Es ist die Ansicht vielfach verbreitet, daß in den Vereinigten Staaten alles, was einen sozialistischen ...

III.
Landreformer.


Es ist die Ansicht vielfach verbreitet, daß in den Vereinigten Staaten alles, was einen sozialistischen Anstrich habe, keinen Boden finden könne. Man glaubt, die Amerikaner seien selbst zu praktisch und zu sehr auf den Geldgewinn erpicht, auch finde bei ihnen jeder der arbeiten wolle, hinreichend Verdienst und könne sich mit leichter Mühe ein Besitzthum erwerben, welches ihn und seine Familie anständig ernähre. Diese Ansicht ist indessen nur theilweise begründet. Gerade weil in Amerika die Industrie und das Kapital schrankenlos und herrisch auftritt, weil dort der Reichthum für sich allein mächtiger ist als anderswo, deshalb werden dort entgegengesetzte Bestrebungen um so heftiger hervorgerufen. Der Verdienst aber ist in den Städten, wenn auch leichter, doch auch unsicherer, weil die Spekulationen sich rastlos über einander wälzen und ihren Eingriffen sich auch das kleine Vermögen schwerer als in Europa entzieht. Außerhalb der Städte ist ferner schon seit längeren Zeiten sichtbar, wie sehr der Fleiß der Anbauer durch die großen Landbesitzer ausgebeutet wird, welche ihre leicht erworbenen Landstrecken auf die schlaueste und unverschämteste Weise auf Kosten der neuen Ansiedler verwerthen. Amerika ist ja außerdem das Land, wo alle alten und neuen Ideen und Projekte der Menschen wieder aufschießen und ihre Lebensfähigkeit erproben. Hier wo keine starren Institutionen die schöpferische Lust beengen, wo unermeßliche Strecken noch der bildenden Hand des Menschen warten, hier konnte es nicht fehlen, daß auch der gefährliche Zauber, welcher in den sozialistischen Ideen liegt, von jeher viele Gemüther anzog.


So giebt es in den Vereinigten Staaten jetzt in der That keine größere Stadt mehr, in welcher nicht bereits sozialistische Vereine thätig sind. In ihren zahlreichen Versammlungen hört man mit allem Schwunge, mit allem lebhaften Geberdenspiel die Ideen erörtern, welche in den Büchern der französischen, englischen und deutschen Sozialisten und Kommunisten ausgesprochen sind. Die Zeitschriften dieser Vereine vermehren sich mit jedem Monat, fliegen über das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten, greifen in einander und heben sich gegenseitig. Aus der großen Menge der gebildeten jungen Handwerker und Fabrikarbeiter wachsen solchen Vereinen und Zeitschriften fort und fort frische Talente und massenhaftere Kräfte zu. Insbesondere sind es junge deutsche Handwerker, welche sich dieser Richtung anschließen, und ihr Eifer ist so groß, daß sie ihren Arbeitsverdienst und ihre stilistischen Versuche zusammentun, um ihre Gedanken und Forderungen durch eine Flugschrift oder ein eigenes periodisches Blatt auszusprechen. Denn ein eigenes Blatt zu besitzen und damit auf dem großen Markt der Politik sich vernehmen zu lassen und mitzukämpfen, das ist in Amerika das erste, wohin eine Partei streben muß, wenn sie Ansehen und praktischen Erfolg haben will.

Das Bedeutendste, was aus Bestrebungen dieser Art hervorgegangen, sind die Versuche, jedermann die Erwerbung von Grundbesitz zu erleichtern und zu sichern. „Freier Boden, freie Rede, freie Arbeit und freie Menschen“ wurde der Bannerspruch, um welchen sich eine neue Partei gruppirte. „Es ist,“ sagt ein Organ derselben, „jedem Menschen auf der Erde eine Heimstätte zu gewähren, auf der er eine Familie erziehen und sich alles des Glückes erfreuen kann, welches nur der kennt, der eine Heimstätte besitzt. Wer kann den Fleiß, die Intelligenz, das Wohlbefinden, die Erhebung der Charaktere berechnen, die auf dem Boden dieses Landes aufleuchten werden, wenn die Regierung es als ihre erste Pflicht ansehen wird, jeder Familie eine Heimstätte zuzusichern? Ein Mensch, der keine Heimstätte zu lieben hat, hat kein Vaterland zu lieben. Die Landreform muß jedem Menschen eine Heimstätte als ein unveräußerliches, unzerstörbares Recht sichern; sie muß auch die Gränze der Landesmenge festsetzen, die irgend ein Mann besitzen darf, damit Alle Heimstätten haben können. Der Grundbesitz, den einer haben darf, soll seine Heimstätte bilden und durch keinerlei Gesetz dem Zwangsverkauf unterworfen sein. Die Landreform wird die unbebauten Ländereien den Landlosen geben und wird den Preis der bebauten Ländereien auf ihren wahren Werth zurückführen. Der hohe Preis, der auf den nackten Boden gelegt ist, ist ein künstlich erzwungener Preis. Die Landreform wird solchem Boden keinen höheren Marktpreis geben, als Licht und Luft haben; weil er unentbehrlich ist zur Existenz, kann er kein Handelsartikel sein. Er muß so wohlfeil als das Sonnenlicht sein, das zur Existenz ebenso unentbehrlich ist.“

Die zu diesen Grundsätzen halten, nennen sich die Partei der Nationalreformer, jetzt auch Landreformer. Weil sie free soil, freien Boden verlangen, werden sie auch Freesoiler genannt. Auf folgende drei Sätze haben sich die Meisten geeinigt:

Von dem noch unverkauften Lande soll unentgeldlich jedem Manne, der es wirklich bebauen kann und will, ein hinlängliches Stück, höchstens einhundertsechszig Acker, gegeben werden.

Der Landbesitz soll auf eine bestimmte Ackerzahl eingeschränkt werden.

Keines Mannes Grundbesitz soll für mehr Schulden, als der halbe Werth des Grundbesitzes beträgt, in Anspruch genommen werden.

Durch die beiden ersten Sätze will man insbesondere die in Amerika so gewöhnliche Art, auf Unkosten der wirklichen Bebauer des Bodens reich zu werden, verhindern. Noch immer ist eine Menge des vorzüglichsten und wohlgelegensten Landes in den Händen solcher Männer, auf die es von jener Zeit her, als die Gegend noch unbesiedelt war, für so gut wie gar keinen Preis gekommen ist. Da die Einwanderung und Volksvermehrung fortwährend im raschen Zunehmen begriffen ist, so ist es abzusehen, daß die Besitzer solcher weiten Landstrecken außerordentliche Reichthümer gewinnen müssen, ohne Hand und Kopf dabei anzustrengen. Uebrigens wurde durch den ersten Satz nur das ausgesprochen, was faktisch schon von den ältesten Zeiten an bis auf den heutigen Tag in den neubesiedelten Gegenden als Recht bestanden hat. Wer zuerst Hütte und Heerd auf einem noch nicht in Besitz genommenen Lande aufschlägt, der hat nicht nur, wenn jemand dies Land von der Regierung kaufen will, gesetzlich das Vorkaufsrecht, sondern es wird auch sein Besitzrecht von allen seinen Nachbarn anerkannt. Wehe dem Käufer, der einen solchen Hocker (Squatter) vertreiben wollte, ohne ihm seinen Anspruch (Claim) abgekauft zu haben, er würde bald mit den Umwohnenden in so viele Händel verwickelt werden, daß er gern wieder aus und davon zöge, wenn er nur gleich wieder einen guten Käufer fände. Wie blutig die Squatters die Eingriffe in ihre Besitzrechte rächen, erfuhr man noch vor kurzem in Californien, als sie, in ganzen Horden zusammengeschaart, mit Brand und Mord das Land verheerten. Ueber die reichen Ländereien in Californien waren aber auch die Landkäufer wie die Geier hergestürzt, weil sie mit Gewißheit berechneten, wie theuer das Land in der Nähe der Häfen und Flüsse werden müsse. Aufstände verwandter Art wiederholten sich in den letzten Jahren noch im Hauptstaate, in Newyork. Dort hatten vor mehr als hundert Jahren die großen Landbesitzer an die Ansiedler Ländereien für einen Erbzins ausgethan. Die jetzigen Nachkommen jener Ansiedler weigerten sich, den Erbzins zu bezahlen; jedes Jahr, wenn er wirklich eingefordert wurde, kam es zu offener Widersetzlichkeit, und endlich zum förmlichen bewaffneten Aufstande, der kaum mit Hülfe der Landmiliz gedämpft werden konnte. Die Partei der Zinsweigerer bekam, weil sie mehrere Scheunen in Brand gesteckt hatten, den Namen Barnburners, Scheunenbrenner. Die regelmäßige Folge solcher Aufstände ist, daß die Zinsberechtigten sich in irgend einer Weise mit den Pflichtigen abfinden, und dadurch das Land völlig von Grundlasten europäischer Art frei wird, welche der Boden Amerika’s nicht mehr duldet.

Durch den dritten der obigen Sätze soll die Ueberbürdung des Bodens mit Schulden und das Austreiben seiner Bewohner Schulden halber verhütet werden. Der Geldreiche, welcher dem kleinen Grundbesitzer ein Kapital vorstreckt oder ihn zu Spekulationen verlockt, soll dadurch keine Macht über ihn bekommen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band II