Der Regierungsantritt

Um neun Uhr morgens trat Richardson in das Zimmer, wo sich der Großfürst und die Großfürstin befanden, und meldete ihnen, daß Katharina in den letzten Zügen liege. Paul befahl sofort den großfürstlichen Prinzen und Prinzessinnen sich mit der Hofdame Lieven in das Schlafgemach zu begeben. Alle stellten sich um die Sterbende in folgender Ordnung auf: der Großfürst und die Großfürstin rechts, links die Doktoren und die gesamte Dienerschaft der Kaiserin; zu Häupten Pleschtschejew und Rostoptschin und zu Füßen Fürst Zubow, Graf Zubow u. a. Der Atem der Kaiserin wurde immer schwerer, langsamer, endlich stieß die Große den letzten Seufzer aus und verschied . . .

Ihre Gesichtszüge, welche bis dahin von Leiden entstellt gewesen waren, gewannen sofort nach dem Tode die frühere Anmut und majestätische Würde wieder.


Während der ganzen Zeit stand die kaiserliche Familie und alle Anwesenden mit gesenktem Haupte da. Endlich trat der Großfürst, von Tränen überströmt, sich scheinbar mit Geraalt von der Leiche seiner Mutter losreißend, ins Nebenzimmer. Laute Klagen der Dienerschaft und aller derer, welche der Kaiserin nahe gestanden hatten, erfüllten das Schlafgemach. Aber das Weinen und Schluchzen reichte nicht über dieses Zimmer hinaus. An einer andern Stelle ließ schon der Oberzeremonienmeister Walujew alle sich zur Eidesleistung versammeln und erschien mit der Meldung, daß in der Hofkirche alle Vorbereitungen dazu getroffen seien. Der neue Kaiser betrat mit der gesamten kaiserlichen Familie, in Begleitung derjenigen, welche sich im Palais eingefunden hatten, die Kirche und nahm den für den Kaiser bestimmten Platz ein. Alle sprachen der Geistlichkeit die Eidesformel nach. Die Kaiserin Maria Fedorowna trat auf den Kaiser zu und wollte vor ihm auf die Kniee niederfallen, aber der Kaiser hielt sie davon ab, ebenso wie auch seine Kinder. Alle küssten das Kreuz, das Neue Testament und traten, nachdem sie ihren Namen unterschrieben, zum Kaiser heran, um ihm die Hand zu küssen. Nach Schluß der Eidesleistung begab sich der Kaiser direkt in dag Sterbezimmer seiner Mutter, welche schon im weißen Gewande auf dem Bette dalag. Der Kaiser verneigte sich tief vor ihr und ging darauf in seine Gemächer. Dem Grafen Bezborodko wurde aufgetragen, ein Manifest abzufassen und den in Moskau lebenden Fürsten Kurakin nach Petersburg zu entbieten. Graf A. G. Orlow befand sich nicht im Palais und war bei der Eidesleistung nicht zugegen gewesen. Der Kaiser schickte Rostoptschin und N. P. Archarow zu ihm, um ihn vereidigen zu lassen.

„Ich will es nicht haben, daß er den 29. Juni vergißt,“ fügte der Kaiser hinzu.