Tollheiten

Die unter dem Beinamen „la belle de nuit“ bekannte Fürstin Golitzyn hatte sich einige etwas unbedachte Ausdrücke zu schulden kommen lassen. Der Kaiser befahl dem Grafen Pahlen, ihr deshalb „den Kopf zu waschen“. Pahlen fuhr zur Fürstin, verlangte ein Waschbecken nebst Seife, Wasser und einem Handtuch, trat, als man ihm alles dies gebracht hatte, (ehrerbietig) auf die Fürstin zu, nahm ihr ehrerbietig die Haube vom Kopfe und wollte seine Operation beginnen. „Was machen Sie, Heer Graf?“ rief die Fürstin. ,,Ich erstatte den Willen Seiner kaiserlichen Hoheit,“ antwortete der Graf, „Seine Majestät hat mir befohlen, Ihnen den Kopf zu waschen.“ Nachdem er ihr gründlich den Kopf gewaschen, machte er ihr eine Verbeugung und brach auf, um dem Kaiser zu melden, daß er seinen Befehl vollstreckt.

Aus diesen und noch vielen andern Vorfällen sieht man, daß Paul leider an zeitweiliger Geistesstörung litt, eine Folge seines traurigen, einsamen Lebens. Sein Verdacht richtete sich gegen alle ohne Ausnahme, und als das Michaelspalais fertig und er dahin übergesiedelt war, wurde er so mißtrauisch, daß er sogar an der guten Gesinnung der kaiserlichen Familie zu zweifeln begann. Schwere Wolken zogen am Horizonte auf und häuften sich immer mehr und mehr, die Leidenschaften wüteten, der Boden war unterwühlt, und mitten in Petersburg erhob sich die von ihm errichtete Zwingburg, welche mit Fallbrücken und einer Wache ausgestattet war. Niemand verstand ihn, und trotzdem, daß er mit vollen Händen seine Gnadengaben austeilte, vermochte er doch keinen einzigen von den seine Umgebung bildenden und von ihm mit Wohltaten überhäuften, wirklich hohlen und unfähigen Männern für sich zu gewinnen. Alle, sowohl die Guten wie die Schlechten, waren um ihre eigene Person besorgt, niemand war davor sicher, bei dem ersten Zornesausbruch nach Sibirien verschickt zu werden.