die Führung des Gesprächs nicht nehmen, hatte eine Fülle von Redensarten, in die er sie gleichsam einwickelte, rückte näher und wurde aufdringlicher mit Schmeicheleien, so daß Eva sich zuletzt gar nicht vor ihm zu bergen wußte.
Da ging die Tür auf, und Frau Gellert erschien, sie hatte nicht einmal angeklopft, wie Mademoiselle unwillig sich später erinnerte, ihre Haube saß sehr links und flog bei der nächsten Bewegung sehr nach rechts; so stand sie da in ihrer festen Gestalt, setzte eine Hand in die Seite und überflog die Lage mit scharfem Blick.
Der Gerichtsrat fuhr sehr lebhaft auf sie zu, versuchte auch bei ihr eine günstige Stimmung für sich zu gewinnen und redete von einer artigen Überraschung und einer allbeliebten und hochangesehenen Frau.
„Sehr oblischiert,“ sagte sie kurz, „Sie haben hier mit Mademoiselle wohl ein Randepfui, und da will ich nicht stören; Eva, komm! Regen Sie sich nicht auf, Mademoiselle. Herr Gerichtsrat, Sie brauchen sich gar nicht so ein apollektisches Aussehen zu geben, Sie haben sich mir gegenüber versprochen und eigentlich gemeint, daß Sie selbst der Allbeliebte und Hochangesehene wären, ein rechter Mann, der mit’n Schwung sich zu schaukeln versteht.“
„Aber, verehrte Frau Gellert, ich beschwöre Sie -“
„Beschwören Sie einen andern, der mit Ihnen bekannter ist, und fahren Sie sich dabei meinetwegen immer so in die Haare, Sie müssen am Ende schon etwas darnach scherschieren. Lassen Sie doch ja den Rest stehen, daß Ihr Bekannter ‘ne Handhabe hat, wenn er mal mit Ihnen abfahren will. Nehmen Sie das vom mir als Zuwenihr an, ich empfehle mich Ihnen.“ Sie knixte. „Eva, du brauchst kein Kumplement zu machen, ?s ist schade drum, ich meine natürlich, Mademoiselle versteht es doch besser.“ Damit wandte sie sich kurz und nahm Eva mit sich fort.
Der Gerichtsrat stellte bei sich fest, daß er durch die Mademoiselle doch nicht genug erfahren könnte, und machte sich alsbald auf die andere Hausseite zu dem Färber.
Da fand er den Boden besser für seine Gangart geeignet, denn der Färber war ein etwas stiller, zager Mann, der nur durch Gellerts Beispiel und die großen Vorteile in der bedrängten Zeit gelockt zu der Teilnahme am Geschäft sich herbeigelassen hatte. Gellert war in seiner Sorglosigkeit auf die Sache eingegangen und hatte Freude an dem Possen, den er den Franzosen spielen konnte, aber der Färber war in einiger Angst, und als nun gar der Gerichtsrat unter irgend einem Varwande bei ihm erschienen war, da beschwor er hernach seine Frau, so lieb ihr sein Heil wäre, ihn freundlich zu stimmen, und verschwand nur zu gern durch die Hintertüre, wenn der glatte Mann wieder einmal vorn anklopfte. Der klopfte aber oft, die Färberfrau war immerhin eine frische, junge und ganz hübsche Erscheinung, die ihrem Mann zuliebe recht freundlich war. Das ging einigemal so hin, aber sehr bald merkte der Färber, wie man hinter ihm zischelte, und als er das in seiner Not noch auf die Pascherei schob, da mußte er es erleben, daß ihm ein guter Freund ganz offen ins Gesicht sagte, was man über die Besuche des Gerichtsrates in der Stadt dächte.
Nun gab es für seine Zaghaftigkeit eine Grenze, über die hinüber er nur gedrängt zu werden brauchte, um ganz kräftig zuzufahren und zu beißen wie eine Ratte, die man in ein Loch gejagt hat und nun vorsichtig anfassen will. Es gab einen Auftritt zwischen den Eheleuten, und die Frau beschloß sofort, nach dem Wunsche ihres Mannes ihr Benehmen zu ändern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!