Die gute alte Zeit

Damals waren alle der Überzeugung, daß die Familienbände und die häusliche Erziehung die Grundlage für die Kraft und die Sicherheit des Staates bilden, und daß die Grundsätze, die Gefühle der Väter und ihr gutes Beispiel die Liebe zum Zaren und zum Vaterlande mehren, sich von Geschlecht zu Geschlecht forterben und auch den andern Ständen als Vorbild dienen. In der Tat war das Leben damals mehr auf das Praktische gerichtet; es waren weniger Ideen im Umlauf, als heutzutage, und selbst diese wenigen hatten ohne Tatsachen keine Bedeutung. Junge Leute in der Militäruniform nähern sich leicht einander, und unser Verhältnis wurde von Tag zu Tag, oder vielmehr von Stunde zu Stunde ein immer innigeres. Ist es zu verwundern, daß ich von solchen Leuten, wie es die jungen Nestorows waren, alles dasjenige anzunehmen bestrebt war, was mir, meiner Ansicht nach, noch abging. Wie soll man nicht jenem Autor, auf dessen Namen ich mich augenblicklich nicht besinnen kann, beistimmen, wenn er sagt, daß wir wegen unsrer Nachahmungssucht den Affen sehr nahe stehen, aber mit dem Unterschied, daß wir nicht alles annehmen, wie die Affen, sondern nur dasjenige, was uns gefällt! Da ich an meinen Kameraden etwas Höherem begegnete, was ich an mir selbst vermißte, so nahm ich ihre Anschauungen und Manieren an, eignete mir auch unmerklich ihre Art an, sich als vornehme, reiche Herren zu fühlen, und zwar mit so gutem Erfolge, daß ich oft in meinem spätern Leben, ohne einen Rubel in der Tasche, immer den Eindruck eines, wenn auch nicht reichen, so doch vermögenden Mannes zu machen verstand. Als das Verhältnis zu meinen Kameraden immer intimer wurde, bemerkte ich zu meinem großen Erstaunen, daß dieselben inmitten all des Überflusses im Hause über wenig Barmittel verfügten, dabei benahmen sie sich aber so, als hätten sie die Taschen voller Dukaten. Dieser Mangel an barem Gelde bei den Kindern hatte folgenden Grund: Zu jener Zeit begnügten sich die Kinder mit dem von den Eltern ausgesetzten jährlichen Unterhalt; seine Eltern mit Bitten zu belästigen, galt für erniedrigend. Ein noch so geringfügiges Geschenk der Altern an ihre Kinder wurde von letztem mit lebhaften Dankesgefühlen angenommen. Ich erinnere mich, wie der Vater seinem Sohne, dem Gardehauptmann, 25 Rubel Banko*) zum Geburtstage schenkte und wie letzterer diese Gabe mit aufrichtigen Dankesworten entgegennahm. Nicht auf den Wert des Geschenkes, pflegte man damals zu sagen, kommt es an, sondern darauf, daß die Eltern einem eine Aufmerksamkeit erweisen. Jetzt wurde es mir verständlich, warum meine Mutter sich durch meinen Besuch so verletzt fühlte, war es doch nur meine Geldverlegenheit, die mich zur Reife veranlaßt hatte.

*) Etwa 20 Mark.