Abschnitt 2

III.
Landreformer.


Zeigt nun schon das Aufstellen dieser drei Sätze den praktischen Geist der Amerikaner, welche ihre Ideen nicht erst lange durch dicke Bücher hindurch verfolgen und systemmäßig ausbauen, sondern sofort praktische und erreichbare Konsequenzen ziehen, so leuchtet nicht minder das gescheidte Verfahren ein, welches die Partei einhält, um jenen Grundsätzen die Kraft und Weihe des Gesetzes zu verschaffen.


Anfangs war die Partei klein und wenig beachtet. Aber sie hielt fest zusammen als eine selbstständige Partei, stellte bei allen Wahlen ihre eigene Kandidatenliste auf, obwohl an einen Sieg derselben nicht zu denken war, und ließ nicht nach, ihre Forderungen immer bestimmter zu formuliren und möglichst bekannt zu machen. Sie erklärte dabei zugleich, daß sie den Kandidaten der andern politischen Parteien nur dann ihre Stimmen geben wolle, wenn sie sich zuvor verpflichteten, jene Forderungen zu ihren eigenen zu machen. Ein so konsequentes Verfahren mußte endlich den Erfolg haben, daß es die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog und bei dem gegenwärtigen Stande der Parteien Einfluß und Gewicht erhielt.

Nach und nach gaben immer mehr Bürger ihre Stimmen den Kandidaten der Nationalreformer, einige aus Ueberzeugung, die meisten aus Unzufriedenheit mit ihrer bisherigen Partei. Das geschah nicht allein von Seiten der ärmern Bürger, sondern auch von anderen, namentlich den gebildetern Deutschen, welche das selbstsüchtige Treiben der jetzigen demokratischen Partei anwiderte; ihre Stellenjägerei, das unverschämte Ausbeuten des Parteisiegs zum Reichwerden, das Stimmenkapern, das Ummodeln und Hinundherdrehen der alten demokratischen Grundsätze je nach Aussicht auf Gewinn. Der Ueberdruß an diesem Treiben, die morsche Organisation der beiden großen politischen Parteien war eine Hauptursache, welche den Grundsätzen der jungen Partei der Nationalreformer bei den öffentlichen Wahlen eine Menge Stimmen verschaffte, die an sich nicht zur eigentlichen Partei zählten.

Nun sahen sich die Whigs sowohl wie die Demokraten genöthigt, mit den Nationalreformern einen Vertrag einzugehen, um eine solche Anzahl Stimmen für ihre eigenen Kandidaten zu gewinnen. Angesehene Führer beider Parteien hielten es wohlgethan, öffentlich Grundsätze der Nationalreformer zu den ihrigen zu machen. Letztere waren nun auch so klug, nicht zu warten bis sie für sich allein stark genug wären, denn das hätte doch noch lange dauern können. Sie begnügten sich damit, daß vorläufig einige wenige ihrer Kandidaten für die gesetzgebenden Versammlungen, Stadträthe und Landesbehörden auf die Liste der Partei, mit der sie sich nun einigten, genommen wurden, und daß ferner einige Kandidaten der letztern sich verpflichteten, gewisse Forderungen der Nationalreformer geltend zu machen. Durch solche Taktik haben die Nationalreformer es erreicht, daß Anträge in ihrem Sinne in den gesetzgebenden Versammlungen bestellt, erörtert und theilweise angenommen wurden. Jeder solche Antrag hatte, wenn er auch vorerst verworfen wurde, zur Folge, daß die ganze ungeheure Macht der Presse sich über ihn herwarf und ihn für das Volk verarbeitete; das allein war schon ein Gewinn für eine Partei, welche auf keine leichtere Weise ihre Ansichten dem ganzen Volke mittheilen konnte.

Das Verlangen, daß kein Mann mehr als eine bestimmte Morgenzahl Landes besitzen solle, hat bis jetzt noch am wenigsten Anklang gefunden. Die einen finden darin eine schädliche Beschränkung des Verkehrs, die anderen der natürlichen Freiheit; praktisch ist er aber in den westlichen Staaten schon lange dadurch ins Leben getreten, daß jedem Yankee, der herkommt um dort zu wohnen und in Landkäufen zu spekuliren, so übel mitgespielt wird, daß sich die Ansicht verbreitet hat, die Landkäuferei an Ort und Stelle sei ein häkliches Geschäft geworden.

Der zweite Satz der Landreformer mußte im Kongresse verfochten werden, weil das im Westen noch nicht verkaufte Land der Union gehört, welche aus den Kaufpreisen einen Theil ihrer Einkünfte bezieht. Nach der Erklärung des Finanzministers auf einem der jüngsten Kongresse hatten die Landverkäufe in den letztern Jahren durchschnittlich jährlich nach Abzug aller Unkosten 1 ¼ Million Dollars Reinertrag in die Schatzkammer der Union gebracht. Gleichwohl haben bereits so berühmte Staatsmänner, wie Douglas, Webster und Houston, Anträge im Sinne der Landreform eingebracht.

Der dritte der obigen Sätze wurde – nachdem in Wisconsin, Iowa und andern Staaten Gesetze in ähnlicher Richtung bereits durchgegangen und in Ohio die Schuldhaft, welche ohnedem schwierig durchzuführen, abgeschafft war, – auch im Staate Newyork durch ein „Heimstättefreiheit-Gesetz“ zur Geltung gebracht, welches folgenden Inhalt hat: Haus- und Grundeigenthum sollen bis zum Werthe von eintausend Dollars von aller Exekution frei sein, wenn der Kauf- oder Uebernahme-Vertrag ausdrücklich die Bemerkung enthält, daß das Grundstück zur Heimstätte bestimmt ist, oder, wenn die Uebernahme desselben schon vor Erlaß des Gesetzes statt gefunden, jene Bemerkung in das Hypothekenbuch eingetragen wird. Die Subhastation ist jedoch zulässig wegen rückständiger Steuern, Kaufgelder oder schon früher eingetragener Hypotheken. Wegen aller übrigen Schulden geht die Befreiung des Grundstücks auch nach dem Tode des Schuldners auf seine Familie so lange fort, als noch einer aus der Familie das Haus bewohnt und das jüngste Kind noch nicht ein und zwanzig Jahre alt ist. Jede Verzichtleistung auf diese Gesetzeswohlthat muß schriftlich, eigenhändig und gerichtlich geschehen, sonst ist sie ungültig. Glaubt der Gerichtsvollzieher, daß die Heimstätte eines Schuldners mehr als tausend Dollars werth ist, so soll er zuvor sechs Geschworne aus dem betreffenden Bezirke zuziehen, diese sollen das Grundstück abschätzen und denjenigen Theil, welcher ohne Schaden des übrigen abgetrennt werden kann, zum gerichtlichen Verkaufe abschneiden. Kann bei oberflächlicher Schätzung die Theilung nicht ohne Schaden erfolgen, so sollen sie eine genaue Schätzung vornehmen, und das Resultat derselben schriftlich dem Gerichtsvollzieher einreichen, dieser eine Abschrift davon an den Schuldner unter der Androhung geben, daß das Grundstück verkaust werde, wenn er nicht binnen sechszig Tagen, das, was er mehr als tausend Dollars schuldig ist, bezahlt habe. In jedem Falle aber, wo ein Grundstück gerichtlich verkauft wird, soll der bisherige Eigenthümer tausend Dollars von den Hausgeldern erhalten; werden nicht mehr als tausend Dollars darauf geboten, so findet kein Zuschlag statt, sondern der Gerichtsvollzieher hat das Exekutionsmandat als unvollziehbar wegen Mangels an Pfändungsobjecten zurückzugeben.

Ein so bündiges Gesetz muß schon in wenigen Jahren in die Verkehrsverhältnisse weit eingreifen und dem Grundbesitz eine Festigkeit verleihen, welche früher in Amerika unbekannt war.

Die Nationalreformer stellen in zweiter Linie noch andere Forderungen auf, mit denen sie indessen noch lange nicht durchgedrungen sind. Sie wollen gleiche Schulen für Alle auf Staatskosten, Abschaffung der Banken und aller ähnlichen Monopole, Einführung direkter Steuern unter Aufhebung aller indirekten, Abschaffung der Schutzzölle und vollständige Durchführung des Freihandels. Hinsichtlich der Elementarschulen hat das Freischulsystem, ursprünglich eine pennsylvanisch-deutsche Einrichtung, auch in andern Staaten bereits Fortschritte gemacht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band II