Der Klassizismus

Der Wechsel des Geschmacks, der um die Wende des Jahrhunderts sich von der höfischen Kultur abwandte, tat zugleich mit ihr die höfische Kunst in Bann. Das Akademische, Regelgerechte, das der tolle Übermut des Rokoko nur zurückgedrängt hatte, triumphierte in Gestalt der Antike.

Man wollte vornehme Einfachheit an Stelle der fratzenhaften Schnörkel und Voluten. Das Natürliche, zu dem man um jeden Preis zurückzukehren suchte, schien sich noch am reinsten in der schlichten Einfalt der Alten zu bieten. Ein Menschenalter vor der großen Revolution ist die Antike bereits das Schibboleth des Heils. Die unvermutete Entdeckung Pompejis, die aus langer Vergessenheit auftauchenden Tempel Siziliens und Unteritaliens, die Untersuchung der Ruinen von Athen und Spalato vereinigen sich, um der auf angstvoller Suche nach ursprünglicher Kunst begriffenen Menschheit das Ideal vorzutäuschen, nach dem sie strebte.


Der Einfluss der Winckelmann, Caylus, Adam, die ästhetischen Erörterungen der Diderot, Lessing und anderer taten dann das Ihre, um alle Gebildeten mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass der Antike der Vorzug in jedem Sinne gebühre. Bei der Wiederherstellung des alten guten Geschmacks griff man denn auch mit beiden Händen in den Formenschatz der antiken Architektur, zu deren herber Strenge dann unter den geschickten Händen der Künstler des 18. Jahrhunderts so viel Zierliches und Allerliebstes hinzutrat, dass aus der klassischen Kunst die puppige Eleganz wurde, die wir heute Zopfstil nennen.

Die Kunstanschauung der Zeit erhob die Nachahmung zum leitenden Grundsatz ihres Schaffens, aber man konnte sich doch nicht verhehlen, wie gewaltsam die Anpassung vor sich ging, mit der man das moderne Gegenwartsleben in die Säulenhallen und Pilasterstellungen zwängte. Auf dem Wege der Nachahmung konnte man ja ebenso gut versuchen, andere Gebiete der Stilgeschichte zur Verwendung zu erobern, als gerade nur die alleinseligmachende Antike. So begegnen wir auch wirklich schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts Versuchen in gotischer Baukunst.
081. Jean Marc Nattier, Mme. Adelaide, Tochter Ludwig XV.

081. Jean Marc Nattier, Mme. Adelaide, Tochter Ludwig XV.

082. Jean Marc Nattier, Maria Leszcynska, Gemahlin Ludwig XV., 1755

082. Jean Marc Nattier, Maria Leszcynska, Gemahlin Ludwig XV., 1755

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