Empfindung

Einer Epoche der Äußerlichkeit, die nur die Form geschätzt, hatte, folgte eine solche der Innerlichkeit, die das Wesen suchte und es in der Empfindungssphäre des Gefühlslebens zu finden meinte.

Der Endzweck des Lebens war nicht mehr der Genuss, sondern das Glück, nicht länger die Befriedigung der Lust, sondern die Erfüllung der Pflicht. Es war ein gewaltiger Umschwung der Anschauungen, der sich auf allen Gebieten des menschlichen Geistes geltend machte, der wie ein schöpferisches „es werde“ die Wissenschaft, die Kunst, die schöne Literatur zu neuem Leben erweckte.


Und diesen Umschwung verdankte die Welt die Philosophie, welche die Erziehung der Menschheit der Theologie entwunden hatte, verdankte Deutschland insbesondere Christian Wolff, einem Denker, der in seinen eigenen Werken und mehr noch durch die zahllosen Schriften seiner Schüler seine Zeitgenossen zuerst zu philosophischem Denken erzog, zu einer Lehre, deren Endzweck die Beförderung der Tugend, der moralische Fortschritt war. Und wie er am Beginn des Jahrhunderts, so steht am Ende desselben Kant, der einem zwiespältigen und zerrissenen Volk in dem ehernen Pflichtgebot seines kategorischen Imperativs ein Fanal errichtete, dessen Licht die Irrenden auf den rechtem Weg zusammengeführt hat.
007. Bonnard, Dame mit langem Schal

007. Bonnard, Dame mit langem Schal

008. Bonnard, Dame mit Schürzchen

008. Bonnard, Dame mit Schürzchen

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