Pont du Gard.

XIV.
Die Provence.


Frohen Sinnes über das viele Neue und Herrliche, was mich in diesem Lande umgab, wanderte ich am zweiten Abend über den Rhone, um auf ein paar Tage die römischen Alterthümer zu besuchen. Die Provence ist zwar kein Land für Fußreisen, ich verließ mich aber darauf, daß ich bei Müdigkeit auf allen Straßen Wagen treffen würde. Der Mond leuchtete zum Lesen hell aus seinen Höhen, köstliche Weintrauben lagen offen in den Feldern. Nach drei Stunden klopfte ich in Resmoulins einen Gastwirth heraus.


Als ich am anderen Morgen ins Freie kam, lachte ringsum der goldgrüne Herbst der Provence, wie mit einem Schlage war ich jetzt mitten in ein mir neues Land versetzt. Langgereiht zogen durch die Wein- und Fruchtfelder die Maulbeerbäume, zum erstenmal sah ich auch einen stattlichen Baum mit Feigen behangen, dann grüßte der Oelbaum den Fremdling, Lorbeer und Myrthe waren mir schon bekannter, jetzt sah ich sie frei und ungeschoren am Wege. Vor mir erhob sich hellweiß zwischen den grünen Höhen der Pont du Gard, großartig, massenhaft und doch so leicht und frei, wie alle antiken Bauten.

Keiner kommt wohl hierher, ohne vor der majestätischen Pracht und Kühnheit dieses Werkes zu staunen; angenagt von Zeit und Menschen, hat es durch all die Jahrhunderte herab sich noch etwas wie Jugend und Frische bewahrt. Man sieht gleich die Sicherheit, mit welcher der Baumeister den Plan entwarf, das fröhliche Geschick, mit welchen die Maurer die Steine fügten, alle verstanden ihr Handwerk, denn sie waren solchen Bauens gewohnt. Gewiß kann sich gar manches Bauwerk an unsern Eisenbahnen recht wohl mit den Werken der Alten messen, aber ob es nach Jahrhunderten noch so schön und fest in die Welt sehen wird, das scheint doch in Dunkel gehüllt. Wie unsere Viadukte geht diese Brücke und Wasserleitung, denn das Werk diente zu beidem, in gerader Linie von siebenhundert Fuß Länge von einer Berghöhe zur andern, drei Bogenreihen übereinander. Seine Quadern ruhen auf und in Felsen, auch der Fluß unten, der gelbe Gardai, der in Regenzeit hochschwellend um die Pfeiler rauscht, hat sich seinen Weg gewühlt durch Felsgestein. Jeder Bogen umrahmt ein sonniges Landschaftsbild von kleinen grünen Bergen mit Lorbeerwäldchen. Von der Höhe des Baues, wo auch ein Reiter noch Bahn findet, breitet sich die herrlichste Aussicht. Man kann aus der Nähe eines solchen Werkes gar nicht wegkommen, ich blieb einen halben Tag da. Immer kommen und gehen Fremde, in den bebüschten Anhöhen singen und necken sich provencalische Bursche und Mädchen. Am besten überblickt man das Bauwerk von einer Seitenhöhe, oder man muß mitten unter einem der eilf Großbogen stehen; aus lauter Quadern ist das Ganze fest und königlich ausgeführt.

Ich wanderte nun eine Zeitlang über die Höhen weg, indem ich die Richtung der Landstraße nach Nismes im Auge behielt. Das war hier südliche Haide, unbebauter steiniger Boden, besetzt mit allerlei Büschen und Blumen, die bei uns nur aus Treibhäusern kommen: Feigen, Myrthen, Lorbeer, Oleander, Cypressen und wie viel Anderes noch, dazwischen das Gewinde des wilden Weins. Hier in freier Haide hat wie das andere Gebüsch auch der Lorbeer etwas Stachliches. Nicht minder ungewohnt als solche Haide ist dem Nordländer der Blick auf die Ebene, in welche ich allmählig herabkam. Man sieht auf weite Felder mit silbergrau glitzernden Hainen, da wachsen die Oliven, dazwischen Reihen von üppigen Maulbeerbäumen und hellgrünen Rebenäckern ohne Pfähle, hin und wieder Strecken von rothem Boden oder von Haidegebüsch. Unsern Feldern ist ein ernster Charakter aufgedrückt, dies hier ist alles sanft und weichlich unter einander gestreut. Dem Weinstock wird wenig Pflege gewidmet, er wuchert über dem Boden. Desto sorgfältiger muß der Oelbaum gewartet werden, überall sah ich die Erde um die Stämme häufen. Die Oelbäume bleiben immer rund und zart, ihr Laub vom Winde bewegt rischelt nur, sie streben nicht auf zum Himmel, sondern wölben sich in niedrigen sanften Linien, um den Thau des Himmels und die Sonnenblicke zu hegen. Wälder von Eichen und Buchen gehören nicht unter diesen ewig blauen Himmel, sondern nur dahin, wo der Sturm die Wolken peitscht und die Gießbäche. Die hellgrauen Ortschaften haben sich dicht und fest zwischen die Hügel gebettet, Häuser und Geräth tragen den Rost des Alterthums, in diesen Gegenden haben schon lange lange die Geschlechter der Menschen abgewechselt. Die niedrigen kleinen Steinhütten hatten schon vor Jahrtausenden diese grüne Umhüllung von dunkeln Cypressen und Myrthen und voll blühenden Mandelbäumen und Oleandern. Das Volk arbeitet und ißt, lacht und ruht in den engen Straßen, wo die Häuser kühlen Schatten werfen. Das Innere seiner Wohnungen aber ist dunkel, ärmlich und schmutzig.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band II