Charakter

Im Dezember des Jahres 1793 fand ich mit dem Rang eines Fähnrichs Aufnahme im Staatsdienst und wurde zum Translateur im Etat des Vizeadmirals Sspiridow ernannt. Hier unterbreche ich meine Erzählung und will nur diejenigen Momente hervorheben, welche auf mein späteres Schicksal von Einfluss gewesen sind.

Zunächst möchte ich den jungen Fähnrich schildern, dessen Charakter, mit geringen, dem Lebensalter und dem Grad der Erfahrung entsprechenden Schattierungen, unverändert geblieben ist. Ich war stets von zarter Gesundheit, feurigen Temperaments, im Besitz einer glühenden Phantasie. In nebensächlichen Dingen übereifrig, bei wichtigen Angelegenheiten kühl und ruhig. Für die Wissenschaft habe ich stets eine leidenschaftliche Vorliebe besessen und niemals aufgehört, mich fortzubilden. In meinem Herzen bin ich stets Christ gewesen, ohne mich indessen allen Gebräuchen blindlings unterzuordnen; gegen die Widersacher der Religion habe ich aber stets mit Wärme angekämpft. Russland, mein neues Vaterland, war mir teuer, für die Kaiserin empfand ich große Hochachtung. Allen Menschen ohne Ausnahme wünschte ich nur Gutes, aber alles Gute, was ich getan, gereichte mir zum eigenen Schaden, vielleicht deshalb, weil keine meiner Handlungen ganz frei von Eitelkeit und Selbstsucht war. Ich war umgänglich, nicht immer bescheiden, teilte das letzte mit meinem Nächsten, konnte mich selten mit jemand einleben, machte auch meiner Familie oft viel zu schaffen, und überall da, wo ich nur die geringste Spur von unedler Gesinnung entdeckte, brauste ich auf und geriet außer mir. Ein derartiger Charakter machte aus mir ein Wesen, das allen und sich selbst widersprach. Mit meinen Vorgesetzten, mit Ausnahme von Admiral Sspiridow, lag ich beständig im Streit. Sobald ich an einem Menschen eine Schattenseite entdeckt hatte, war er mir zuwider, so hoch er auch stehen mochte, und bei solchen Gelegenheiten verstand ich es nicht einmal, in den Grenzen des nötigen Anstände zu bleiben. Meine größte Kunst war, niemals Geld zu haben und dabei reich zu erscheinen. Warum? Wenn mir das Messer an der Kehle saß, ließ ich mir meinen Kummer nicht anmerken, sagte niemand etwas davon, daß ich keinen Groschen besitze, hatte ich aber einige Kopeken in der Tasche, so gab es sofort ein Diner oder eine Soiree, dann aber wurde gefastet, bis sich wieder Geld einstellte. Zu keiner andern Zeit fühlte ich mich so gesund und frisch an Leib und Seele, wie im Unglück, unter Verfolgungen jeder Art u. s. w. So kam es, daß meine Freunde, zu denen auch Nikolai Aleksejewitsch Polewoi zählte, mir ein Ungemach wünschten, weil sie behaupteten, nur in einem solchen Falle trete meine wahre Gesinnung zu Tage.