Freimaurer und Illuminaten

„Ich bin in meiner Jugend in Reval aufgenommen; hier habe ich auf Befehl des Ministers die Loge Astraia besucht.“

„Ich weiß; das ist die Loge Beber. Er ist ein Mann, der es ehrlich meint; mein Bruder Konstantin besucht seine Loge. Sind Ihnen alle in Petersburg befindlichen Logen bekannt?“


„Außer der Loge Astraia gibt es noch die Logen Sherebtzow und Labzin.“

„Aber die Loge Ssperanski, haben Sie die vergessen?“

„Ich habe von derselben, Majestät, gar keine Vorstellung.“

„Möglich; nach Armfelds Ansicht ist das eine Illuminatenloge, und Balaschow behauptet, daß sie des Sommers sich im Garten bei Rosenkampf versammeln, im Winter aber im Hause bald des einen, bald des andern. Können Sie nicht in diese Loge eintreten?“

„Majestät! Wenn das wirklich ein Illuminatenorden ist, so ist derselbe ganz verschieden von dem Freimaurerorden; hier hat jeder Freimaurer zu jeder Loge Zutritt; um aber an der Versammlung jener teilnehmen zu können, muß man Illuminat sein.“

„Balaschow ist selbst in die Loge Sherebtzow eingetreten.“

„,Ich weiß das, Majestät, vom Minister selbst, und wundere mich, wie ein Polizeiminister unter die Mitglieder hat aufgenommen werden können.“

Der Kaiser lachte.

„,Ich glaube, es wird nicht schwer sein, auf der Post die Korrespondenz der Illuminaten mit ihrem Chef Weishaupt abzufangen? Balaschow meint, daß Ssperanski Regent bei den Illuminaten sei. Weshalb sind Sie nicht in die Loge Sherebtzow eingetreten?“

„Ich habe das deutsche Ritual vorgezogen. Es ist einfacher; das französische ist zu kompliziert, theatralisch, und entspricht nicht dem wahren Zweck der Freimaurerei.“

„Ich kann es nicht verstehen, worin dieser Zweck besteht.“

„Die Worte ,Illuminat‘, ,Freimaurer‘ haben geradezu etwas Verletzendes angenommen; im Grunde genommen sind aber die Logen ursprünglich nichts andres, als eine Schule der geistigen Entwicklung und Veredelung des Menschen, über die Missbräuche will ich nicht sprechen; wo gibt es deren nicht?“

„Und darum darf es keine vor der Regierung geheim gehaltene Logen geben; die Logen Ssperanski oder Rosenkampf müssen aber die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken.“

„Wenn Eure Majestät doch geruhen wollten, Ssperanski selbst über alles auszufragen; ich bin so gut wie überzeugt davon, daß er Eurer Majestät gegenüber über alles ganz offen sprechen wird.“


„Das ist noch die Frage. Er ist ein sehr feiner und schlauer Kopf; er mühte es mir von selbst eingestehen, indessen, Sie treten sehr energisch für ihn ein.“

„Majestät, ich kenne Ssperanski gar nicht; er kann das Ihnen selbst bestätigen. Ich denke gar nicht daran, für Ssperanski einzutreten, sondern tue es für einen Menschen, der vielleicht verleumdet wird. Es sind deutliche, unanfechtbare Beweise nötig, und bei wem verleumdet? Bei dem Kaiser, unsrer aller Herrn, vor dem, wie vor Gott, es nichts Geheimes geben darf.“

Der Kaiser küsste mich auf die Stirn und sagte: „Für sich selbst treten Sie noch besser ein.“