Die Uniform

Die stehenden Heere, die sich nach dem Dreißigjährigen Kriege zu einer bleibenden Einrichtung entwickeln, kennen Uniformen erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts. Wenn sie den Schnitt derselben ursprünglich dem der gewöhnlichen Männerkleidung entlehnen, so entwickeln sie aus ihm allmählich ihren Bedürfnissen entsprechend eine neue Form.

Die Rockschöße werden erst mit ihren Enden an den Seiten zusammengenommen, dann zum Frack abgeschnitten, das Beinkleid wird eng, die Gamasche bedeckt oder ersetzt den seidenen oder wollenen Zwickelstrumpf. Die Wechselwirkung zwischen Zivil- und Militärkleid war um so reger, als die Unterschiede in Schnitt und Farbe zwischen denselben so sehr geringe waren. Die militärische Uniform gewann schließlich ein starkes Übergewicht dadurch, dass sie, ebenso wie das englische Bürgerkleid es tat, dem kostspieligen französischen Moderock einen Anzug gegenüberstellte, der praktisch und wohlfeil war. In gewissem Sinne hat diese Wechselwirkung ja bis heute nicht aufgehört. Wenn im Augenblick, wo wir dies schreiben, unsere Modeherren im unförmigen Schnitt ihrer Kleider dem perversen Geschmack des halb barbarischen Amerika huldigen, so wetteifern unsere Militärs erfolgreich mit der zivilistischen Geschmacklosigkeit und wandeln als lebende Karikaturen stolz in zu weiten Hosen, zu langen Röcken und zu großen Mützen umher. (Das war 1908!)


Dieses Übergewicht gewann die Uniform im 18. Jahrhundert, trotzdem ihre Träger verachtet waren. Denn im damaligen Deutschland war ein Soldat nicht viel besser angesehen als ein Zuchthäusler. Der moralische Zustand des Militärs, dessen Freiwillige sich nur aus der Hefe der Bevölkerung rekrutierten, während der Rest aus Geworbenen bestand, die mit Betrug oder Gewalt enrolliert waren, ließ die Bürger mit Abscheu auf die Soldaten blicken, deren Umgang sie flohen. Im Ansehen stand unbedingt das preußische Heer als solches obenan, seit Friedrich II. es in seinen Kriegen zu unvergesslichen Heldentaten geführt hatte, aber im privaten Leben ging, wer es konnte, den Angehörigen dieser Armee weit aus dem Wege, Offizieren wie Gemeinen.

Die Erinnerungen der Bräker, Nettelbeck, Seume, Lauckhard u. a. erzählen die Gründe dazu ja anschaulich genug. Der Zustand der übrigen Armeen aber konnte wahrlich keine Achtung beanspruchen. In Österreich, wo die Offiziersstellen bis 1809 käuflich waren, galt der Dienst der eigenen Bereicherung im Frieden wie im Kriege. Von den 135.000 Mann, die bei Karls VI. Tode auf dem Papiere standen, waren de facto nur 68.000 unter den Waffen, die Löhnung der übrigen steckten die Vorgesetzten ein. Die Verwaltung des Generalkriegskommissariates machte reich. Wie Prinz Eugen und der Markgraf Ludwig von Baden im Beginne des Jahrhunderts geklagt hatten, war die Armee auch später noch in Feindes- wie in Freundesland auf Plünderung angewiesen.

Der berüchtigte Oberst Menzel erbeutete drei Millionen Gulden im Felde, den Freiherrn von der Trenk ließ Maria Theresia seiner Schandtaten wegen auf dem Spielberg sterben. Das kurbayerische Militär bestand aus 15.000 Mann, von denen aber nur 3.000 unter Gewehr standen, die mit ihren 39 Generalen monatlich 93.000 Gulden verbrauchten. Wenn die Frau eines Offiziers in anderen Umständen war, so erhielt sie für ihr erwartetes Kind ein Offizierspatent, dessen Einkünfte ihr auch dann verblieben, wenn das Kind tot zur Welt kam oder eine Tochter war. Als dieses Heer während des Siebenjährigen Krieges im Mai 1758 im Felde war, erbat der Kurfürst für seine Soldaten zwei Monate Urlaub, damit sie sich erholen könnten! Kurpfalz hielt 5.500 Mann mit 21 Generalen und die Groteske dieser Zustände vervollständigt der Betrieb derselben.

Der schwäbische Kreis gab seinen Truppen die Artillerie nicht mit ins Feld, weil sie sie am Ende verlieren könnten. In Mainz standen die Festungswerke unter der Obhut des Hofgärtners, von dem die Ingenieure sich im Bedarfsfall die Schlüssel erbitten mussten. Als Spanien 1762 mit Portugal im Kriege lag, war das spanische Heer bereits an die portugiesische Grenze vorgerückt und stand im Angesicht des Feindes, als man erst bemerkte, dass man vergessen hatte, das Pulver mitzunehmen!

Von Herrschern war wohl Friedrich Wilhelm I. von Preußen der erste, welcher immer Uniform trug, die französischen Könige legten nie eine solche an. Graf Valentin Esterhazy schreibt in seinen Erinnerungen, dass der Dauphin 1764 zum größten Erstaunen des Hofes zum erstenmal die Uniform seines Regiments angelegt habe, man hätte das vorher nie bei Hofe gesehen. Erst Ludwig XVI. pflegte am Nachmittag stets Uniform zu tragen. Kaiser Joseph eiferte auch darin seinem bewunderten Vorbild Friedrich dem Großen nach, dass er fast nur Uniform trug und höchst selten das gestickte Hofkleid anlegte. Da er die Uniform auch auf Reisen trug, so gab er damit ein gern befolgtes Beispiel, 1772 schreibt Abbé Galiani aus Neapel an Grimm, dass die reisenden Prinzen alle in der Uniform ihrer Regimenter erscheinen. Friedrich der Große verzichtete bald auf den Luxus einer geschmackvollen Kleidung nach der Mode und legte ausschließlich Uniform an ; als er starb, bestand seine ganze Garderobe aus 5 Uniformen, 8 Westen, 4 Paar Hosen, 6 Paar Stiefel, 10 Paar weißen und 5 Paar schwarzseidenen Strümpfen nebst 16 schlechten Hemden. Sein Nachfolger verkaufte alles zusammen für 400 Taler.

Die Frage des Schneiders und der Schneiderin war in jener Zeit selbstverständlich ebenso wichtig wie heute. Wer im Hause arbeiten ließ, wie Goethes in Frankfurt, dem konnte es wohl blühen, dass er, wenn er, wie Wolfgang mit seiner Garderobe in eine elegante Stadt wie Leipzig kam, als komische Figur aufs Theater gebracht wurde. Die Reklame mancher heutiger Schneider, dass sie Durchreisenden binnen einem Tag einen Anzug machen, war damals schon etwas Altes. Casanova erhielt in Neapel binnen 24 Stunden ein Gewand, ebenso wie Graf Tiretta in Paris. In Wien zeigte der Schneider Otto 1781 an, dass er ein Kleid auf Wunsch in sieben Stunden liefere. Auch die Konfektion geht bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Für Paris ist sie seit 1716 nachgewiesen. Nach der Angabe des Voyageur fidele hatte ein Schneider in St. Denis fertige Kleider für Männer, Frauen und Kinder auf Lager. In London konnte man aber, wie wir von Reisenden wissen, schon vorher Kleider und Wäsche fertig kaufen.