Abschnitt 1

Erster Abschnitt.
Enthaltend meine Reise von Basel bis Mayden zwei Stunden von Amsterdam.


Anfangs July 1816 faßte ich den Entschluß, da ich, aller Anstrengungen und Bemühungen ungeachtet, keine Anstellung in irgend einem Handelshause oder anderswo erhalten konnte, mein Glück in der Ferne zu suchen.


Ein guter Freund, dem ich meinen Plan mittheilte, und der mir mit Mund und Herz versprochen, mitzureisen, mußte zurückbleiben, weil ihm ein Paß zu seinem Unternehmen versagt wurde.

Ich reiste nach Basel, und bemühte mich daselbst, einen Paß, nach Amerika zu reisen, zu erhalten, wo ich so glücklich war, meinen Endzweck zu erreichen, und auch wirklich einen, aber nur bis Amsterdam erhielt. Nun wartete ich auf Schiffsgelegenheit, abzureisen; 14 Tage verfloßen, ohne eine zu finden.

Ganz unerwartet gingen zwey Männer in Klein Basel vor mir her, unvermerkt horchte ich ihrem Gespräche zu, und vernahm, daß sie gesonnen seyen, nach Amerika zu reisen; sich deßwegen über den Verkauf ihrer Liegenschaften besprachen, und wie solche in klingende Münze umzuschaffen wären; auch daß sie einen Notarium suchten, der ihnen hiezu mit Rath und That an die Hand geben, und geschwinde Hülfe verschaffen könnte.

Ich redete sie an, bewarb mich um ihre Bekanntschaft, und machte ihnen die Aeußerung, diese Reise auch mitzumachen. Mein Anerbieten war ihnen äüßerst angenehm; sie offerirten mir sogleich ihre Gelegenheit, welche auch meinerseits mit Dank angenommen wurde. Man unterredete sich über den Zweck der Abreise, wobey sie mir anzeigten, daß in 8 Tagen ein Schiff von Basel-Augst nach Kleinhüningen komme, und daß sich daselbst noch mehrere Personen aus verschiedenen Gegenden zur Abreise einfinden werden.

Den 3ten August Abends 5 Uhr kam dieses Schiff auch wirklich, zum Theil schon beladen, in Basel an, und fuhr sogleich nach Kleinhüningen ab. Der eine von vorbemeldten zwey Männern machte mir sogleich auf der Rheinbrücke die Anzeige, daß ich mich auf den andern Morgen früh zur Abreise bereit halten solle. Ich säumte nicht lange, machte meine Sache in Ordnung, und reiste noch den gleichen Abend nach Kleinhüningen ab.

Am frühen Morgen betrachtete ich noch die gegenüberliegende zerstörte Festung Großhüningen, und reiste in einer sehr vermischten Gesellschaft mit 7 Lonis d’ors baar Geld, einer silbernen Repetiruhr und wenigen nöthigen und übergebliebenen Kleidungsstücken ab. – wäre ich von drey Debitoren, bey welchen ich eine nicht unbedentende Summe zu fordern hatte, und zwar von Menschen, worüber man erstaunen würde, wenn ich sie an den Tag gäbe, bezahlt worden, so hätte ich noch eine schöne Summe mitnehmen können; allein auch diese benutzten den Augenblick meines Unglücks, und beraubten mich meines Guthabens, wie auch früher andere schlechte Menschen auf gleiche Weise mich behandelt haben. Gestützt auf die Vorsehung, und in vollem Vertrauen, sie werde mich nicht ganz zu Grunde gehen lassen, unternahm ich ohne weitere Gedanken dieses Wagestück. Ich tröstete mich mit dem Bewußtsein, niemanden mit Vorsatz Schaden zugefügt zu haben, und so vielen in meinem Wohlstand mit Rath, That, Hülfe und auch werkthätiger Unterstützung an die Hand gegangen zu seyn; und endlich ermunterte mich das Beyspiel vieler Anderer, die in ihrem festen Vertrauen zu Gott nicht irre gegangen sind, so wie es auch die Folge meiner Geschichte von Zeit zu Zeit zeigen wird, daß ich für dieses Zutrauen auf den Lenker aller menschlichen Schicksale reichlich belohnt worden bin. Auf dieser Reise machte ich verschiedene Betrachtungen über den Lauf des Rheinstroms, wo die schönen Städte, Festungen, Dörfer, Schlösser eine wahre Augenweide für mich waren, wobey ich aber auch zu meinem größten Leidwesen die großen Verheerungen dieses mächtigen Stromes ansehen mußte, indem Korn-, Frucht-, Erdäpfelfelder und auch Dörfer mit Wasser die ganze Länge dieses Stroms hinunter an den mehrsten Orten überschwemmt waren, so daß ich schon im Jahr 1816 überall eine große Theurung zum voraus vermuthete.

Als wir in Holland ankamen, so war der Kanal, welcher nach Utrecht und Amsterdam führt, schon seit 14 Wochen verschlossen, damit diese Gegend nicht auch überschwemmt werde; indessen wurde solcher zwey Tage nach unserer Ankunft geöffnet, so daß alle Schiffe deren eine Menge vorhanden waren, und auf Verminderung des Wassers warteten, wieder ungehindert ein- und auslaufen konnten. Hier hielte ich mich zwey Tage auf, wo in dieser Zeit ein Mäckler aus Amsterdam (ein deutscher Banqueroutier) anlangte, welcher unsere Gesellschaft nach Mayden, zwey Stunden von Amsterdam, zu reisen zu bereden suchte; er reuffirte, wir verreisten sogleich dahin, und wir legten in einem Zeitraum von 12 Tagen die Reise von Basel bis dahin zurück. Dieser Mäckler suchte unsere Gesellschaft gut zu unterhalten und versicherte uns, daß er Gelegenheit genug in Händen habe, für unsere Reise nach Amerika zu traktieren. Unterdessen mietheten sich aber verschiedene Haushaltungen, so wie andere einzelne Reisegefährten, Zimmer und Küche, selbst zu kochen , um sich so wohlfeil als möglich bis zur Abreise durchzubringen; denn mehreren unter ihnen war bereits die Baarschaft ganz oder beynahe ausgegangen, und mußten durch mitleidige Mitreisende unterstützt werden, auch waren mehrere dem Hunger ausgesetzt. Von Mayden reiste ich mit einem Berner, Namens Wildpolz, nach Amsterdam, wohin ich an ein Handelshaus von einem Baßler empfohlen wurde. Bey meiner Ankunft erhielt ich sogleich eine Unterstützung, welche mir eben dahin von einem guten alten Freund durch Anweisung aus der Schweiz gemacht wurde, und welche mir, indem in dieser Gegend sehr theuer zu leben, so wenig es auch war, sehr gut zu statten gekommen ist. Unterdessen erschienen in Mayden neue Mäckler aus Amsterdam, welche sich mehr Zutrauen als ersterer erwarben.

Nach von mir eingezogener Erkundigung wurde mit diesen letztern ein schriftlicher Akkord für die ganze Gesenschaft von 93 Köpfen, groß und klein, für die Abfahrt nach Baltimore aufgesetzt. Kinder unter 4 Jahren zahlten nichts. Von 4 bis 14 Jahr 8 st. Von 14 Jahren bis ins hohe Alter 185 bis 190 st. Diejenigen, welche baar bezahlen konnten, kamen mit 160 st weg, alles, versteht sich, den Gulden holländische Währung; wobey die Schiffskost auf folgende Art bestimmt wurden.

1. Alle Wochen auf eine Person 1 Pfd. Butter.
2. Alle Wochen auf eine Person 1 Pfd. Käs.
3. Alle Wochen auf eine Person 6 Pfd. Zwieback.
4. Per Tag auf eine Person 1 Glas Branntwein
5. Dreymal in der Woche auf eine Person ½ Pfund Fleisch.
6. Die übrigen Tage von Mehl, und wenn Fleisch gekocht wurde, Erdäpfel und Erbsen dazu.
7. Auf jede Person eine Maas Bier; dieses dauerte aber nur 14 Tage obschon das Gleiche die halbe Reise auszutheilen versprochen wurde.
8. Alle Tage auf die Person 3/4 Maas Wasser; Kinder, welche die Hälfte Seefracht bezahlten, erhielten auch nur die Hälfte der Ration. Mit dieser Kost kann sich eigentlich eine Person begnügen; diejenigen, welche mit Baarschaft versehen waren, nahmen noch eint und andere Provisionen mit, um sich besser gutthun zu können.

Unser Akkord war so eingerichtet, daß, wenn der Schiffs-Kapitain nicht innert 10 oder längstens 14 Tagen abfahre, die Herren Mäckler gehalten seyn solten, die ganze Gesellschaft auf ihre Unkosten die übrige Zeit zu unterhalten, welche Vorsicht auch wirklich nöthig gewesen, denn es kam, wie man vermuthet wir mußten länger auf die Abfahrt warten, man zögerte uns von Tag zu Tag auf, und die Mäckler wollten den schriftlichen Akkord nicht halten. Die größte Anzahl unserer Gesellschaft wurde unwillig, besonders diejenigen, die kein Geld mehr hatten und bereits großen Hunger litten. Ich war in Amsterdam, und Deputierte der Reisegefährten wurden zu mir gesandt, um sich mit mir zu berathen, was in der Sache zu thun seye. Man wendete sich zuerst an die Mäckler, erhielt aber von einer Zeit zur andern Hofbescheid, mit der Aeußerung, die Reise gehe in etlichen Tagen vorwärts, man solle nur noch ein wenig Geduld haben