Sspiridow

Mein Chef war der Sohn jenes berühmten Admirals Sspiridow, der die türkische Flotte bei Tschesme in Flammen aufgehen ließ. Gekränkt durch die Bevorzugung, welche dem Grafen Aleksej Grigorjewitsch Orlow zu teil wurde, ließ er sich nicht an dem Bewußtsein der großen Tat genügen, sondern wagte es, über das ihm widerfahrene Unrecht bei Katharina der Großen Klage zu führen, und bat um seinen Abschied. Es war eine edle Regung die ihn hierzu bewog, aber bescheiden und hochherzig handelte er nicht. Die Kaiserin konnte nicht das nun schon einmal Geschehene rückgängig machen, um so mehr, als Graf Orlow, mochte er nun vom Seewesen was verstanden haben oder nicht, jedenfalls zum Oberbefehlshaber der Flotte ernannt worden war; bei uns aber pflegen die Leute nicht nach ihrem Wissen, nicht nach ihrer Würdigkeit, sondern nach der dienstlichen Stellung und der Anciennität [Dienstalterfolge] belohnt zu werden. Die Kaiserin nahm diesen Schritt übel auf und genehmigte das Abschiedsgesuch. Sspiridow starb in Moskau, von Ehrgeiz verzehrt, und mit der Überzeugung, so gehandelt zu haben, wie es einem Ehrenmann geziemt. Damals veranlaßte die geringste Bevorzugung, die einem andern nicht für wirkliche Verdienste, sondern aus Gunst zu teil wurde, den Zurückgesetzten, unverzüglich um seinen Abschied einzukommen. Dieser edle Trotz fand während der Regimentszeit Katharinas der Großen allgemeine Anerkennung, und auch im ersten Jahre nach der Thronbesteigung Pauls war dies der Fall. In der Folgezeit ging dieser und überhaupt jeder point d'honneur fast auf immer verloren oder wurde wenigstens zur großen Seltenheit.

Mein Vorgesetzter Aleksej Grigorjewitsch Sspiridow war ein mit allen Tugenden eines friedlichen Staatsbürgers ausgestatteter Mann: gebildet, bescheiden, uneigennützig, gefällig, wohltätig, ein musterhafter Sohn, Ehemann, Vater, und so ganz auf seine Ehre bedacht, daß sie ihm fast mehr galt, als das Leben selbst. In seiner Uneigennützigkeit ging er so weit, daß er, in einem der Krone gehörigen, am sogenannten schwedischen Markt belegenen Hause wohnend, auf den Gedanken kam, einen freien, gerade auf den Markt hinausgehenden Platz zu benutzen, als wegen Zuwachs in der Familie seine Wohnung sich als zu eng erwies. Er benutzte den Platz, baute auf eigene Rechnung drei Zimmer und ließ dieselben sogar mit seinem eigenen Brennholz heizen, um den Fiskus nicht zu belasten. Als er am Eingang des vom Handelshafen getrennten Kriegshafens bei einem Wachthaus vorüberging, bemerkte er, daß Backsteine, Lehm, Kalk und so weiter, welche am Tage vorher da gelegen hatten, verschwunden waren. Mein Vorgesetzter wandte sich an den wachthabenden Offizier mit der Frage: „Wozu sind die Baumaterialien, die ich gestern hier gesehen habe, verwandt worden?“ Der Offizier antwortete mit einiger Verlegenheit: „Ich habe dieselben dem Hauptmann N. N. abgetreten, welcher augenblicklich einen Bau ausführt.“ — „War denn aber das Ihr Eigentum?“ Der Offizier schwieg. ,,Ich will annehmen,“ fuhr mein Chef fort, „daß der Hauptmann N. N. noch keine Zeit gefunden, das Geliehene zurückzuerstatten. Morgen komme ich hierher und werde gewiß alle Materialien vollzählig vorfinden. Sie sehen aber, wie wenig man sich auf die Pünktlichkeit seiner Freunde verlassen kann. Ich rate Ihnen, ein andres Mal nicht darüber zu verfügen, was Sie zu bewachen, nicht aber zu verteilen verpflichtet sind.“ Dieser höfliche und schonende Verweiß war dazumal mehr gefürchtet, als heutzutage die Arreststrafe; diese galt für eine Beschimpfung der Uniform und wer sich dieselbe zugezogen hatte, mußte auf Andringen seiner Kameraden unbedingt den Dienst quittieren.