Narbonne in Wilna

Ich setzte mich mit dem Kahal der Wilnaschen Juden in Verbindung und schickte auf ihre Verantwortung einen Juden nach Warschau, der Waren dahin brachte; von diesem erhielt ich die erste Nachricht von der bevorstehenden Ankunft Narbonnes in Wilna und eine Proklamation Napoleons an seine Soldaten zugeschickt, die ich Barklay vorlegte, da ich nicht von meiner Erlaubnis, persönlich mich an den Kaiser zu wenden, Gebrauch machen wollte, in der Befürchtung, es könnten wieder Missverständnisse entstehen.

Der Minister erstattete dem Kaiser Bericht und dieser drückte mir seine Erkenntlichkeit aus.


Um eben dieselbe Zeit gelang es mir, die einem unsrer Kommissionäre entwendete, dem Fiskus gehörige Summe von siebenundzwanzigtausend Rubel Banko wiederzufinden. Das Geld wurde bei polnischen Edelleuten auf dem Lande gefunden, die es unter der Erde vergraben hatten.

Zu derselben Zeit wurden die Beziehungen des Wilnaschen Kaufmanns Menzel zu dem Herzogtum Warschau aufgedeckt.

Narbonne wurde vom Kaiser Napoleon zum russischen Kaiser abgesandt, um demselben zur glücklichen Ankunft in Wilna zu gratulieren. Der von mir in Kowno als Polizeimeister angestellte Major Bistram benachrichtigte mich per Estafette, daß Narbonne auf Nebenwegen ankommen würde, damit er nicht unsre Artillerieparks u. s. w. zu sehen bekomme; so geschah es auch.

Als Narbonne in Wilna eingetroffen war, wurde mir vom Kaiser befohlen, ein wachsames Auge auf ihn zu haben. Ich erteilte Weiß den Auftrag, die Kutscher und Bedienten für ihn aus den bei der Polizei dienenden Offizieren auszuwählen. Während Narbonne, einer Einladung des Kaisers folgend, einer Theatervorstellung in seiner Loge beiwohnte, wurden die mit ihm eingetroffenen Franzosen trunken gemacht, seine Schatulle geraubt, in Gegenwart des Kaisers geöffnet, die ihm von Napoleon selbst erteilte Instruktion abgeschrieben und dem Kaiser vorgelegt. Die Instruktion enthielt in Kürze folgendes: zu erfahren, wie groß die Anzahl der Truppen, der Artillerie u. s. w., wer die kommandierenden Generäle und was es für Leute seien, wie der Geist im Heer und die Stimmung der Einwohner sei, wer beim Kaiser am meisten Vertrauen genieße; ob nicht irgend welche Frauen in einem besonders intimen Verhältnis zum Kaiser stünden; insbesondere aber sollte in Erfahrung gebracht werden, in welcher Gemütsverfassung sich der Kaiser befinde und ob man nicht mit seiner Umgebung Verbindungen anknüpfen könne.

Der Kaiser war hiermit so zufrieden, daß er mich fragte, ob ich nicht einen Wunsch habe.

Ich erwiderte: „Ich bin so reich mit den Gunstbezeugungen Eurer Majestät bedacht worden, daß ich nichts zu bitten wage.“

Der Kaiser gab nicht nach, erinnerte mich daran, daß ich Frau und Kinder habe und verlangte, ich solle einen Wunsch aussprechen.

Zum Sprechen gezwungen, sagte ich: „Geruhen Eure Majestät zu befehlen, daß mir die zweihundert Rubel Banko wiedererstattet werden, welche ich für das Buch ,Die Feldzüge des Prinzen Karl‘ ausgelegt habe.“

„Das hatte ich ganz vergessen,“ antwortete der Kaiser, „ich werde Tolstoi befehlen, dir das Geld abzugeben.“ In der Tat erhielt ich es von letzterem ausgezahlt.