Pauls Entwickelung

Paul wird immer ein psychologisches Rätsel bleiben. Mit seinem guten, wann fühlenden Herzen, seiner hochherzigen Gesinnung, seinem hellen Verstande, seiner leidenschaftlichen Gerechtigkeitsliebe, bei all seiner an alte Zeiten erinnernden Ritterlichkeit, — war er der Schrecken seiner Untertanen. Die Frage, ob er wirklich ein Tyrann sein wollte, oder ob ihn die Verhältnisse als solchen erscheinen ließen, bleibt offen. Während der ganzen Zeit, wo seine Mutter regierte, befand er sich in einem Zustand der Erniedrigung, mußte sogar vielfach mit samt seiner Familie Mangel leiden. Die Favoriten, die Großen des Thrones ließen es an der geziemenden Hochachtung ihm gegenüber fehlen, sei es um Katharina zu gefallen oder aus Gemeinheit, weil sie sich vor ihrem Zorn fürchteten, und als es bei Hof bekannt wurde, die Kaiserin gehe mit der Absicht um, an seiner Stelle Alexander zum Thronerben zu ernennen, wie viel Kränkungen mußte er da nicht erdulden! Die glänzenden Einrichtungen Katharinas fanden bei seinem gereiften Verstande keinen Beifall, schienen ihm mit dem Geiste des Volkes und seiner niedrigen Kulturstufe nicht im Einklang zu stehen. — „Die Kaiserin,“ hörte man in Gatschina sagen, „hat Gerichte nach europäischem Muster eingeführt, aber nicht daran gedacht, vorher für die nötigen Richter zu sorgen.“ — „Der Nakas der Kaiserin,“ behauptete er, „ist eine reizende Spielerei, damit streut sie den Ausländern Sand in die Augen, betrügt ihre Großen und alle sind ganz benommen davon, aber eine Ausführung der darin enthaltenen schönen Lehren ist ganz unmöglich.“

Es ist ganz natürlich, daß er infolge der ihm beständig widerfahrenden Kränkungen alles bekrittelte, alles schädlich fand. Dienstfertige Höflinge hinterbrachten dies der Kaiserin; man teilte ihm verschiedene Aussprüche der Kaiserin mit, die sie vielleicht niemals getan hatte; so wurde das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn mit jedem Tage immer mehr und mehr untergraben; was aber das schlimmste war, beider Herzen blieben nicht ganz frei von Bosheit. Seine Heftigkeit war allgemein bekannt. Wenn es erforderlich war, den Bestand seiner gatschinaschen Offiziere aus den Reihen der Seebataillone zu komplettieren, so wollte kein ordentlicher Mensch zu ihm; nur diejenigen gingen zu ihm, denen an den aus dem Arsenal Seiner Hoheit gelieferten Uniformen, Stiefeln, Handschuhen und einem schnellen Avancement mehr gelegen war, als an einer anständigen, rücksichtsvollen Behandlung der Offiziere. Das wußte er, ärgerte sich darüber, wurde aber immer verstockter, anstatt sich zu bessern.