V. Von den Wismarschen Gewohnheiten bei Leichen und Begräbnissen.

Wie es die alten Wandalen, ingleichen die alten Wenden mit ihren Leichen und deren Begräbnissen gehalten haben, solches ist gehöriger Maßen angezeigt worden. Es mag demnach jetzt etwas Näheres folgen, und da ist es schon was merkliches, daß man vor Zeiten in Wismar bei den Leichen gewisse Klage-Weiber gehabt, man kann jetzt nicht wissen, wie diese Klage-Weiber es gehalten haben, das aber hat man gefunden, daß man sie im Jahre 1350 abgeschafft habe. Noch etwas besonderes ist es in alten Zeiten gewesen, daß ein sogenanntes Schier-Lacken an den Thüren der Häuser, in welchen Leichen gewesen, gehangen worden, welche Mode im Jahre 1420 durch obrigkeitliche Verordnung abgeschafft worden.

Die Frauen-Folge bei den Leichen ist im Jahre 1387 in Wismar schon gebräuchlich gewesen, und mögen noch weiter hinaus ziemlich viele Frauen mit zu Grabe gegangen sein, aber im jetzt gedachten Jahre hat man dieselbe auf sechs Paar gesetzt. Im Jahre 1418 hat man die Zahl der nachfolgenden Frauen noch kleiner gemacht und sie auf drei Paar reducirt; im Jahre 1631 man die Folge gänzlich abschaffen wollen, aber sie ist dennoch bis zum Jahre 1668 beibehalten worden. Von jetzt gedachtem Jahre an aber hat man weiter, ohne was zuweilen bei einigen adligen Leichen geschehen, keine Frauen zu Grabe folgen sehen.


Auch das ist ehedessen eine besondere Gewohnheit bei den Wismarschen Leichen gewesen, daß man bei männlichen Leichen einen Rock, bei weiblichen Leichen aber einen Hoicken oder kleinen Mantel auf die Leichen gelegt, und sind solche Sachen der Kirche, in welcher das Grab gewesen, heimgefallen. Den Predigern zum Besten hat man vor Zeiten bei den Leichen geopfert, doch hat man das Opfern abgeschafft und den Predigern, der Folge wegen, etwas in ihre Häuser zu senden angefangen.

Noch hat man, wann ansehnliche Leichen gewesen, vor denselben geläutet, doch dieses Vorgeläute ist im Jahre 1581 der damaligen Pest wegen abgestellt worden. Wie die Armen den Leichen-Begleitern gar zu häufig nachliefen und von denselben ein Almosen haben wollten, hat man Gelegenheit genommen, die noch bei den Leichen gebräuchlichen Armenbüchsen zu verordnen. Im Jahre 1658 hat man bei den Wismarschen Leichen unter Kindern noch mit gesungen, das Lied: ,,O Herr Gott begnadige mich." Daß man in alten Zeiten lange nicht so hohe Särge gebraucht, als in den neuern, ist auch gewiß, das aber scheint eine alte Gewohnheit zu sein, welches noch jetzt geschieht, wenn auf den ansehnlichsten Leichen ein weißes Kreuz gelegt wird. Von den Leichen-Predigten, welche vor einigen Jahren noch viel öfterer gehalten worden als jetzt, hat man noch dieses gefunden, daß im Jahre 1658 den Kindern und andern jungen Leuten dergleichen zu halten, abgeschafft worden. Daß einige vornehme Leichen, insonderheit der wohlsel. Frau Vice-Präsidentin v. Cojetten Leiche, auf schwedische Manier begraben worden, wissen die Meisten noch. So ist auch bekannt, daß bei öffentlichen Begräbnissen der allervornehmsten Leichen ein Vor- und Nach-Geläute, bei andern ein Nach-Geläute noch heute gebrauchlich sei, und wer weiß nicht, daß des Mittags, wenn ansehnliche Leichen vorhanden, einige Sterbelieder auf den Glocken gespielt werden. Daß in den letzten Jahren die Beisetzung der Leichen, oder die Abend-Begräbnisse häufiger verrichtet worden als vorhin, kann man auch nicht läugnen. Was aber die sogenannte Seelen -. Mahnersche, oder die alte Frau, welche noch heute bei allen öffentlichen Leichen vor der Schule hergeht, und dieselbe, ja die ganze Leichen-Prozession aufführt, ehedessen vor ein Amt gehabt, welches zu ihrem seltsamen Namen Anlaß gegeben, solches hat man aller angewandten Mühe ungeachtet, gar nicht erfahren können; das kann man sagen, daß ehedessen gewisse Frauen das Leichengeld für die Kirchen geholt und also zuweilen gemahnt, aber Geld-Mahnersche ist doch noch keine Seelen-Mahnersche. Ob es so viel als Seelen-Badersche, und so auf den Seel-Bädern gesehen werden, ist auch ungewiß.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar