Die Herrenmode

Während die Damenmode zur Zeit Ludwigs XIV. Tod eine so völlige Veränderung erleidet, hat die Herrenkleidung ihre Form noch lange beibehalten. Der Mann trug in den letzten Jahren der Regierung des Sonnenkönigs einen Rock, der etwa bis zum Knie reichte, Justeaucorps oder Surtout hieß und geschlossen getragen wurde, so dass man die darunter getragene fast ebenso lange Schoßweste gar nicht oder kaum sah.

Dazu gehörte ein kurzes Beinkleid und Kniestrümpfe, die über der Hose befestigt wurden. Ein spitzenbesetztes Halstuch vervollständigte den Anzug. Dieses wurde seit 1692 in einer besonderen Form getragen, der man den Namen „Steinkerke“ beilegte. Als die französische Armee unter dem Marschall von Luxembourg gegen die Holländer unter dem Prinzen von Oranien im Felde lag, da überfielen die letzteren eines Morgens die Franzosen bei dem Dorfe Steinkerke so plötzlich, dass die französischen Kavaliere keine Zeit mehr fanden, ihre Halstücher in die üblichen eleganten Schleifen zu binden, sondern sich begnügen mussten, sie umzuschlingen und die langen Zipfel schnell durch ein Knopfloch des Rockes zu stecken. Nachdem der Überfall mit einem glänzenden Siege der Franzosen endete, trugen die Offiziere ihre Halstücher fortan nie mehr anders und machten ihre Manier sofort zur allgemeinen Mode, der sogar die Damen folgten.


Die Steinkerke ist bis tief in das 18. Jahrhundert hineingetragen worden. Der Schnitt des Herrenanzuges änderte sich nach Ludwigs XIV. Tod eigentlich nur dadurch, dass man die Schöße des Rockes und der Weste mit Wachstuch, Crin oder Papier abzusteifen begann, so dass sie von den Hüften ebenso abstanden wie der Reifrock von der Taille der Damen. Dadurch öffnete sich vorn der Rock, den man von nun an nicht mehr zuknöpfte und ließ die Weste sehen, die immer noch mit langen Schößen bis auf die Hälfte des Oberschenkels reichte. Die Ärmel des Rockes endigten am Ellenbogen in einer weiten Stulpe, aus welcher der Hemdärmel bis an das Handgelenk hervorbauschte, wo er in einer Spitzenmanschette endigte. Erst seit etwa 1730 beginnt man die Kniehose über dem Wadenstrumpf mit einer Schnalle zu schließen und hat dadurch jenes Kostüm hergestellt, das man bis etwa 1760 getragen hat. Für den Soldaten waren die langen Röcke mit den abstehenden Schößen unpraktisch und so beginnt man, zuerst zur Erhöhung der Beweglichkeit des Militärs die Schöße vorn zu beschneiden, so dass das Bein in seiner Bewegung nicht gehemmt wird.

Unter dem Einfluss des Militärs nimmt auch der Rock des Zivils langsam die gleiche Form an. Man schneidet die Rockschöße vorne schräg ab, die Ärmel werden lang und eng und so entsteht allmählich der Frack. Während die Weste in ihren Dimensionen zurückgeht, ihr Schnitt enger und ihre Schöße kürzer werden, behält man Kniestrumpf und Kniehose bei und der Schnitt der Herrenkleidung, der die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts beherrschte, ist fertig. Dieses Kostüm war reich und farbenprächtig, denn im Gegensatz zu heute, wo die männliche Kleidung in der Farbe unansehnlich geworden ist und sich auch in derberer Qualität der Stoffe wesentlich von jener der Damentoilette unterscheidet, waren dazumal beiden Geschlechtern alle Stoffe und alle Farben gemeinsam. Ein verliebtes Mädchen konnte aus ihrer Adrienne für den Schatz einen Rock schneidern, wie es z. B. Mademoiselle Silvestre für den der elterlichen Zucht entronnenen Philipp Caffieri tat. Ludwig XIV. trug 1697 ein Habit aus Goldbrokat, dick mit Gold bestickt, während man in der Folgezeit auf die Brokate verzichtete und den Luxus mehr in der kostbaren Stickerei suchte.

Ludwig XV. trug gelegentlich der dreitägigen Festlichkeiten zur Hochzeit seines Dauphin drei Kostüme, von denen jedes auf 15.000 Livres zu stehen kam. Für ihn entwarf der berühmte Kupferstecher Eisen die Zeichnung der Stickereien zu den Hof kleidern, fiel aber in dauernde Ungnade, als er die Dummheit beging, für sich selbst einen Rock mit den gleichen Verzierungen machen zu lassen und darin an den Hof zu gehen. Man stickte die Herrenröcke und Westen in Gold und Silber, bunter Seide, Füttern und Pailletten, wobei man darauf zu achten hatte, dass Sammetkleider reicher gestickt sein mussten als solche von Atlas. Wenn z. B. die Weste aus Silber- oder Goldstoff bestand, so mussten die Aufschläge des Rockes von demselben Stoff sein und mit der Stickerei der Weste übereinstimmen. In der Garderobe des preußischen Ministers Freiherrn von Bülow befanden sich 1734 außer anderem ein Purpurkleid mit Silber bestickt und taffetene Weste dazu; ein kaffeebraunes Kleid mit goldenen Troddeln; ein olivefarbenes Kleid ganz mit Silber bestickt. Für die Bestickung eines seiner Kleider mit Silber (man nannte damals auch den Herrenanzug „Kleid“) hatte Herr von Bülow 180 Taler gegeben, für eine einzelne Prachtweste 70 Taler, und das war verhältnismäßig billig. In einer Rechnung, die der Schneider Langner 1740 Friedrich dem Großen überreichte, erscheint der Macherlohn eines Rockes mit 10 Talern, der Stoff mit 20 Talern, der Besatz mit silbernen Marlytressen dagegen mit 85 Talern. Der Silbersticker Jean Pally berechnete dem Könige für die in Silber ausgeführte Stickerei eines blauen Rockes und ebensolcher Weste 1.000 Taler, wo man, um zum heutigen Geldwert dieser Summe zu gelangen, mit fünf multiplizieren muss.

Friedrich II., der als junger Mann auf einen prächtigen Anzug Wert legte und in der Farbe desselben blau und silber anscheinend ebenso bevorzugte, wie bei dem Bezug seines Mobiliars, ließ, um immer schöne Stickereien zu erhalten, Künstler von weither kommen. So finden wir in seinen Diensten einen böhmischen Sticker, Heynitschek, und später Joseph Genelli aus Kopenhagen, den Großvater des berühmten Bonaventura Genelli. Die Verschwendung in Farbe und Stickereien nahm noch zu, so dass Melchior Grimm im April 1760 aus Paris schreibt: „Die Pracht der Anzüge bei der Hochzeit des Herzogs von Chartres war bis zum Exzess übertrieben. Wohin soll dieser Überschwang des Luxus noch führen? Vor 15 Jahren erfand man für den Männeranzug Stoffe von drei Farben und glaubte, eine so frivole Mode könne nicht von Dauer sein. Seitdem aber hat man das Geheimnis ergründet, für eine ganze Palette von Farben aller möglichen Schattierungen auf dem Rücken eines Mannes Platz zu finden. Heute ist man schon soweit, die Goldund Silberstickereien ebenso abzutönen und mit Pailletten zu vermischen.

Wäre ich König von Frankreich, so würde ich für meine Person diese gotischen Moden ablegen, die aus einem bekleideten Franzosen das unwürdigste, unbedeutendste und lächerlichste Geschöpf machen, das jemals auf zwei Beinen ging.“ Um das Jahr 1780 war die Farbenzusammenstellung des Herrenanzuges etwa folgende: Blauer Frack, lila Weste, gelbe Hose ; nussbrauner Frack mit Kragen von schwarzem Sammet und einer Doppelreihe Knopflöcher, die mit Gold eingefasst waren, kirschrote, goldgalonierte Weste, schwarze Sammethose, grauseidene Strümpfe. Man benähte auch die Röcke mit goldenen und silbernen Tressen, ein Besatz, der gewisse Gefahren mit sich brachte. In Paris war es nämlich eine Zeitlang Mode geworden, dass die Damen als Handarbeit im Salon Tressen aufdröselten und den gewonnenen Goldfaden verkauften. Wenn sie nun Mangel an Stoff hatten, so fielen sie mit ihren Scheren über die anwesenden Herren her. schnitten ihnen mit sanfter Gewalt die Tressen von den Röcken und „parfilierten“ sie.
197. Watteau de Lille, La Loterie Royale

197. Watteau de Lille, La Loterie Royale

198. Janinet, L’ indiscrétion

198. Janinet, L’ indiscrétion

199. Anton Hickel, Charles James Fox, englischer Staatsminister

199. Anton Hickel, Charles James Fox, englischer Staatsminister

201. Thomas Gainsborough, George IV. als Prince of Wales, 1783

201. Thomas Gainsborough, George IV. als Prince of Wales, 1783

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