Dreizehntes Kapitel. Mein Verkauf als Wagenpferd.

Dreizehntes Kapitel.

Mein Verkauf als Wagenpferd.


Ein Pferdehändler, welcher von der Leipziger Messe kam und hier übernachtete, hatte mich den andern Tag schon in seiner Koppel, die meistens aus Holsteinischen Wagenpferden bestand, und mein gewesener Herr gegen Zugabe von 10 Louisd'or ein preußisches Gestütspferd dafür eingetauscht, das schon als komplett geritten auf der Auktion in Berlin weggegangen war.

Ich wurde neben ein anderes Pferd gestellt, das von so ziemlich gleicher Farbe, Alter und Größe mit mir war; nur der Aufsatz und die Stellung war merklich verschieden.

Es war aus der Gegend der Elbe und Weser und hatte, wie diese Pferde, viel ähnliches von dem Bau der Mecklenburgischen Pferde, ohne ihnen jedoch an Kraft und Energie nur in etwas zu gleichen; überdies schien es kränklich zu sein, und ich mußte es am Schleppseil mehr fortziehen, als dass es sich selbst fortbewegte.

Welche traurige Aussicht, mich mit diesem, gleichsam zusammengeschmiedet, zu gleichem Dienst bestimmt zu sehen!

Unser Marsch dauerte mehrere Tage, bis wir endlich an einem Markttag, wo die Straßen von zurückkehrenden Bauerwagen wimmelten, deren betrunkene Führer unbesonnen in unsere Koppel fuhren, in F** anlangten.

Den ersten und den zweiten Tag nach unserer Ankunft waren wir für Niemanden zu sehen, so dehr auch der Zulauf darnach, nach dem Geräusch zu urtheilen, dass von Zeit zu Zeit vor der Stalltür entstand, sein mochte; mein Herr kannte den Pferdehandel, und zeigte uns nicht eher, als bis wir ausgeruht hatten, und wieder von neuem zugeputzt waren.

Den dritten Tag wurden wir zur Zeit der Wachparade, nach Pferdehändler Sitte, mit roten Deckchen belegt, paarweise ausgeritten, und hatten für meinen Herrn das Glück, sogleich einen Liebhaber zu finden.

Einer der angesehensten Kaufleute dieses Ortes handelte um uns, und in kurzer Zeit war der Handel mit der Garantie von Seiten des Verkäufers, dass wir keine Strangschläger, nicht baarschlechtig, blind oder rotzig wären, abgeschlossen. Ein alter Kutscher holte uns ab, und ich hatte, außer meinem Dienst, mit der übrigen Abwartung meines Wärters alle Ursache zufrieden zu sein.

Mit ängstlicher Besorglichkeit wurden wir die ersten Male eingespannt. Stangen wären schärfer als Trensen, folglich auch für noch rohe Pferde passender als diese, war ein Grundsatz, welchen sich unser Kutscher nicht ausreden ließ, dem seine Herrschaft übrigens das Einfahren sowohl wie unsere Wartung unbeschränkt überließ, und kaum getraute sich der junge Herr, wenn er abends von dem Comtoir ging, ihn zu fragen, ob er uns wohl morgen einspannen würde.

Mit einer Menge Nebenleinen und Aufsätzzügel wurden wir in Begleitung eines invaliden Kavalleristen, der in der Fabrik unseres Herr Markthelfer war, in einen Rüstwagen gespannt und die Promenade der F** schönen Welt hinab gefahren. Alles ging vortrefflich, ein Commiß kam, nach der Zurückkunft sich nach unserer Aufführung zu erkundigen, und Madam des Hauses beschloss schon nach einigen abgelegten Proben unserer Folgsamkeit, mit uns ins Theater zu fahren.

Es war heute bei der Aufführung von den Hussiten vor Naumburg gedrängt voll, der erste Aufzug wahrscheinlich schon vorbei und Madame die Teebesuch bei sich hatte, in die neue Staatskarrosse von Wien immer noch nicht eingestiegen. Der Kutscher murmelte, des Wartens müde, auf Madam, Komödie und alles einige Flüche in den Bart, als sie, von dem Hausfreund geführt unter Vorleuchtung der Jungemagd die Treppe herabeilte, und unter dem Befehl an den Kutscher, dass er schnell fahren sollte, sich einsetzte. Rasselnd flog der Pharthon bei den Fußgängern, die nicht schnell genug aus dem Wege kommen konnten und von oben bis unten von Schmutz bespritzt wurden, vorüber; mein Kamerad dampfte von Schweiß.

„Ihr wartet, bis ich zurückkomme“, rief meine Herrschaft, die Madam allein zu repräsentieren schien, dem Kutscher zu, und dort standen wir in einer nass–kalten Luft, die durch den Zug, welchen die nahe Stadtmauer, die dem Theater gegenüber stand, gab, um so empfindlicher wurde.

Brummend wickelte sich der Kutscher in seinen Mantel, und mein Kammerad bekam Anfälle von Fieber.

„Der geht auch für die Hunde“, rief der Kutscher vom Banquier – b – meinem Wärter zu, der soeben in den ersten Schlaf verfallen war, „wenn dem nicht bald der Kern gestochen und die Fesselader geschlagen wird, verschlägt er total.“

„Kilian!“ rief der Bediente, die Windlaterne in die Höhe haltend, unserm schnarchendem Kutscher zu, und Kilian ergriff die schlaffen Zügel und die aus der Hand gefallene Peitsche, und fuhr vor.

Die schnelle Bewegung im zu Hause fahren brachte meinen Kamerad wieder in etwas zu sich; doch versagte er diesen Abend sein Futter und war am Morgen weit kränker als zuvor.

„Das ist die Fessel“, sagte unser Kutscher und eilte, den Schmied zu rufen, der sie reißen sollte; doch dieser war so eben beschäftiget, die zerbrochene Radeachse eines Reisenden auszubessern, und konnte vor der Beendigung dieser Arbeit keine andere übernehmen, die er nur so wie diese zu behandeln verstand.

„Lauft doch zu dem Doktor G **, der sich ja auch mit der Tierarznei beschäftiget“, sagte unser junger Herr, der uns so eben seinen Morgenbesuch machte, zu dem zurückkehrenden Kutscher, der ihm von der Krankheit meines Kameraden Meldung machte.

„Ja – der – der versteht eben, was dem Viehe fehlt“, versetzte dieser. „Hat er nicht noch vorige Woche Kaufmann R** Reitpferd und Gouverneurs Sattelpferd aus dem Postzuge zum Schinder gebracht? Was will ein Menschendoktor vom Viehe wissen! Hätte er Kranke bei den ersten, so gäbe er sich mit Kurieren von Pferden gar nicht ab.“

„Das versteht ihr nicht, Kilian“, erwiederte der junge Herr. „Der Doktor G ** hat schon vieles über die Tierarznei geschrieben, was in allen kritischen Blättern gut rezensiert worden ist; geht ihr nur zu ihm und bittet ihn, den Kranken in die Kur zu nehmen.“

„Nun da ist er so gut wie verloren“, brummte Kilian im abgehen, „und ich kann gleich in einem Gange den Scharfrichterknecht zu der Abholung mit bestellen.“

In einer Weile kam der Doktor, fragte wohl zehnmal den Kutscher, ob das Pferd auch nicht schlage oder beiße, das sich kaum mehr aufrecht erhalten konnte, und trat endlich bei der wiederholten Versicherung seiner Frömmigkeit, unter stetem: Hopp! Hopp! Rufen, ängstlich zu ihm den Stand.

„Das ist ein Gefäßfieber mit Typus“, sagte er, den Puls suchend. „Vor allem muß dem Tiere sein halbes Futter entzogen werden, dass der Unterleib, der so gespannt genug ist, nicht noch mehr augehäuft werde.“

„Ja, Herr, es frißt gar nicht“, antwortete der Kutscher.

„Nun so mache er ihm nur ein weiches Lager, und trage er Sorge, dass sich das Pferd legt, gebe er ihm Wasser mit Essig zu trinken und decke er es warm zu; ich gehe sogleich zu Hause, den Apparat zu dem Galvanismus zu holen, dessen gute Wirkung ich doch auch hier versuchen will.“

„O weh!“ sagte Kilian, „der will versuchen und ich soll Sorge tragen, der glaubt, dass Pferd sei ein Tiger und will wahrscheinlich seinen Hausmann Galvan zur Beihilfe holen.“

Voltaische Säulen und drähterne Leitern bedeckten am mittag den Futterkasten; der Kutscher, bei der Application mit ihrer Wirkung bekannt gemacht, traute sich keines anzurufen, und nur ein Wisch voll Heu wurde diesmal mein Mittagsbrod.

Ächzend stand mein Kamerad, der von Minute zu Minute kränker wurde, und Weinessig und weiches Lager verschmähte, neben mir, und der Doktor schritt noch vor dem Abend zu der Anwendung eines stärkern Reizmittels.

Blasenpflaster legte er ihm an der Brust und gab Vanille ein; Mittel, wovon freilich das erste in diesem gelähmten Zustand aller Verrichtungen kaum bei Kindern reizend genug gewesen sein würde, die Lebenstätigkeit zu erneuern, und das letzte nur für einen so reichen Pferdebesitzer gehörte, als der unsrige war.

„Nur Salzwasser herbei!“ rief der menschliche Arzt ohne tierärztliche Erfahrung, „ich verspreche mir von dem Galvanismus noch das beste; – nur Salzwasser herbei, um diesen verstärkt anzuwenden!“ Es erfolgte, und unter erkünstelten und natürlichen Verzuckungen endigte mein Kamerad sein Leben.

Möchte man doch die unglücklich ausgefallenen Versuche dieses Mittels ebenso bekannt machen als die wenig heilsamen! Fingen doch menschliche Ärzte an, erst Semiotik und Therapie im Krankenstall zu studieren, ehe sie über Tierarzneikunde schrieben, sie trotz der richtigsten Theorie fehlerhaft ausübten, und sich dabei erfahrenen Pferdeärzten lächerlich und der Wissenschaft selbst nachtheilig machten! Dacht; und sah's nun, einsam und verlassen, meinem neuen Geschick entgegen.