Praktische Philosophie

„Nun, Teuerster,“ sagte Armfeld zu mir,, „ich habe Ihnen das vorausgesagt und Sie wollten weder auf mich noch auf Vernegues hören. Dieser Schuft von Balaschow, gerade, weil er ein Schuft ist, hat sich wieder emporgerichtet, und seine Stellung ist unerschütterlich feit. Man fürchtet sich vor ihm und ich fange an zu glauben, daß Ssperanski ein ehrenhafter Mann ist, weil er und Sie die Sache werden ausbaden müssen.“

Ich: „Was ist dabei zu machen? Ich kann Sie aber versichern, daß ich, wenn die Sache wieder von vorne angefangen werden könnte, nicht anders handeln würde.“


Armfeld: ,,Ihre Mutter hätte Sie, mein Herr, in dem Zeitalter der Ritter von der Tafelrunde zur Welt bringen sollen.“

Ich: „Das ist eine bittre Ironie, ich sehe sehr gut den Abgrund, der sich vor mir ausbreitet; ich bin bereit, mich in denselben zu stürzen, aber meinen Grundsätzen will ich nicht untreu werden.“

Armfeld: „Noch ist nicht alles verloren. Der Kaiser hat Ihnen eine Arbeit über die Ministerien aufgetragen, gehen Sie Ssperanski gehörig zu Leibe, das wird Beifall finden.“

Ich: ,,Sie machen mir die Ehre, mich einen Ritter von altern Schlage zu nennen, und jetzt raten Sie mir zu den niedrigen Mitteln unsrer Zeit, einzig und allein, um Karriere zu machen. Verlohnt das wohl der Mühe, wenn das ganze Leben und alles, was drum und dran ist, keinen Heller wert ist?“

Armfeld: „Ich wünschte, ich könnte die Philosophie verstehen, welche Ihnen diese Prinzipien eingeprägt hat. Ja, wenn die noch irgend jemand damit retten könnten, dann ließe ich es gelten, aber ich sage Ihnen, das ist unmöglich und Sie gehen ins Verderben, für wen aber as?“

Ich: „Für die gute Sache und für die heilige Wahrheit.“

Armfeld: „Papperlapapp! Sie müssen wissen, daß Ssperanski, ob er nun schuldig ist oder nicht, geopfert werden muß; das ist unumgänglich notwendig, damit die Nation sich um das Staatshaupt schart und für den Krieg, der ein nationaler werden muß.“

Ich: „Wohl möglich, aber warum zu so unwürdigen Mitteln seine Zuflucht nehmen. Gesetzt, man schlüge mir vor, mich zu opfern, so würde ich das mit freudigem Herzen tun. Für eine gute Sache zu sterben, ist ein beneidenswertes Los.“

Armfeld: „Und stehen diejenigen, mit welchen Sie es zu tun haben, auch auf dieser Höhe? Verstehen sie den edlen Trieb zur ritterlichen Selbstaufopferung? Welche andern Mittel können also die Monarchen haben, als Denunziation, Verleumdung u. s. w. Tun Sie mir den Gefallen, schicken Sie Ihre Philosophie zum Teufel und leben Sie so wie wir.“

Ich: „Mit Vergnügen, denn ich habe beschlossen, meinen Abschied zu nehmen.“

Armfeld: „Wieder eine Torheit. Adieu!“