Abschnitt 4

XIII.
Volksgebräuche.


Das ist ein Tag des Ernstes für die Eltern des Brautpaares, der fröhlichsten Lust für die Uebrigen, ein Tag voll Angst und hoher Ehren für das Paar selbst. Mit Bangigkeit schaut es aus, ob der Morgen eine glänzende Sonne bringen werde; denn Wolken und Regen auf dem Kirchgange des neuen Paares sollen schädlich wirken, und um ihnen auszuweichen, wird oft die Hochzeit so lange verschoben, bis ein beständiges gutes Wetter eintritt.


Um neun Uhr ordnen sich im Hause des Brautvaters die Züge. Zuerst geht der Bräutigam ab mit seinem Gefolge, den Bräutigamsknechten, er an der Spitze allein und unbekränzt; nach einer Weile folgt die Braut als Anführerin ihres Geleites, der Brautmägde. Die Verwandten gehen einzeln zur Kirche. Nach einem feierlichen Gottesdienste und der Anrede des Pfarrers an das Paar folgt die Trauung. Merkwürdig ist es, daß die Bauern jener Gegend durchaus nicht zum Gebrauche der Ringe zu vermögen sind; der Küster hat zwei schlechte Ringe in Verwahrung, und diese müssen bei jeder Trauung den Dienst thun. Getrennt gehen wiederum die Brautzüge nach dem Hause des Bräutigams, denn nur da wird die Hochzeit gefeiert.

Hier haben unterdessen die Frauen, während die Andern in der Kirche waren, ihre Schwänke vollführt. Ein Hauptspaß ist das Kindbettmachen. Die Frauen schlagen nämlich die Bettstelle mit Hülfe des Meisters auf, der sie gemacht hat. Sie muß so stehen, daß der Mann die aufgehende Sonne vom Bette aus durch das Fenster sehen kann. Acht wird auch darauf genommen, daß sie gerade die Richtung bekommt, welche dem frühern Hausherrn beliebt hat. Es gilt für frevelhaft, späterhin die Bettstelle zu verrücken. Dann geht’s an das Bettmachen unter allerlei tollen Reden und Faxen, welche immerfort mit einer Art von ernster Andacht abwechseln. In das Stroh werden Dornen, Klötze und Steinblöcke gehäuft, und darauf wird dreifaches Bettwerk gebreitet; denn wenigstens drei vollständige Betten muß eine Meierstochter mitbringen. Jedes Bettstück bekommt vier Ueberzüge, zwei von Leinewand aus Heede einen Ueberzug von Flachs und einen gefärbten. Ist das Bett aufgestapelt, so wirft sich der Meister hinein und verläßt es nicht, bis er mit einem Trunke und einem Stücke Geld im Glase erlöst wird. Dann ist es den jungen Eheleuten bereitet, und zum Vorspiel stellt die jüngste Frau eine Wöchnerin vor, eine kostbar geschmückte Puppe auf’s zärtlichste liebkosend, während die andern Frauen das Söhnchen bewundern, ihm allerlei Gutes nach- und vorhersagen, und sich in die Aemter um Mutter und Kind theilen. Während noch eine Weinkaltschale und unauslöschlisches Gelächter die Theilnehmer des Spukes erheitert, wird der Brautzug von der Kirche gemeldet.

Man sieht ihn langsamen Schrittes herankommen; die Braut wenigstens weint, am stärksten, wenn sie Grund und Boden ihres künftigen Herrn beschreitet. Auf der Hofstätte halten Alle. Jetzt auf seiner Gewehre angelangt, giebt der Bräutigam zum ersten Male der Braut die Hand und begrüßt sie dadurch als die Frau und Herrin seines Hofes. Dann führt er sie bis vor seine Hausthür. Man bringt ihm ein großes Glas Wein und ein gewaltiges Brod. Die Frau trinkt dem Manne das Glas zu, er leert es und wirft es hinter sich in die Luft; zerbricht es beim Fallen, so wird er ein guter Hauswirth, wenn nicht, ein wüster Geselle; gewöhnlich lauern aber schon bestellte Knaben, die das Glas auffangen und sofort zerschmettern. Der Mann aber reicht Brod und Messer der Frau: sie schneidet die oberste Kruste für sich ab, um sie als ein Heiligthum aufzubewahren; denn es geht der Glaube, so lange kein Schimmel an diese Kruste komme, so lange rühre kein Unfriede an den Ehebund. Die übrigen Theile des Brodes muß die Frau sofort an die Armen vertheilen, damit deren gute Wünsche ihren Eintritt ins Haus segnen. Dann setzt der Mann der Frau seinen Hut auf, zum Zeichen, daß er sie nunmehr unter seinen Schutz nehme, und führt sie in sein Haus. So wie sie die Thürschwelle überschreitet, erhebt sich lärmender Jubel, die Musikanten blasen und streichen nach Kräften, und die junge Frau wird feierlich im Geleite der Bräutigamsknechte und Brautmägde, welche sich vor der Thür ebenfalls paarweise geordnet haben, durch Küche und Keller, Garten und Scheune geführt und dadurch in ihr künftiges Eigenthum eingewiesen. Endlich steht sie auch vor der bräutlichen Kammer: das Kind wird ihr dargebracht, sie muß es mit Küssen an ihr Herz drücken, und wenn sie auch noch so arg geweint hat, jetzt werden ihr von den Frauen so viele Possen vorgemacht, bis sie herzlich lachen muß. Darauf empfängt sie die Geschenke ihrer Gäste, gewöhnlich Schmuck, Hausrath, Flachs und Schinken. Früher war es Sitte, daß jeder Gast, je nach seinem Vermögen, den Brautleuten einen oder zwei Kronthaler spendete und außerdem noch allerlei Lebensmittel zubrachte. Für Viele war das eine häufig wiederkehrende lästige Abgabe, und sie diente auch dazu, die Hochzeiten kostspielig und langwierig zu machen. Deshalb sind die so genannten Gebehochzeiten von Regierungs wegen abgebracht; jetzt ist aber mit dem Mißbrauch auch das Gute weggefallen, daß die jungen Eheleute ein paar hundert Thaler zum Anfang und einen Nothpfennig für die Zukunft bekamen. In allen Stuben nun, auf der Deele, oft auch im Hofe und Garten wird getafelt an unabsehlichen Tischen. Die Braut sitzt oben an; der Bräutigam und seine Verwandten müssen auftragen und wohl aufpassen, sonst würde Keiner einen Bissen anrühren; einen Trunk sich selbst einzuschenken, würde jeder Gast unter seiner Würde halten. Das Frühstück und die ersten Gänge des Mittagsmales werden mit Maß und Stille eingenommen, eine Art Feiertagsruhe liegt über der ganzen Gesellschaft, und Jeder bestrebt sich nach Kräften, eine ernste und zugleich wohlwollende Miene zu machen, was denn freilich mitunter die kostbarsten Fratzen absetzt. Bald aber ergießt sich Leben und Lachen über alle Gesichter. Der Koch setzt den wohlbekannten Freund, einen blumengekrönten Schinken, vor der Braut nieder mit einem glänzenden Spruche, und nun beginnt ein so furchtbares Fressen, als gälte es, damit Tod und Noth zu bestreiten. Massen von Speisen verschwinden mit unbegreiflicher Schnelligkeit, jeder Gast scheint von den ernstlichsten Vorsätzen beseelt, von den guten Sachen möglichst viel in sein Fleisch und Blut zu verwandeln; selbst die Kinder werden vollgestopft, wie die Gänse auf der Mast. In diesem Geschäfte suchen sich die Armen, welche nicht mit am Tische sitzen, wo möglich noch besser auszuzeichnen. Das ist freilich nicht idyllisch, so wenig wie die von vielen Dingen zugleich strahlenden Gesichter, die starkgewürzten Ausdrücke, das etwas derbe Selbstbewußtsein, das sich lieber mit einem Stoße als mit einem Worte Platz macht. Aber die Mehrzahl sind ja Bauern, die mit harter Arbeit der Erde ihre Früchte abzwingen müssen und die ein gutes Essen und einen warmen Rock zu schätzen wissen. Der Meier, der einen größern Hof und Knechte hat, weiß sich schon nett und sauber zu erhalten, und besitzt, wenn er auch nicht von höherer Bildung durchgeistigt ist, doch mehr natürliches Anstandsgefühl, als viele andere Leute. Und das Beste ist, es ist ein Herz und eine Seele in diesen Bauern, warm und kräftig, tüchtig und unverfälscht. Es finden sich gerade unter den deutschen Bauern viele ausgeprägte Charaktere. Man muß sich oft wundern, welche Leidenschaften ihre Gehöfte beherbergen, wie viel die Bauern auf Achtung und Ehre halten, und mit welcher Macht und Schnelligkeit die beflügelte Sage Kämpfe unter ihnen aufweckt. Denn der Bauer hat sich vorzugsweise selbst erzogen, und abgewandt von den künstlicheren Interessen, angewiesen auf die einfachsten Beschäftigungen entwickelt sich in ihm die menschliche Natur gleich stark im Guten wie im Bösen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band II