Essen und Trinken
Noch Ludwig XIV. aß mit den Fingern und zu seiner Zeit Essen tauchte beim Essen jeder mit seinem Löffel in alle Schüsseln. Zum Vorlegen bedienten sich die Damen ihrer zehn Finger.
Gabeln sowie der Gebrauch besonderer Löffel zum Vorlegen kommen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts im allgemeinen Gebrauch. In Hamburg erhielt man schon in den achtziger Jahren „auf englische Art“ zu jedem Gericht reine Messer und Gabeln, in Wien noch nicht, da empfing jeder Gast eine silberne dreizinkige und eine stählerne zweizinkige Gabel, um sich ihrer zum Nehmen und Essen zu bedienen, dagegen ständig reine Löffel. In Wien erhielt man auch zum Dessert eine reine Serviette, die man aber nicht brauchen durfte. Das Essen war überhaupt in dieser Zeit eine wichtige Angelegenheit. Man aß unendlich viel mehr als heute, wenn auch der berühmte Josef Kohlnicker aus Passau, der auf einen Sitz zwei gebratene Kälber verzehrte, 12 Maß Wein dazu trank und in den Pausen Filzhüte knusperte, ein ausnahmsweiser Vielfraß gewesen sein dürfte! Man servierte die Mahlzeiten in Trachten, so dass immer mehrere Gerichte auf einmal auf dem Tische standen. Der erste Gang bestand etwa, wie es Keyßler aus Genf beschreibt, nur aus gekochten Speisen, der zweite nur aus gebratenen, der dritte nur aus gebackenen, der vierte brachte endlich das Dessert.
Ein Diner des 18. Jahrhunderts würde im 20. mindestens für zehn ausreichen. Darum verbrachte man auch viel Zeit bei Tische. In den Villeggiaturen der vornehmen Venezianer herrschte eine Zeitlang die Sitte, eine Mahlzeit in drei verschiedenen Sälen einzunehmen, in einem Suppe und Fleisch, im zweiten Braten, im dritten die Süßigkeiten. Kaffee und Liköre wieder in eigenen Kiosken. In Magdeburg dauerte ein Diner, wie Frau v. Voß schreibt, einen halben Tag, ein Fastenessen in Wien immerhin fünf Stunden. Die gewöhnliche Tafel des Wiener Bürgers war mittags mit zehn bis zwölf Speisen besetzt, bei festlichen Schmausen gab es 24 Schüsseln. Da erschien den Wienern das Menü, welches die Zöglinge der orientalischen Akademie erhielten, natürlich sehr mäßig, die armen Hascherln kriegten ja auch mittags nur fünf und abends gar nur drei Gänge! Im Gegensatz dazu begnügten sich die „Hungerpreußen“ mit zwei Schüsseln, wofür sie von den Phäaken des Südens auch gründlich verachtet wurden.
Am Hofe Friedrich Wilhelms I. musste man nach dem Bericht seiner Tochter von dem Geruch satt werden und am kurbayerischen Hof scheint es nicht immer viel besser gewesen zu sein, wenigstens schreibt Graf Lynar 1762 aus Nymphenburg, man bekomme wenig zu essen und alles sei kalt. Casanova bewirtet die Hofgesellschaft des Kurfürsten von Köln in Brühl mit einem Dejeuner von 24 Schüsseln, ungerechnet die Austern und das Dessert und er verzehrt ein andermal in Mailand mit sieben anderen 300 Austern und 20 Flaschen Sekt. Dem Thermometermacher Réaumur verdankte man es, Gefrorenes herstellen zu können, eine kulinarische Kunst, die auch alsbald eifrig ausgeübt wurde. Frau Rat allerdings goss noch das Eis, das der Königsleutnant ihren Kindern schickte, fort, denn das könne unmöglich gesund sein. Ein ganz besonderer Feinschmecker war jedenfalls der Graf Manderscheidt-Blankenheim, Bischof von Wiener-Neustadt, der, um seine Hechte ja recht schmackhaft zu bekommen, sie — mit Forellen füttern ließ. Eine größere Rolle als das Essen spielte, wenigstens im Anfang des Jahrhunderts, das Trinken, zumal in Deutschland. Lord Chesterfield schreibt, dass man an den Höfen der geistlichen Kurfürsten in Trier und Mainz gesoffen habe wie die Vandalen, Baron Pöllnitz wird in Würzburg acht Tage lang gar nicht nüchtern, der Markgraf von Bayreuth betrinkt sich täglich nur dreimal. König Friedrich Wilhelm I. und August der Starke gründen miteinander die Société des Antisobres.
Als Keyßler 1730 in Florenz weilt, erzählt man ihm, dass der Großherzog — der letzte Medici — seit einem halben Jahr nicht mehr nüchtern geworden sei. Liselotte, die mit ihrer gewohnten Offenherzigkeit 1699 schreibt: „das sauffen ist gemein bei die weiber“, erzählt 1722 die Geschichte vom kaiserlichen Gesandten Grafen Sintzendorff, der sich in Rheims an Champagner so sternvoll getrunken, dass er „zweimal 24 Stundt wie eine bestia ist liegen geblieben“. Sogar am Hof des Kronprinzen Friedrich in Rheinsberg betrinkt sich die Gesellschaft nach dem Bericht Baron Bielefelds derart, dass sie im Suff alles Geschirr kurz und klein schlägt, genau wie in Nymphenburg, wo bei der Einweihung der Magdalenen-Kapelle im Rausch des Finale für 200 Taler Gläser zerbrochen wurden. Die Gläser standen bei Mahlzeiten nicht auf dem Tisch. Man musste sie sich zum Trinken fordern, außer bei den parties fines, wo keine Diener zugegen waren. Unser heutiger Gebrauch stammt erst seit der Revolution. So waren denn die Gäste in Wien z. B. gewohnt, bei ihrem Couvert eine Liste der Weine zu finden, die sie verlangen konnten.
Darin suchte ein Gastgeber den anderen zu übertreffen. Bis zu 18 verschiedene Sorten wurden angeboten, eine Unsitte, die der französische Gesandte de Bussy dadurch persiflierte, dass er einmal eine „Liste von Weinen, die ich nicht habe“, auflegte. Wenn Trinken und Betrinken nicht nur an den Höfen allgemeine Sitte war, sondern es auch in Bürgerkreisen zum guten Ton gehörte, sich zu berauschen, wie Winckelmann mit gutem Humor von seinen Räuschen berichtet, wenn man in Nürnberg z. B. fremde Gäste nicht im eigenen Hause bewirtet, sondern sie ins Wirtshaus führt, und ihnen einen Rausch anhängt, so erlaubt das einen Rückschluss auf die Manieren, die im übrigen den Verkehr bestimmten. Die Prinzessin Wilhelmine, die vom Hofe ihres königlichen Vaters her an Zoten, Zweideutigkeiten, und Stockprügel gewöhnt war, ist doch noch überrascht durch die unanständige Unterhaltung, die der Erbprinz von Hessen-Darmstadt mit seiner Schwester führt und chokiert durch die freien Manieren der Herzogin von Württemberg. Liselotte, die an einem Hofe lebte, der in der Welt als das Musterbild des feinsten Tons galt, schreibt 1702: Am Hof weiß niemand, was Politesse ist als der König und der Dauphin, die gelten am artigsten, so am plumpsten sind und wenn sie ein anderes Mal den Lieblingswitz des großen Dauphins erzählt, der darin bestand, den Damen, die im Begriffe waren, sich zu setzen, die Hand mit aufgerichtetem Daumen unterzuhalten, so darf man ihr wohl recht geben, dass das plumpe Späße waren. Friedrich August II. von Sachsen-Polen hielt sich noch Hofnarren, deren Roheiten sein größtes Vergnügen bildeten. Der allgemein im 18. Jahrhundert noch herrschende Ton würde uns wohl heute sehr befremden.
Auf der einen Seite im Verkehr mit Hochstehenden eine Etikette, die bei der Aufwartung vor Kaiser und Kaiserin die spanische Reverenz verlangt, d. h. ein Niederfallen auf beide Knie, auf der anderen Seite eine Rücksichtslosigkeit gegen Gleichberechtigte oder Niederstehende, die erstaunt. In studentischen Kreisen galt die gröbste Roheit und Unflätigkeit für Witz, Lauckhard ist ein klassischer Zeuge dafür. Im Siegwart kommt es vor, dass Herren sich in Damengesellschaft ohrfeigen, dass der Puder stäubt. Militär und Kaufleute waren, wie Dorothea Schlegel-Veith berichtet, nicht weniger roh, besonders in Berlin, und als das Geniewesen Mode war, da durchbrachen die Stürmer und Dränger absichtlich wieder die Schranken, die der gute Ton aufzurichten begonnen hatte. Charlotte v. Stein schreibt an Zimmermann, dass der Herzog Karl August selbst so sehr Kraftbursche geworden sei, dass er finde, Leute mit Anstand und feinen Manieren könnten unmöglich ehrliche Männer sein. Die bequemen Manieren dringen auch in die Damenwelt, sogar an den Hof.
Die Gräfin Voß beschwert sich bitter darüber, dass die Damen sich begnügen, als Gruß mit dem Kopf zu nicken, anstatt sich mit den Knien ehrbar und feierlich herabzusenken und langsam und stattlich wieder zu erheben. Erst das häufige Zusammenkommen der Geschlechter verfeinerte die Sitten. Auch dafür gab Frankreich das Vorbild. Die schöngeistigen Pariser Salons, die berühmt gewordenen Bureaux d'esprit der Damen Tencin, Geoffrin, Lespinasse, du Deffand u. a., die in ihren geselligen Zusammenkünften die geistreichsten Männer mit den schönsten Frauen zusammenführten, gaben den Ton einer verfeinerten Gesellschaft, die in ganz Europa bewundert und nachgeahmt wurde. Die Frau der bürgerlichen Kreise lebt im 18. Jahrhundert sehr abgeschlossen; eine Geselligkeit außer dem Hause existierte eigentlich nur für Männer. Mit Ausnahme der seltenen großen Familienschmäuse war die Frau so ziemlich auf das Kaffeekränzchen beschränkt, dessen Auftauchen wir an der Hand der Spottbilder bis in das erste Drittel des Jahrhunderts verfolgen können.
In Nürnberg wurden zu Damengesellschaften nicht einmal die einheimischen Herren zugelassen. Die Männer gingen ins Wirtshaus und begannen sich in Klubs nach englischem Muster zusammenzuschließen. 1749 erhält Berlin seinen Montagsklub, vorwiegend literarischen Charakters, dem u. a. Lessing, Nikolai, Ramler angehört haben. 1752 gründet der Assessor v. Wülben in Hannover einen Klub mit geselligem Endzweck. Aus Italien und Frankreich werden Kaffeehäuser und Konditoreien bei uns eingeführt, deren Wirte denn auch lange Zeit Ausländer waren. In München Tambosi, in Berlin Josty, d'Heureuse, Spargnapani, in Weimar Ortelli, Predari, Horny, in Kassel Benezé usw.
Gabeln sowie der Gebrauch besonderer Löffel zum Vorlegen kommen erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts im allgemeinen Gebrauch. In Hamburg erhielt man schon in den achtziger Jahren „auf englische Art“ zu jedem Gericht reine Messer und Gabeln, in Wien noch nicht, da empfing jeder Gast eine silberne dreizinkige und eine stählerne zweizinkige Gabel, um sich ihrer zum Nehmen und Essen zu bedienen, dagegen ständig reine Löffel. In Wien erhielt man auch zum Dessert eine reine Serviette, die man aber nicht brauchen durfte. Das Essen war überhaupt in dieser Zeit eine wichtige Angelegenheit. Man aß unendlich viel mehr als heute, wenn auch der berühmte Josef Kohlnicker aus Passau, der auf einen Sitz zwei gebratene Kälber verzehrte, 12 Maß Wein dazu trank und in den Pausen Filzhüte knusperte, ein ausnahmsweiser Vielfraß gewesen sein dürfte! Man servierte die Mahlzeiten in Trachten, so dass immer mehrere Gerichte auf einmal auf dem Tische standen. Der erste Gang bestand etwa, wie es Keyßler aus Genf beschreibt, nur aus gekochten Speisen, der zweite nur aus gebratenen, der dritte nur aus gebackenen, der vierte brachte endlich das Dessert.
Ein Diner des 18. Jahrhunderts würde im 20. mindestens für zehn ausreichen. Darum verbrachte man auch viel Zeit bei Tische. In den Villeggiaturen der vornehmen Venezianer herrschte eine Zeitlang die Sitte, eine Mahlzeit in drei verschiedenen Sälen einzunehmen, in einem Suppe und Fleisch, im zweiten Braten, im dritten die Süßigkeiten. Kaffee und Liköre wieder in eigenen Kiosken. In Magdeburg dauerte ein Diner, wie Frau v. Voß schreibt, einen halben Tag, ein Fastenessen in Wien immerhin fünf Stunden. Die gewöhnliche Tafel des Wiener Bürgers war mittags mit zehn bis zwölf Speisen besetzt, bei festlichen Schmausen gab es 24 Schüsseln. Da erschien den Wienern das Menü, welches die Zöglinge der orientalischen Akademie erhielten, natürlich sehr mäßig, die armen Hascherln kriegten ja auch mittags nur fünf und abends gar nur drei Gänge! Im Gegensatz dazu begnügten sich die „Hungerpreußen“ mit zwei Schüsseln, wofür sie von den Phäaken des Südens auch gründlich verachtet wurden.
Am Hofe Friedrich Wilhelms I. musste man nach dem Bericht seiner Tochter von dem Geruch satt werden und am kurbayerischen Hof scheint es nicht immer viel besser gewesen zu sein, wenigstens schreibt Graf Lynar 1762 aus Nymphenburg, man bekomme wenig zu essen und alles sei kalt. Casanova bewirtet die Hofgesellschaft des Kurfürsten von Köln in Brühl mit einem Dejeuner von 24 Schüsseln, ungerechnet die Austern und das Dessert und er verzehrt ein andermal in Mailand mit sieben anderen 300 Austern und 20 Flaschen Sekt. Dem Thermometermacher Réaumur verdankte man es, Gefrorenes herstellen zu können, eine kulinarische Kunst, die auch alsbald eifrig ausgeübt wurde. Frau Rat allerdings goss noch das Eis, das der Königsleutnant ihren Kindern schickte, fort, denn das könne unmöglich gesund sein. Ein ganz besonderer Feinschmecker war jedenfalls der Graf Manderscheidt-Blankenheim, Bischof von Wiener-Neustadt, der, um seine Hechte ja recht schmackhaft zu bekommen, sie — mit Forellen füttern ließ. Eine größere Rolle als das Essen spielte, wenigstens im Anfang des Jahrhunderts, das Trinken, zumal in Deutschland. Lord Chesterfield schreibt, dass man an den Höfen der geistlichen Kurfürsten in Trier und Mainz gesoffen habe wie die Vandalen, Baron Pöllnitz wird in Würzburg acht Tage lang gar nicht nüchtern, der Markgraf von Bayreuth betrinkt sich täglich nur dreimal. König Friedrich Wilhelm I. und August der Starke gründen miteinander die Société des Antisobres.
Als Keyßler 1730 in Florenz weilt, erzählt man ihm, dass der Großherzog — der letzte Medici — seit einem halben Jahr nicht mehr nüchtern geworden sei. Liselotte, die mit ihrer gewohnten Offenherzigkeit 1699 schreibt: „das sauffen ist gemein bei die weiber“, erzählt 1722 die Geschichte vom kaiserlichen Gesandten Grafen Sintzendorff, der sich in Rheims an Champagner so sternvoll getrunken, dass er „zweimal 24 Stundt wie eine bestia ist liegen geblieben“. Sogar am Hof des Kronprinzen Friedrich in Rheinsberg betrinkt sich die Gesellschaft nach dem Bericht Baron Bielefelds derart, dass sie im Suff alles Geschirr kurz und klein schlägt, genau wie in Nymphenburg, wo bei der Einweihung der Magdalenen-Kapelle im Rausch des Finale für 200 Taler Gläser zerbrochen wurden. Die Gläser standen bei Mahlzeiten nicht auf dem Tisch. Man musste sie sich zum Trinken fordern, außer bei den parties fines, wo keine Diener zugegen waren. Unser heutiger Gebrauch stammt erst seit der Revolution. So waren denn die Gäste in Wien z. B. gewohnt, bei ihrem Couvert eine Liste der Weine zu finden, die sie verlangen konnten.
Darin suchte ein Gastgeber den anderen zu übertreffen. Bis zu 18 verschiedene Sorten wurden angeboten, eine Unsitte, die der französische Gesandte de Bussy dadurch persiflierte, dass er einmal eine „Liste von Weinen, die ich nicht habe“, auflegte. Wenn Trinken und Betrinken nicht nur an den Höfen allgemeine Sitte war, sondern es auch in Bürgerkreisen zum guten Ton gehörte, sich zu berauschen, wie Winckelmann mit gutem Humor von seinen Räuschen berichtet, wenn man in Nürnberg z. B. fremde Gäste nicht im eigenen Hause bewirtet, sondern sie ins Wirtshaus führt, und ihnen einen Rausch anhängt, so erlaubt das einen Rückschluss auf die Manieren, die im übrigen den Verkehr bestimmten. Die Prinzessin Wilhelmine, die vom Hofe ihres königlichen Vaters her an Zoten, Zweideutigkeiten, und Stockprügel gewöhnt war, ist doch noch überrascht durch die unanständige Unterhaltung, die der Erbprinz von Hessen-Darmstadt mit seiner Schwester führt und chokiert durch die freien Manieren der Herzogin von Württemberg. Liselotte, die an einem Hofe lebte, der in der Welt als das Musterbild des feinsten Tons galt, schreibt 1702: Am Hof weiß niemand, was Politesse ist als der König und der Dauphin, die gelten am artigsten, so am plumpsten sind und wenn sie ein anderes Mal den Lieblingswitz des großen Dauphins erzählt, der darin bestand, den Damen, die im Begriffe waren, sich zu setzen, die Hand mit aufgerichtetem Daumen unterzuhalten, so darf man ihr wohl recht geben, dass das plumpe Späße waren. Friedrich August II. von Sachsen-Polen hielt sich noch Hofnarren, deren Roheiten sein größtes Vergnügen bildeten. Der allgemein im 18. Jahrhundert noch herrschende Ton würde uns wohl heute sehr befremden.
Auf der einen Seite im Verkehr mit Hochstehenden eine Etikette, die bei der Aufwartung vor Kaiser und Kaiserin die spanische Reverenz verlangt, d. h. ein Niederfallen auf beide Knie, auf der anderen Seite eine Rücksichtslosigkeit gegen Gleichberechtigte oder Niederstehende, die erstaunt. In studentischen Kreisen galt die gröbste Roheit und Unflätigkeit für Witz, Lauckhard ist ein klassischer Zeuge dafür. Im Siegwart kommt es vor, dass Herren sich in Damengesellschaft ohrfeigen, dass der Puder stäubt. Militär und Kaufleute waren, wie Dorothea Schlegel-Veith berichtet, nicht weniger roh, besonders in Berlin, und als das Geniewesen Mode war, da durchbrachen die Stürmer und Dränger absichtlich wieder die Schranken, die der gute Ton aufzurichten begonnen hatte. Charlotte v. Stein schreibt an Zimmermann, dass der Herzog Karl August selbst so sehr Kraftbursche geworden sei, dass er finde, Leute mit Anstand und feinen Manieren könnten unmöglich ehrliche Männer sein. Die bequemen Manieren dringen auch in die Damenwelt, sogar an den Hof.
Die Gräfin Voß beschwert sich bitter darüber, dass die Damen sich begnügen, als Gruß mit dem Kopf zu nicken, anstatt sich mit den Knien ehrbar und feierlich herabzusenken und langsam und stattlich wieder zu erheben. Erst das häufige Zusammenkommen der Geschlechter verfeinerte die Sitten. Auch dafür gab Frankreich das Vorbild. Die schöngeistigen Pariser Salons, die berühmt gewordenen Bureaux d'esprit der Damen Tencin, Geoffrin, Lespinasse, du Deffand u. a., die in ihren geselligen Zusammenkünften die geistreichsten Männer mit den schönsten Frauen zusammenführten, gaben den Ton einer verfeinerten Gesellschaft, die in ganz Europa bewundert und nachgeahmt wurde. Die Frau der bürgerlichen Kreise lebt im 18. Jahrhundert sehr abgeschlossen; eine Geselligkeit außer dem Hause existierte eigentlich nur für Männer. Mit Ausnahme der seltenen großen Familienschmäuse war die Frau so ziemlich auf das Kaffeekränzchen beschränkt, dessen Auftauchen wir an der Hand der Spottbilder bis in das erste Drittel des Jahrhunderts verfolgen können.
In Nürnberg wurden zu Damengesellschaften nicht einmal die einheimischen Herren zugelassen. Die Männer gingen ins Wirtshaus und begannen sich in Klubs nach englischem Muster zusammenzuschließen. 1749 erhält Berlin seinen Montagsklub, vorwiegend literarischen Charakters, dem u. a. Lessing, Nikolai, Ramler angehört haben. 1752 gründet der Assessor v. Wülben in Hannover einen Klub mit geselligem Endzweck. Aus Italien und Frankreich werden Kaffeehäuser und Konditoreien bei uns eingeführt, deren Wirte denn auch lange Zeit Ausländer waren. In München Tambosi, in Berlin Josty, d'Heureuse, Spargnapani, in Weimar Ortelli, Predari, Horny, in Kassel Benezé usw.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Mode - Menschen und Moden im achtzehnten Jahrhundert