Moskauer Aristokratie

Die gesamte Aristokratie Moskaus speiste damals um zwei Uhr und auf niemand wurde zum Mittagessen gewartet; „ein jeder muß es wissen,“ pflegte man zu sagen, „zu welcher Stunde im Hause gespeist wird, sich zu verspäten ist unpassend und unhöflich.“ Das Mittagessen bestand aus einer verschwenderisch großen Zahl von Schüsseln; hinter dem Stuhl fast eines jeden Tischgenossen stand ein Lakai in Livree; kein Wunder, denn das Hauspersonal zählte damals bis zu hundert und zweihundert Menschen. Man erzählte sich, daß zur Beerdigung des Grafen Peter Borissowitsch Scheremetjew alle Diener des Hauses, über fünfhundert an der Zahl, in Trauerröcken den Sarg begleitet und das letzte Glied in dem feierlichen Beerdigungszuge gebildet hatten. Während der Tafel hatte die Oberaufsicht über das Ganze der Speisemarschall, frisiert, gepudert, mit seidenen Strümpfen, Schnallenschuhen und einer breiten, goldenen Tresse auf dem Kamisol [Jacke]; das Essen trugen die Offizianten auf, gleichfalls gepudert, mit feinen baumwollenen Strümpfen, Schuhen und einer ganz schmalen goldenen Tresse auf dem Kamisol. Man mußte staunen über die Ordnung, Ruhe und Pünktlichkeit, mit welcher bei Tisch bedient wurde. Alles dies wurde in verkleinertem Maßstabe auch in den weniger bemittelten adligen Häusern eingehalten. Den Reichen es nachmachen zu wollen, war stets eine Schwäche der Minderbegüterten. Zum Ball im adligen Klub versammelte man sich um sieben Uhr abends, in Privathäusern aber um sechs, und blieb bis zwei oder drei Uhr zusammen, bei Wolynski aber bis zum Morgen. Das Tanzen mit Stiefeln war nicht gestattet und galt für eine Nichtachtung den Damen gegenüber. Der Ball wurde mit einem Menuett eröffnet, besonders beliebt war das menuet à la Reine; hieraus fand der feierliche Aufzug zur Polonaise statt, unter den ersten Paaren die Männer in hohen Würden, denen das übrige Publikum folgte. Bisweilen wurde auch eine runde Polonaise getanzt, darauf begann die Anglaise, in welche die Mazurka eingeschoben wurde, sodann die Walzer-Quadrillen und die durch ihre Hüpfer ganz besonders schwierige französische Quadrille, ausgezeichnet durch ihre contre-temps en avant, contre-temps en arrière, pas de pigeon u. s. w. Den Schluß des Balles bildete der geräuschvolle Tanz à la Grecque, oder der Großvatertanz, welcher von dem gefangenen schwedischen Vizeadmiral Grafen Wachtmeister eingeführt worden sein sollte.