II. Von der Zahl und Eintheilung der Bürger und Einwohner.

Dasjenige so von der hiesigen ordinairen Bürgerschaft aber zu werfen ist, ist dieses, daß dieselbe nicht allzeit gleich zahlreich und stark gewesen, und daß selbige vor vielen Jahren schon in gewisse Classen oder Stände eingetheilt worden sind.

Was die Anzahl anbelangt, so fehlt es an Nachrichten, wie groß dieselben im Jahre 1300 und noch weiter hinaus gewesen. In der Bantzekauischen Tragödie oder in der Beschreibung der innerlichen Unruhe, welche 1427 entstanden, findet sichs indessen, daß an die drei bis viertausend Bürger und Einwohner mit ihrem Wehr und Waffen auf einmal zusammen gelaufen sind, dabei doch wohl zu glauben ist, daß noch ein guter Theil wohlgesinnter ruhiger, Leute zu Hause geblieben war; nach obgedachter Zeit hat die Zahl der Bürger und Einwohner mehr ab- als zugenommen, sogar daß man an einem Orte gewisse Nachricht gefunden, es sei zu der sogen. kais. Zeit oder ungefähr 1630 die Stadt von 3000 wehrhafter Mannschaft bis auf 300 herunter gekommen, diese kleine Zahl ist 1670 so hoch wieder angestiegen, daß bis 1400 Bürger vorhanden gewesen sind, anstatt deren man i. J. 1720 kaum 800 zählen konnte. Inzwischen hat man doch 1716, als in der damaligen Bloquade ein Jeder ansagen mußte, wie viel Personen, alt oder jung, männlichen oder weiblichen Geschlechts er in seinem Hause hätte, in allen 20000 Seelen rechnen wollen, unter welchen fast die Hälfte zur Militz zu rechnen war. Die Einteilung der hiesigen Bürger und Einwohner betreffend, so sieht man in alten Hochzeitsordnungen, daß 1587 schon unter dem ersten, zweiten und dritten Stand ein Unterschied gemacht wurde, welcher Unterschied 1648 sehr geändert worden war, und 1661 noch weiter sollte geändert werden. Wer wissen will, wie es 1618 gelautet, der merke folgendes Der erste Stand und dessen primum membrum, die Hrn. Bürgermeister, Syndici, Doctoren, Licentiati, Pastores und sämmtliche Prediger allhier, Raths-Verwandte und Sekretarii, und die mit im Rathe sitzen, sammt deren Hausfrauen und Kindern Secundum membrum Rector und Conrector, Brauer und vornehme Schneider, vornehme Kaufleute, vornehme Gastgeber, Apotheker, Weinschenker, vornehme Seiden- und Gewürzkrämer, Destillateurs, Münzer und deren Haus-Frauen und Kinder. Der andere Stand und dessen primum membrum Kämmerei- und Gerichtssekretarii und andere Amtsbediente, die Collegä Scholä, Organisten, Obergerichts-Procuratoren, Notarii, die übrigen geringen Schneider, Kaufleute und Kramer, Bortenmacher, Sattler, Goldschmiede, Perlensticker, Barbiere, Kunstpfeiffer, vornehme Schiffer, Grubenmüller, Huthstaffirer, Kontrafeier, die vier Gewerbe, als Wollenweber, Schmiede, Schuster und Becker, die Freibecker, Freischuster, Kleinmacher, Schneider, Maler, Nadler, Buchbinder, Essig-Brauer, und der vornehmsten Zünfte, Schenken, Secundum membrum, Kannen- und Grapengießer, die sämmtlichen Hacker, Körsner, Raschmacher, Gerber, Böttcher, Frei-Kimmer, Riemer und Beutler, Kupfer-schmiede, Glaser, Tischler, Fleischer, Hutmacher, Pantoffelmacher, Färber und Zwilliger, Schwerdfeger, geringe Herbergirer, Travenfahrer und Holz-Schiffer, Leuchtenmacher, Töpfer, Zimmer- und Mauer-Meister, Land-Kutscher, Radmacher, erbgesessene Bauleute, Gaarbräter, des Raths reitende und Hausdiener, die übrigen und geringeren Gesellschaft-Schencken und dergleichen. Der dritte Stand, die Bootsleute, Kammacher, Grütz- und andere Müller, geringe Fuhr- und Bauleute, Schopenbrauer, Träger, Tagelöhner, Holzsetzer, Steinbrügger, Altflicker, Altlapper, Altschneider, Altbinter, der Aemter Knechte und Gesellen, die hier Feuer und Rauch halten, Fischer, Holzträger, Büttenmacher, das Gesinde an Knechten und Mägden etc. Daß es, wenn man heute einen völligen Aufsatz machen wollte, in vielen Stücken ganz anders lauten würde, als es allhier lautet, kann ein jeder leichtlich beurtheilen. Wenn man aber den rechten Anfang der bürgerlichen Eintheilungg treffen wollte, so würde man gewissen Urkunden nach wohl bis 1379 zurück gehen müssen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar