Vergnügungen

Mehr Vergnügen verschafften sich die Höfe und Adelskreise, deren raison d'etre wie heute einzig in der Zerstreuung bestand. Kaiserin Katharina II. schildert in ihren Erinnerungen die Maskenbälle, die ihre Vorgängerin auf dem Throne zu veranstalten liebte, alle Herren mussten als Damen, alle Damen als Herren gekleidet erscheinen.

Graf Lehndorff erzählt von derartigen Soupers beim Prinzen von Preußen und fügt hinzu, besonders spaßhaft habe der Bischof von Breslau, Graf Schaffgotsch, als Dame ausgesehen. Während des Siebenjährigen Krieges residierte der preußische Hof in Magdeburg, aber auch während der trübsten Zeiten desselben verzeichnet das Tagebuch der Frau v. Voß nichts als Schlittenfahrten, Schäferspiele, Cafés coiffés und andere Amüsements. Prinzessin Amalie veranstaltet einmal ein Fest, zu dem alle Herren sich als Damen, alle Damen sich als Herren verkleiden müssen. In Wien waren, solange ein Türkenkrieg dauerte, Maskenbälle überhaupt nicht erlaubt, während die großen Schlittenfahrten, das Hauptvergnügen der vornehmen Wiener Gesellschaft, nicht auszusetzen brauchten. Eine solche Schlittenfahrt, zu der der Schnee oft erst in die Stadt gebracht werden musste, kostete den teilnehmenden Herren 500 Louisdors und mehr. Die Schlittenequipage eines Grafen veranschlagte Nikolai auf 30.000 bis 70.000 Gulden. Zur Zeit, als Lady Montague sich in Wien aufhielt, veranstaltete man „Merenden“, Abendgesellschaften, bei denen um 2 Uhr nachts das Souper serviert wurde, und um 3 Uhr der Ball begann.


Ein Hauptvergnügen der Höfe waren die „Wirtschaften“, Feste, bei denen die Anwesenden sich als Bauern maskierten und für den Abend die Etikette beiseite legten. In einem Brief vom 13. Juli 1700 beschreibt Leibniz der Kurfürstin Sophie eine Wirtschaft, die der preußische Hof in Charlottenburg als Jahrmarkt gespielt hat. Von dem Ton kann man sich einen Begriff machen, wenn man hört, dass die Prinzessin Wilhelmine in Bayreuth eine Wirtschaft veranstaltet, bei der sich die Gesellschaft im „Wirtshaus zur guten Frau ohne Kopf“ versammelt. Auch an dem feierlichen Wiener Hofe waren die Wirtschaften ein Hauptvergnügen. Man rechnete, dass eine solche jedem der Teilnehmer für sich und seine Dame auf 3.000 Gulden zu stehen käme.

Als Kaiser Joseph II. 1777 auf dem Wege nach Paris durch Stuttgart kam, hatte er die Einladung des Herzogs, bei ihm abzusteigen, abgelehnt und verlangt, im Gasthaus zu wohnen. Da ließ der Herzog an dem Residenzschloss ein großes Schild anbringen: Wirtshaus zum römischen Kaiser, verkleidete sich als Wirt, den Hof als Dienstpersonal und zwang den überraschten Monarchen auf diese Weise, doch seine Gastfreundschaft anzunehmen. Der Hof der Herzöge von Württemberg gehörte im 18. Jahrhundert überhaupt zu den brillantesten in Europa.

Man konnte sich im Karneval nirgends besser unterhalten, als in Stuttgart. Alle Dienstag und Freitag um 5 Uhr war Oper, alle Montag und Donnerstag abends von 8 bis 2 Uhr Redoute. Der Besuch derselben, auf denen es sehr frei zuzugehen pflegte, war den Beamten mit Frau und Töchtern befohlen, wer nicht hinging, dem wurde zur Strafe ein Vierteljahrsgehalt abgezogen. In Augsburg fanden im Januar und Februar in den Drei Mohren Maskenbälle statt, die um so besuchter waren, als die übrigen Reichsstädte Nürnberg, Ulm, Biberach, Nördlingen, Hall u. a. solche Vergnügungen nicht kannten. Wie ein preußischer Werbeoffizier, der lange in Süddeutschland in Garnison stand, 1785 berichtet, war die Lebensart dieser Reichsstädte sehr einförmig. Nur mit Heilbronn und seinen modernen Einwohnern macht er eine Ausnahme. Zu den Zeiten Lady Montagues hatte das Entree zu den öffentlichen Bällen in Wien der Dame nichts und dem Herrn einen Dukaten gekostet. 70 Jahre später kostete das Entree zu den Redouten, die im Fasching dreimal wöchentlich in der Hofburg stattfanden, nur noch zwei Gulden. Öffentliche Bälle waren eine Notwendigkeit zu einer Zeit, in der turmhohe Schranken den Adel vom Bürgerstand schieden. Als der Adel in Dessau einen Ball gab, lud er aus dem Philanthropin natürlich nur die adeligen Schüler ein. Da diese aber ohne Begleitung eines Lehrers nicht ausgehen durften, ein bürgerlicher Schulmeister aber ganz unmöglich auf einen Ball Adeliger zugelassen werden konnte, so musste für den Abend ein italienischer Edelmann engagiert werden, um die Knaben zu begleiten. Nur auf öffentlichen Bällen, gar auf Redouten, konnten Adelige und Bürgerliche miteinander tanzen.

Viel bewunderte Vergnügungsetablissements, deren Einrichtungen überall nachgeahmt wurden, waren in London Ranelagh und Vauxhall gardens. Sie konkurrierten so erfolgreich mit den Subskriptionsbällen der Therese Cornelys, der Freundin Casanovas, dass diese berühmte Vergnügungskünstlerin 1797 im Schuldgefängnis in Fleetstreet starb, nachdem ihr Millionen von Pfund Sterling durch die Hände gegangen waren. Zu ihren Bällen hatte man nie weniger als zwölf Billetts nehmen können, welche neun Pfund kosteten und dabei belief sich die Zahl ihrer Subskribenten auf ca. 3.000. Man tanzte unter hundert verschiedenen Namen, was man heute Kontertänze nennt: Pavanen, Couranten, Quadrillen, Menuetts, seit dem Siebenjährigen Kriege bürgert sich in der vornehmen Gesellschaft Frankreichs die Allemande ein, jener überaus graziöse Tanz, den das berühmte Blatt Saint Aubin's „Le bal pare“ darstellt, und für den Johann Sebastian Bach so viele seiner Kompositionen geschrieben hat. Bei dem jüngeren Geschlecht werden diese Tänze, die so viel Geschick, so viel Grazie und Anmut verlangen, seit der Mitte des Jahrhunderts durch den Walzer verdrängt, der sich binnen kürzester Zeit zum Alleinherrscher der Ballsäle aufschwingt. Er ist in den sechziger Jahren schon so verbreitet, dass Goethe in Straßburg das Walzen lernen muss, um in Gesellschaft mittun zu können.