Die Frisur

Unter Ludwig XIV. war die große Allongeperücke aufgekommen, zu der sich der Monarch selbst aber erst bequemte, als er sein schönes Haar, auf das er sehr eitel gewesen war, verlor.

Wie die Fontange der Damen stieg die Herrenperücke über der Stirn hoch auf, meist gescheitelt und in zwei Türme dressiert, dann floss sie in langen Locken bis fast an die Taille. Man fertigte sie aus Menschenhaar, bei der starken Nachfrage genügte das aber bei weitem nicht, so dass man schließlich zu Rosshaar und Wolle greifen musste. Anfänglich blond, hellbraun oder schwarz, beginnt bald das Pudern derselben aufzukommen, das sich etwa um das Jahr 1700 allgemein durchgesetzt hat. Das Beispiel des Sonnenkönigs wirkte wie immer unwiderstehlich. Niemand war, der nicht die pomphaft majestätische Wolkenperücke angenommen hätte, und das trotz ihres hohen Preises und der hohen Steuern, die z. B. 1698 in Preußen darauf gelegt wurden.


Die große Allongeperücke war schwer, heiß und sehr kostspielig, 1.000 Taler konnte eine solche von blondem Haar kosten, ein Preis, den man, um auf den heutigen Geldwert zu kommen, mit fünf multiplizieren muss. Bergholz erzählt in seinen Erinnerungen von dem russischen Großkanzler Golowkine, der 1721 den Herzog von Holstein in einem Zimmer empfing, dessen größter Schmuck eine riesige blonde Perücke war. Der Kanzler war zu geizig, dieses kostbare Stück zu tragen. Sogar die Geistlichkeit beider Konfessionen griff zu ihr. Katholiken mussten sie beim Messelesen abnehmen, sie sollten nicht falsches Haar tragen, weil der Kopf die Weihen empfangen habe, eine Vorschrift, welche Bullen der Päpste Benedikt XIII. und Klemens XI. wiederholt einschärften.

Schließlich brachte man, um dieser Unbequemlichkeit abzuhelfen, in der Perücke eine kleine Klappe an, welche während der Messe gestattete, die Tonsur zu entblößen. Der Kardinal Ganganelli, später als Papst Klemens XIV. genannt, war zu seiner Zeit der einzige Angehörige des Kardinalkollegiums, der keine Perücke trug. Die protestantischen Geistlichen hatten, wie gewöhnlich, erst auf das heftigste gegen die Perücke als einen neuen Fallstrick des bösen Feindes gezetert, als sie sich dann aber auch entschlossen, sie aufzusetzen, taten sie es hauptsächlich, weil es den katholischen Geistlichen verboten war. 40 fanatische Flugschriften wurden über die Perückenfrage zwischen den hadernden Konfessionen gewechselt.

Die Protestanten haben dafür noch Jahrzehnte länger an ihr festgehalten als die übrige Menschheit; wenn Torheiten und Irrtümer nur alt sind, werden sie von selbst ehrwürdig. Nach dem Tode Ludwig XIV. tritt mit dem Wechsel in der Kleidung auch ein solcher in der Perücke ein. Sie türmt sich nicht mehr so hoch auf und die Überfülle ihrer Locken wird an den Seiten gekürzt, rückwärts aber in einen Beutel gesteckt, in Frankreich Crapaud genannt.

Die Haarbeutelfrisur bestimmt das Bild der männlichen Mode im 18. Jahrhundert. Der Beutel aus Seide oder gummiertem Tuch wurde mit einer großen, breiten, im Nacken sitzenden Schleife geschlossen oder mittels eines Bandes gehalten, welches leicht um den Hals lag. Das Seitenhaar flog in offenen Löckchen oder wurde zu festen Rollen gewickelt, die einfach, doppelt oder gar mehrfach an den Schläfen lagen. Als die Damenfrisuren unter Ludwig XVI. so extravagante Dimensionen annahmen, gab es Herrenfrisuren à la nouvel Adonis, die zwanzig dicke runde Locken um den Männerkopf legten. Das Stirnhaar wurde toupiert, lange Jahre hindurch in der geschwungenen Vergette, eine Mode, welcher die Damen ebenfalls huldigten, wie denn überhaupt die Haartracht für beide Geschlechter zwischen 1740 und 1760 ziemlich die gleiche war.