Ratzeburg - Der Dom

Es war schon bei der Stiftung des Bisthums beschlossen, auf der Insel das Münster desselben zu erbauen, welches der Jungfrau Maria und dem Apostel Johannes geweiht ward, und wirklich ist auch bereits unter Evermodus der Bau begonnen, vielleicht auch vollendet. Das Jahr des Anfanges ist unbekannt; eine Steintafel aus dem 14. Jahrhundert neben der Kirchthür giebt freilich den 11. August 1144 als Einweihungstag der Domkirche an, jedoch ist diese Nachricht entschieden unrichtig, da sie mit allen andern urkundlichen Nachrichten in Widerspruch steht. Daß der Bau vor 1172 begonnen und in diesem Jahre noch nicht vollendet war, ist die einzige begründete Angabe über die Zeit der Entstehung.

Der Dom gehört zu den ältesten und schönsten Bauwerken vaterländischer Kunst in Norddeutschland. Er ist im Rundbogenstil gebaut, der so recht eigentlich die Ruhe und Festigkeit, die eine Kirche haben soll, ausspricht. An den schönsten Ziegeln von hellgelber Farbe, aus denen der ratzeburger Dom aufgeführt ward, hat der Zahn der Zeit keine Gewalt gehabt. Der Grundriss der Kirche besteht aus einem (60' hohen) Hauptschiffe und zwei niedern (29´hohen) Seitenschiffen; die Form des lateinischen Kreuzes ist sowohl im Grunde, als im Aufriss stark angedeutet; das Hauptschiff endet im Osten in einer halbrunden Altartribüne, die Seitenschiffe in vierseitige Kapellen. Die ganze Länge der Kirche ist 225 ½ , die Breite derselben im ursprünglichen Plane 79´ und die des Querschiffes, in dem der erhöhte Chor liegt, 111 Fuß.


Als aber zu Anfange des 15. Jahrhunderts das Bedürfnis des Gottesdienstes die Anlage von Kapellen erforderte, die der alte Baustil nicht geduldet, wurden die Seitenwände durchbrochen und an diese Öffnungen Kapellen angebracht, welche für die Ansicht des Gebäudes nicht günstig gewirkt haben. Die hiesigen sind in einem ganz andern Styl und von weniger gutem Material ausgeführt und mit ihnen ist die Kirche jetzt 103 Fuß breit. Dass die große, angeblich von Evermodus, vor der Haupttür der Südseite angebaute Vorhalle nicht zum ursprünglichen Bauplan gehörte, ergibt sich bei genauerer Ansicht der ursprünglichen Architektur.

Es wird erzählt, dass B. Johann von Parkentin (1479 – 1511) den mittleren Gang der Kirche, der früher mit den Nebengängen gleiche Höhe gehabt, so hoch hinausgebaut habe, wie er jetzt ist, und die nach dem Spitzbogen geformten Gurtbogen der Gewölbe scheinen die Sage zu bestätigen; jedoch haben neuere Untersuchungen wahrscheinlich gemacht, dass die Gewölbe gleichzeitig mit der Kirche ausgeführt sind.

Die Kirche besitzt keine Kostbarkeiten mehr, die ihren früheren Glanz beurkunden könnten; die meisten wurden 1530, als man den erwähnten Rechtsstreit mit H. Magnus führte, zur Deckung der Prozesskosten verkauft; was übrig geblieben, raubte am 23. Mai 1552 Graf Volrad v. Mansfeld, welcher auch die Fenster einschlug und die Kirche dergestalt verwüstete, dass nur die Mauern stehen blieben. Die Denkmäler, welche die Kirchenwände jetzt bedecken, sind alle jünger als diese Schreckenszeit; die Gräber der Bischhöfe haben ihre Leichensteine behalten, aber auch die Metallplatten, mit denen viele ausgelegt waren, sind geraubt. – Zwölf silberne Apostel, welche der Domdechant Hartwig v. Bülow 1634 geschenkt hatte, wurden 1830 gestohlen.

Links neben der Kirche steht das Bischofshaus. Es ward von B. Volrad v. Dorne (1335 - 1355) aus den Steinen des abgebrochenen Schlosses in Verchow erbaut, ist nur klein und diente auch nicht zur eigentlichen Residenz der Bischöfe, die sich gewöhnlich in Schönberg aufhielten, das zuerst 1219 in Urkunden erscheint und wo schon B. Marquard v. Jesow (1309 – 1335) den Bau des Schlosses begann, an dem seine Nachfolger fortbauten und das erst in diesem Jahrhundert abgetragen ward, so dass auch keine Spur mehr davon gefunden wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842