- 14 - „Wir mußten hier immer wach sein, dafür sorgten die Franzosen. Weißt du, Eva, ich möchte wohl mit ...

„Wir mußten hier immer wach sein, dafür sorgten die Franzosen. Weißt du, Eva, ich möchte wohl mit ihnen einmal gründlich abrechnen können, so hasse ich sie. Und wenn es noch einmal losgeht -“
„Dann gehe ich mit!“ Eva schnellte empor.
„Du?“ sagte Matthies ganz verblüfft und sah sie groß an.
„Ja, meinst du, daß ich sie nicht hasse? Sollte ich dich allein gehen lassen? Wir sind immer gute Kameraden gewesen.“
„Ja,“ sagte Matthies, „aber ich werde ein Reiter, das paßt nicht für dich.“
„Nein, aber mit gehe ich, dann werde ich Marketenderin, und ich fahre dann überall mit euch.“
„Das ginge schon an, aber -“ Matthies hatte noch allerlei unklare Bedenken.
„Ich habe viel gelernt in Vietlübbe,“ rief Eva, „ich konnte es gar nicht aushalten, daß ich nicht mit dir darüber sprechen durfte, mein Herz ist mir so voll. Alles, was dein Vater hier in uns senkte wie Funken, ist mir dort aufgegangen wie ein flammendes Licht. Kommen muß einmal der Tag der Freiheit, und dann braucht das Vaterland alle, alle seine Kinder, darf da ein einziges untätig bleiben?“
Von dem heiligen Vermächtnis, das der sterbende Soldat ihr hinterlassen hatte, konnte sie auch Matthies gegenüber nicht reden.
„Nein, nein,“ rief Matthies feurig, „was du da sagst, habe ich auch empfunden, nur noch nicht so klar. Natürlich muß jeder nach seinen Kräften dann heran. Und wenn wir erst Mann und Frau sind -“ Es war ihm so herausgefahren, als wäre das etwas ganz Selbstverständliches. Eva nahm es auch so auf, denn sie hatte es nie anders gedacht, so lange sie sich kannten.
„Dann erst recht,“ sagte sie. „Aber das dürfen wir nicht eher werden, als bis unser Vaterland frei ist. Denken denn die anderen hier auch so wie du?“
„Hinnick auch, das weiß ich, der schlüge am liebsten morgen schon los. Du, hat der aber eine Faust gekriegt! Er dient beim Müller als Knecht, und mit einem Sack von hundert Pfund spielt er Ball.“
„Wir drei haben ja immer gleich gedacht.“
„Ja, und ich wollte, ich wäre lieber alles andere, als hier noch immer Lehrling bei einem Meister, bei dem ich nichts lernen kann. Ich laufe ihm aber bald aus der Lehre.“
Ein Wort gab das andere, und so erfuhr Eva das Nötige über Kaper Scholte und daß der Jochen auf des Juden Anhalten verkauft habe. Aber sie besann sich nicht lange.
„Wenn wir Mann und Frau werden sollen,“ sagte sie einfach, „dann darfst du jetzt nicht aufhören, aushalten mußt du deine Lehrzeit, das ist klar, sonst kannst du es nie zu etwas bringen. Was dir dann noch fehlt, wirst du mit deiner Geschicklichkeit schon auf den Reisen bald nachholen. Und nun, Matthies, hole deine Geige. Ich möchte hier wach sitzen und doch neben dir wieder glücklich träumen. Über uns stehen die alten Sterne, die dir schon so oft zugehört haben. Das andre, Matthies, wird sich später noch alles von selbst finden.“
Matthies spielte seine neuen Lieder und dann die alten dazu, wohl eine Stunde lang. Zuweilen, wenn er Eva so von der Seite ansah, wie sie saß und hatte die Hände vor sich gefaltet und lauschte, dann zitterte ihm der Bogen in der Rechten, und es irrten die Finger der Linken auf den Saiten, er erschrak vor sich selbst und nahm sich zusammen.
Der Rektor saß oben im Nebenhaus am offenen Fenster und lauschte dem innigen Spiele seines Schülers, und das Gellertsche Ehepaar horchte in der Stube. Endlich sagte Frau Gellert. „Ich werde sie jetzt zu Bett schicken. Dies mag heute noch so hingehen, aber sie sind keine Kinder mehr, das schlimme Jahr hat sie beide zu Erwachsenen gemacht, und wir, die Eltern, müssen unsere Schuldigkeit tun und aufpassen.“
„Ja, Mutter, wenn du dir etwas vorgenommen hast, dann kommt man nicht dagegen auf,“ sagte Gellert und gähnte ziemlich laut.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Pascholl!