Ssmolensk

Allein auch andre Gefangene bestätigten das bis nach Ssmolensk hin. Hier machten wir Halt, um die Vereinigung mit der zweiten Armee, welche unter dem Oberbefehl des Fürsten Bagration stand, abzuwarten.

Barkley de Tolly übertrug mir ein neues Amt, dasjenige eines Generalgewaltigen bei der Armee; zum Chef des Stabes war schon vorher der Generalmajor Jermolow ernannt worden. Barkley erteilte mir den Befehl, zwölf Marodeure erschießen zu lassen. Ich wagte es, ihm darüber Vorstellungen zu machen, daß man die Leute nicht als Marodeure betrachten könne, sondern daß es ermüdete Mannschaften seien, weiche hinter ihren Abteilungen zurückgeblieben wären. Außerdem würde dies der erste Fall in der russischen Armee sein, daß Soldaten auf Befehl eines Oberbefehlshabers mit fremdländischem Namen erschossen werden, und daß die Ausführung dieses Befehls auch einem Ausländer übertragen wird. Barkley bestand auf seinem Willen; ich ließ mich krank melden. Es wurde der Generalmajor Fock beordert und die Soldaten erschossen.


In der Nacht werde ich geweckt und man meldet mir, daß General Fock am Schlage gestorben sei. Ich war wieder gesund geworden, lasse mich bei Barkley melden und erstatte ihm darüber Bericht.

„Glauben Sie nicht, daß Gott ihm deshalb das Leben genommen, weil er die Soldaten hat erschießen lassen?“

„Das weiß ich nicht,“ antwortete ich, „ich mische mich nicht in Gottes Angelegenheiten; ich weiß nur so viel, daß Fock am Morgen die Soldaten hatte erschießen lassen und am Abend gestorben ist.“

Nach Vereinigung beider Armeen wurde der General der Kavallerie, Rajewski, in Ssmolensk zurückgelassen, um die Stadt gegen den Feind zu verteidigen; die erste Armee überschritt den Dnjepr und schlug unweit Ssmolensk ihr Hauptquartier auf, wo sich Barkley im Hause eines Geistlichen einquartierte. General Rajewski kämpfte den ganzen Tag gegen die Franzosen, und als er den Rückmarsch angetreten hatte, erging der Befehl, ihn durch Konownitzyn, der gleichfalls kommandierender General war, zu ersetzen; ich erhielt Ordre, mit einer Schwadron des Jngermannsländischen Dragonerregiments während des Bombardements von Ssmolensk durch die Franzosen die polizeiliche Aufsicht zu führen, und nach dem Abmarsch Konownitzyns ihm nachzufolgen, das Muttergottesbild von Ssmolensk aus der Stadt zu schassen, die Brücke zu verbrennen und mich darauf beim Oberfeldherrn einzufinden. Konownitzyn kämpfte einen ganzen Tag beim Malachowschen Tore. An dieser Stelle muß ich eines Vorfalls Erwähnung tun, der für unsern Soldaten charakteristisch ist.

Konownitzyn sagte zu mir: „Die hinteren Reihen haben sich gelichtet; augenscheinlich haben sich die Soldaten in die Stadt begeben; lassen Sie dieselben ausfindig machen und zu mir schaffen.“

Ich ritt in die Stadt und erfuhr da, die Soldaten hätten davon gehört, daß ein Vorrat an Zwieback für die Armee bereit liege, und sich aufgemacht, um denselben zu holen. Ich begebe mich aufs Rathaus und treffe sie dabei, wie sie ihre Taschen mit Zwieback anfüllen.

„Schämt ihr euch nicht, Leute! Macht, daß ihr auf euren Posten kommt.“

„Erbarmen Sie sich,“ antworteten sie, „alles dies wäre doch den hungrigen Franzosen zugefallen.“

Ich versammelte sie auf dem Hofe des Rathauses und brachte sie, unter Begleitung der Schwadron, zu Konownitzyn; dieser Vorfall ereignete sich während des allerheftigsten Bombardements aus die Stadt. Abends stellten die Franzosen das Feuer ein. Konownitzyn trat den Rückmarsch zur Armee an, ich ließ daraus das Ssmolensksche Muttergottesbild hinaustragen, die Brücke anzünden und verfügte mich ins Hauptquartier.

Im Hausflur sah ich Jermolow und Zakrewski auf Stroh liegen.

„Wie lautet der Befehl aus morgen?“ fragte ich sie.

„Geh du zu ihm,“ antwortete Jermolow, „uns hat er auf russisch gesagt: ,Ich will schlafen‘; vielleicht hast du mehr Gluck, wenn du ihn auf deutsch danach fragst.“