Anlagen und Neigungen

In friedlicher Lage bin ich langweilig, unzufrieden mit mir und andern, im Kampf mit dem Schicksal ist alles wieder in Ordnung. Meine Feinde liebte ich, da ich sie für meine besten Freunde hielt, für die Wächter am Tore meiner Tugend, denn wo ich meine Fehler bemerkte, suchte ich mich zu bessern. Mein Hauptfehler war, daß ich bis in mein spätes Alter hinein nicht in das Wesen des Lebens eingedrungen, daß ich jedermann für ebenso offenherzig hielt, wie ich es selbst war, und im Vertrauen auf meine eigene Redlichkeit immer meinen geraden Weg vorwärts ging. Ich glaubte aufrichtig an das Gute und argwöhnte nirgends etwas Böses. Die Ehre, ja sogar das Leiden für die heilige Wahrheit habe ich über alle Güter dieser Welt gestellt. Für die Verfolgten, Unschuldigen bin ich mannhaft eingetreten, da ich aber allzu offen ihre Verteidigung führte, so kränkte ich die Herren Bedrücker, die Starken dieser Erde. Diese Fehler isolierten mich von den übrigen Menschen, zogen mir eine große Menge von Feinden zu, setzten mich der furchtbarsten Verleumdung aus; mein eiserner Wille ließ sich aber dadurch nicht erschüttern.

Die Frauen liebte ich bis zur Vergötterung und wage es nicht, sie mit Stillschweigen zu übergehen. Sie spielen eine zu bedeutende Rolle in meinem Leben bis ins späte Alter hinein. Von Jugend an auf ritterlichem Boden weilend, war ich ein Ritter und Troubadour, und die Frauen waren es, welche meinem Geiste Schwung und Kraft verliehen. Zu jener Zeit übten dieselben einen wahrhaft bildenden Einfluß auf uns aus; ihre Empfehlung galt viel. „Welche Aufnahme hat er in der Damenwelt gefunden?“ war eine ebenso wichtige Frage, wie jetzt: „Ist er reich?“ Die Damen ließen sich diese Höflichkeitsbeweise gern gefallen, entzündeten in den Herzen das Bestreben, andre nicht durch Ehrenstellen, durch Anhäufung von unrechtmäßig erworbenen Reichtümern, sondern durch edle Gesinnung zu übertrumpfen. Wollen wir sehen, ob der junge Fähnrich den Lehren seiner holden Lehrmeisterinnen Ehre gemacht hat.