Persönliche Erlebnisse

Jetzt muß ich den Leser bitten, seine Aufmerksamkeit für einige Augenblicke meiner eigenen Person zuzuwenden. Zwei Wochen vor dem Tode des Kaisers Paul hatte ich, ungeachtet der Bitten meiner Freunde und der Ermahnungen meiner Vorgesetzten, ein Gesuch um Entlassung aus dem Dienste eingereicht. Ich entschloß mich dazu, weil ich die Tränen meiner Frau nicht mehr ansehen konnte, welche in beständiger Angst um mich war, wenn sie hörte, daß einer ober der andre von den Offizieren unglücklich oder außer Dienst gesetzt sei. Nach der Thronbesteigung des Kaisers Alexander aber rieten mir alle, mein Gesuch zurückzuziehen; das schien mir aber wenig taktvoll. „Was wird der Kaiser sagen?“ dachte ich; „meinem Vater hat er nicht dienen wollen, und nun bittet er wieder um seine Anstellung.“ Niemand, und am wenigsten ich selbst, vermochte es, diese thörichte Idee aus meinem jungen und unerfahrenen Kopfe zu vertreiben. Vierzehn Tage nach der Thronbesteigung erhielt ich meinen Abschied. Jetzt erst kam mir der Gedanke, an mich selbst die Frage zu richten, was ich unternehmen sollte. In Petersburg zu bleiben war unmöglich, und an Mitteln besaß ich geradezu gar nichts. Nach langer Überlegung, welche auch hätte kürzer sein können, entschloß ich mich, meine Möbel und alles Nötige, aber auf der Reise Unnütze zu verkaufen und dann zu verreisen; aber wohin? Im Gouvernement Nischni Nowgorod besaß ich ein ödes Stück Land von etwa dreihundert Deßjätinen [1Desjatine entspricht 1,09 Hektar]. „Wollen wir dahin reisen,“ sagte ich zu meiner Frau, „eine Wirtschaft einrichten, Ackerbau treiben.“ Wir zählten unser Geld und fanden, daß es für die Reise nicht ausreicht. Zum Glück war ein guter Bekannter und Freund, der, gleich mir, auch seinen Abschied genommen hatte, gerade im Begriff, auf seine Besitzungen im Gouvernement Nischni Nowgorod zu reisen. Dieser machte mir den Vorschlag, die Reise gemeinschaftlich zu Wasser zurückzulegen. Was war da lange zu überlegen? Es wurde ein großes, verdecktes Fahrzeug gekauft, welches wir in zwei Hälften teilten; ich, meine Frau und mein Sohn richteten uns gemeinsam mit A. P. auf dem Schiff ein und machten uns auf die Reise, um unsre Tage der Landwirtschaft zu widmen. Mein ursprünglicher Plan erweiterte sich dadurch, daß A. P. mir vorschlug, zu ihm auf sein Gut zu reisen und dort zu leben, bis ich in meiner Einöde festen Fuß gefaßt hätte. Der Vorschlag wurde in einer recht delikaten Form gemacht, denn er versicherte, ich könnte ihm bei seinen landwirtschaftlichen Arbeiten behilflich und nützlich sein. Warum sollte ich nicht darauf eingehen, um so mehr, als unsre Reise dadurch einen bestimmten Zweck erhielt?