Paul und Napoleon

Zu dieser inneren Stimmung der Gemüter kam noch der schwere Druck der äußeren Beziehungen unsres Hofes zu den übrigen europäischen Staaten. Der Kaiser wechselte schnell seine Überzeugung. Von wahrhaft ritterlichem Geiste beseelt, war er voller Entrüstung über die Roheiten der französischen Revolution und plötzlich trat er aus Bewunderung für den Mann, welcher unter dem bescheidenen Titel eines ersten Konsuls mit fester Hand die Zügel der Regierung in Frankreich ergriffen hatte, offen auf seine Seite und wandte seinen Haß gegen England und Österreich. Napoleon verstand es meisterhaft diese Vorliebe des Kaisers für ihn auszunutzen. Nach dem österreichisch-englischen Kriege waren in Frankreich sechstausend Mann russischer Gefangener zurückgeblieben. Napoleon schrieb an den Grafen Nikita Petrowitsch Panin, er habe Österreich und England einen Austausch der russischen Gefangenen vorgeschlagen, die ihr Blut für diese Staaten vergossen, jene aber wären auf seinen Vorschlag nicht eingegangen. Deshalb habe er sich dazu entschlossen, diese Gefangenen mit Kleidung und Waffen zu versehen und samt ihren Offizieren, Fahnen u. s. w. ohne Lösegeld nach Russland abziehen zu lassen. Er habe den Wunsch, der Gefangenschaft dieser tapfern Leute ein Ende zu machen und damit vor aller Welt zu bezeugen, wie groß die Hochachtung der Franzosen vor den russischen Kriegern sei, deren Tüchtigkeit sie auf dem Schlachtfelde kennen gelernt. Hierdurch stieg Napoleon natürlich noch mehr in der Achtung Pauls und der Kaiser ließ ihm bereits öffentlich seine volle Anerkennung zu teil werden; er bestellte ein Glas Malaga und leerte es auf das Wohl Napoleons; darauf ließ er sich die Karte von Europa bringen, breitete sie auf dem Tische aus, bog sie in zwei Hälften, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und sagte:

„Nur so können wir Freunde bleiben!“


Napoleon ging noch weiter. Mit großem Geschick erfasste er den charakteristischen Zug Pauls, der ein echter Ritter war. Er bot ihm die Insel Malta an und sprach dabei den Wunsch aus, Paul solle sich zum Großmeister des Ordens ernennen. Napoleon wußte, daß die Engländer Malta nicht abtreten würden, und dass Paul, durch ihre Haltung gereizt, ihnen den Krieg erklären würde, was in der Tat auch geschah.

Schon im Jahre 1780 hatte Katharina wahrend des amerikanischen Krieges den Neutralitätsvertrag der Nordstaaten zustande gebracht. Im Jahre 1800 schloß Paul, ihrem Beispiele folgend eine ähnliche Konvention mit Dänemark, Schweden u. s. w., um der Allgewalt der englischen Kreuzerflotte Schranken zu setzen. Als Paul davon Nachricht erhielt, daß die englische Flotte vor Kopenhagen erschienen, befahl er den gesamten Besitz der Engländer in Russland zu beschlagnahmen. Die Engländer fassten das als Kriegserklärung auf, und ihre Flotte bedrohte Kronstadt und sogar Petersburg selbst. Diesen Umstand machte sich unsre aristokratische Partei zu Nutzen, in deren Mitte der tolle Plan entstanden war, Paul vom Throne zu stürzen. Man verbreitete in Petersburg allenthalben Angst und Furcht wegen des baldigen Erscheinens der Engländer, wegen des Bombardements von Kronstadt und prophezeite Petersburg den unvermeidlichen Untergang, um dadurch das ohnehin schon unzufriedene Publikum vorzubereiten . . .