I. Von Visimaro, dem ersten Beherrscher Wismars.

Daß Wismar verschiedene Könige, Fürsten und Herren als Landesobrigkeit anerkannte, ist gewiß. Es wird indessen unter den alten Wandalischen Königen Wisimarus als der erste Regent dieses Orts von Vielen angegeben, und wird es deshalb am Platze sein, sich hier genauer nach demselben umzusehen. Man setzt als ausgemacht voraus, daß früher die Wandalen diese Länder bewohnt, vid. Bangert. ad lib. I. cap. 2. Helmoldi pag. 6 sqq., nun ist zwar an dem, daß Crantzius in Wandal. Helmoldus in Chron. Slavorum, Calovius oder Mylius in ihrer Mecklenb. Chronic. Lamb. Schaffnaburgensis de Rebus German. Victor Uticensis de Persecut. vandal Procopius Caesariens in historia Wandal. und andere ihres gleichen den Wisimarum gar nicht nennen, aber es thun doch solches Nicol. Mareschal. Thurius lib. I. Annal. c. 4. lib. c. 12, welchen Lazios de Migrationn Gent. lib. 12. p. 756, Werdenhag. de Reb. Hanseat. part. III. c. 2. p. 661, sq. Munsterus in Cosmogr. lib. 3. p. 1125, Petersen in der Holstein. Chron. S. 20, Reusner. in Opere Geneal. sub tit. Stirps Herula, p. 452, Dresser, in Isag. Hist. part. 2. Millen. 6. p. 531 und nebst noch vielen andern Bernh. Latomus in Genealochr. ad an. 329 oder 331, Joh. Fried. a Chemnitz in Chron. Mag. ad an. 341 und in Genealog. Ducum Magnopol. gefolgt und ihn als schon i. J. 300 regiert beschrieben. Wer bedenkt, was erwähnter Mareschallus in Dedicat. Annal. gesagt, kann nicht anders urtheilen, als er habe in dem Hochfürstl. Archiv solche Monumenta angetroffen, die ihn bewogen, Wisimarum nicht allein als einen Wandalischen König, sondern auch als einen Erbauer und zugleich als den ersten Regenten der Stadt Wismar anzugeben. Doch wenn dieses auch nicht gewesen, so hätte doch dasjenige, was Jornandus de Getharum s. Gothorum origine et reb. gest. c. 22 p. 641, edit. Grot. aus dem Deuxippo von Wisimaro beigebracht, gedachten Mareschall (der I. c. wirklich auf diese AA. sich berufen, und sie also gekannt), genug Anlaß zu dergleichen geben können, um so mehr da der bekannte Grotius, der vielleicht von dem Mareschall nichts gewußt in prolegomenis ad Gothiha p. 56 Wisimarum auch unter den Wandalischen Königen rechnet und S. 602 durch Sapientia clarum, das ist einer der seiner Weisheit wegen berühmt gewesen, erklärt, denn man kann Deuxippi’s und Journandi’s Worte, die sie von dem Lande aus welchem Wisimarus mit seinen Vandalen gezogen, am allerfüglichsten auf diese Gegend beziehen.

Will man sagen: Gesetzt daß Wisimarus in dieser Gegend zu Hause gehört, doch noch nicht erwiesen sei, daß Wismar zu seiner Zeit schon erbaut gewesen, so diene zur Antwort: von der Erbauung der Stadt wird später in der vierten Abhandlung Mehreres zu finden sein. Hier genüge wenn gesagt wird: Hat Wisimarus hier als König der Wandalen gelebt, so fann er auch füglich Wismar erbaut haben.


Wird weiter eingewandt, die Wandalen hätten verschiedene Könige gehabt, z. B. die Mecklenburger einen, die Wagrier einen, die Heruler einen, die Rügianer einen, die Kissiner u. s. w. einen, Man daher nicht wissen könne, ob Wisimarus nicht über die Heruler oder Wagrier etc. geherrscht, und wenn dieses etwa geschehen so habe er Wismar nicht erbauen können, hierauf diene zur Antwort: daß die Ansicht, als hätten die Vandalen zu einer Zeit verschiedene Könige gehabt erst erwiesen werden muß. Bisweilen mögen diese Völker getheilt gewesen sein, mitunter mögen sie einen König gehabt haben. Will man ja von den wendischen Königen Billungo und Pribislav berichten, daß ihre Herrschaft von der Weser bis an die Weichsel sich erstreckte. Wer von Wisimaro nicht glauben will, daß er über die gesammte Wandalen zu seiner Zeit, und besonders über diejenigen, die in der Wismarschen Gegend gewohnt, geherrscht habe, der nenne einen andern, der damals die Oberherrschaft über diese Länder in Händen gehabt.

Weiter will man sagen: Wenn Wisimarus auch über alle Vandalen zu gebieten gehabt, so wisse man doch, daß diese Leute, wenn sie ausgezogen (wie zu Wisimari Zeiten geschehen) einen besonderen König zu solchem Zuge erwählet, der zu Hause nichts zu sagen hatte. Und da scheine es fast, als wollten Deuxippus und Jornandes zu erkennen geben, daß Wisimarus auch nur ein solcher Reise- oder ausheimischer König gewesen, denn sie berichten, er habe zu dem Asdinger Geschlecht gehört, welches eben nicht die königliche, sondern eine vornehme wandalische Familie gewesen. Er habe also Wismar um so weniger erbauen können, da er im Lande nichts zu sagen gehabt, sei auch gar nicht als ein Regent dieser Stadt anzusehen. Aber man antwortet: 1) die Wandalen haben es vermuthlich bei ihren Zügen wie die Gothen gehalten, die freilich in gewissen Fällen einen besonderen Reisekönig erwählt, zuweilen aber ihren rechten einheimischen König mitgenommen, vid. Nicol. Petrejus de Cimbrorum et Gothorum Origin, Migrat. bellis et Coloniis p. 21, 40 sqq., da man beides findet. 2) Die Wandalen haben, besonders bei größeren Zügen, den einheimischen König oder einen von dessen Familie mit auf die Reise nehmen müssen, weil sonst der Reisekönig mit seinen Gefährten, wenn er des Zuges überdrüssig wurde, oder die Regiersucht daheim ihn ankam, den einheimischen mit seiner geringen Anzahl leicht überwältigen, und seine Länder ihm wegnehmen konnte. 3) Daß die Reisekönige der königlichen Familie gehörten ist offenbar. Liest man doch bei Procopio lib. 2, Histor. Gothic. p. 259 edit. Grot. daß die Heruler, als sie in der Fremde ihren König verloren, Leute nach Hause sandten und von dort einen neuen König aus der einheimischen königlichen Familie holen ließen. Gedachter Procopius meldet lib I. Histor. Wandal. p. 37 sqq. ganz deutlich von diesen Leuten, obwohl sie draußen gelebt, seien sie doch Könige über ihre Heimath geblieben und überließen keinem andern die Herrschaft über ihre Länder, diesem ist beizufügen, was derselbe Procop. lib. I. Vandal. p. 11. sqq et p. 24 sqq. von Gizerichs Testament, die Succession in der königlichen Familie betreffend, angeführt, ebenfalls was Histor. Gothica lib. 1. p. 171 sqq. von einem, der draußen König werden sollte, aber weil er nicht von der königlichen Familie gewesen, durch eine Heirath mit derselben sich verbinden mußte, zu lesen. 4) Das Geschlecht der Asdinger kann Wisimarum von der königlichen Familie nicht ausschließen, denn die königlichen Familien theilen sich sehr häufig. In Frankreich z. B. wo die Capetinger die vornehmste königliche Familie war, konnte die Valesische Linie nicht eher zur Regierung gelangen bis die Capetinger abgegangen. So konnten auch die Asdinger wohl die vornehinsten sein in der königlichen wandalischen Familie. Hier kann man nicht unberührt lassen, daß noch bis auf diesen Tag in unserm Wismar, vielleicht auch in der Nachbarschaft, kleine Kinder, wenn sie vor andern sich etwas herausnehmen, oder ihren eigenen Willen haben wollen, halb im Scherz, halb im Ernst die Asdinger genannt werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar