1. bis 31. Dezember 1712

Den 3. Decbr. Abends zwischen 6 und 7 Uhr kamen Sr. Hochgräfl. Excell, der Hr. Graf Steenbock mit einigen vornehmen Offizieren von der Armee herein; man wollte sie mit Kanonen begrüßen, aber sie haben es selbst verboten. In der Suite befand sich unter andern der Hr. Generalmajor Poniatowsky, der Hr. Graf Brahe etc.; man erfuhr zugleich, daß unter den kriegenden Parteien ein Waffenstillstand vom 1 bis 15. Dec. in Güstrow abgeschlossen wurde.

Den 5 Dec. und nachher wurden in der Stadt alle Bretter und Balken, die nur zu bekommen waren, für die Armee ausgekauft; von vornehmen Offizieren kamen täglich mehrere herein.


Den 6. Dee. Abends kam der Hr. Lottum, welcher als Oberstlieutenant unter dem König von Preußen stand, mit Briefen an den Hr. Grafen Steenbock, deren Inhalt man zwar nicht erfuhr, allein aus einigen Umständen konnte man schließen, daß nicht eben das Beste darin enthalten war.

Den 9. Dec. und die folgenden Tage hindurch wurden von den vorhin gekauften Materialien in aller Stille auf dem hiesigen Zeughofe einige Brücken gemacht; unter der Hand ward ein gewisser Major nach der Trave gesandt, welcher an derselben auf und abfuhr und die Breite wie auch die Tiefe dieses Stromes so gut er konnte recognoscirte.

Den 10. Dec. kam ein Moskowitischer General-Adjutant nebst einem Tambour herein, der sogleich wieder expedirt wurde; des Abends kamen 3 dänische Offiziere hier an, die früher zu der hiesigen Garnison gehörten und brachten die Nachricht, daß die Dänen etwa 16,000 Mann stark den Marsch nach bem Mecklenburgischen angetreten hatten. Man sah um diese Zeit alle Tage ganze Heerden Ochsen, viele Wagen mit Fourage und dergl. durch die Statt passiren, welche aus dem mecklenburgischen nach dem schwedischen Lager geliefert wurden.

Den 11. Dec. kam der Generallieut. Docker an, ging aber, nachdem er eine kurze Zeit mit Sr. Excell. dem Hrn. Grafen Steenbock sich besprochen, wieder nach der Armee. (Einige wollten wissen, daß der König Stanislaus incognito sich in seiner Suite befunden und als Capitän hier einen Paß genommen hatte, mit welchem er über Schwerin und so weiter gegangen.

Den 12. Dec. vermehrte sich bas Gerücht von dem Anmarsch der Dänen, deswegen auch alle Hoffnung, welche man auf Prolongation des Waffenstillstandes gemacht hatte, zu Wasser wurde. Gegen Mittag ließen Sr. Excell. der Hr. Graf Steenbock einige Deputirte von dem hohen kön. Tribunal, desgleichen einige des Raths, wie auch aus der Bürgerschaft in des Hrn. Bürgerm. Kuhlmanns Hause zu sich kommen, redete dieselben auf das bewegteste an und gab zu erkennen, daß der gehoffte zweite Transport aus Schweben wohl ausbleiben dürfte, doch hoffte er zu Gott, daß er seinem kleinen Häuflein helfen würde; rühmte dabei die von der Stadt und Bürgerschaft während der Bombardirung bewiesene Treue und ermahnte sie so fortzufahren, mit dem Versprechen, Alles was er zum Besten der Stadt thun könne, gerne beitragen zu wollen; doch da er sich jetzt wieder zu der Armee begeben müßte, wünschte er zugleich: Gott wolle die sämmtlichen Einwohner in ihren Hütten schützen und ein Streiter auf ihren Wällen sein etc. Dem Hrn. Grafen antwortete der Hr. Vice-Präsident, wünschte Sr. Excellenz zu der Reise wie auch zu Allem, was noch vorfallen möchte, Glück und versicherte, in allen Verhältnissen die unterthänigste Treue gegen Sr. Majestät zu bewahren. Balb darauf reisten Sr. Excellenz wirklich von hinnen. Es wurden heute auch 10 Wagen, deren jeder 2 Tonnen Pulver, eine Kiste mit Kugeln oder Flintensteinen, auch eine ziemliche Quantität weißes Papier zu Patronen enthielt, nach dem Lager abgesandt. Dagegen kamen gegen 300 Wagen herein, welche einige 40 Last Korn von Lübeck brachten, die ins Magazin geliefert wurden.

Den 13. Dec. und die folgenden Tage wurde das von den erwähnten Contributionsgeldern Restirente beigetrieben. Die meisten von den gestern angekommenen Wagen würden heute mit Biscuit nach dem Lager wieder fortgesandt; gegen Abend kam eine andere Menge Wagen mit Heu etc., auch wurde eine Menge Vieh herein und zum Theil durchgetrieben.
Den 14. Dec. kamen 16 Wagen mit Kranken von der Armee herein. Des Abends blieb die Lübsche Post aus, weil die Dänen dieselbe geplündert und nach ihrem Lager geführt hatten. Die Unsrigen fingen an, um den Ausmarsch der Dänen zu hindern, die Brücken allenthalben abzuwerfen, dadurch aber geriethen dem Feinde 40 mit Korn beladene, von Lübeck hieher bestimmte, Wagen in die Hände.

Den 15. Dec. wurde etwas Proviant nach der Armee gefahren, dagegen kamen von derselben einige Wagen mit Kranken und etwas Bagage herein. Die Dänen näherten sich an der einen, die Unsrigen an der andern Seite, und diese kamen heute in dem Neuen-Closterschen zu stehen. Vor dem Hafen lagen jetzt wohl 6 dänische Schiffe, daß also nichts heraus oder herein kommen konnte.

Den 16. Dec. kam die Fr. General. Dückern und Fr. General. Tauben von der Armee herein, auch einige Wagen mit Kranken, desgleichen einige Wagen des Stanislai kamen herein. Auch brachten die Unsrigen 2 moskowit. Wagen ein.

Den 17. Dec. Morgens um 5 Uhr ward durch den Bürgermeisterdiener den Bürgern überall angesagt, es sollte ein Jeder den Tag über seine Thüre zuhalten, weil ein Theil der Armee durchmarschiren würde und Einige vielleicht sich in die Häuser zu verstecken suchen möchten. Von der hiesigen Garnison gingen 600 Mann mit 8 Stücken aus. Um 9. Uhr kam eine große Menge von Bagage, die noch zu der Armee gehörte, durch das Alt - Wisrnarsche Thor herein und ging aus dem Mecklenburger wieder heraus; die Armee selbst war schon zum Theil die Nacht hindurch oben weggegangen, die Uebrigen folgten jetzt. Gegen Abend kamen sehr viele Wagen, auch polnische herein, welche des Nachts, wie auch des folgenden Tages fast alle in der Stadt blieben; die Bauern bei diesen Wagen hatten weder Futter für die Pferde noch Essen für sich und fingen an zu betteln, so gut sie konnten.

Den 18. Dec. vermuthete Jeder ein Treffen, weshalb man überall um einen guten Ausschlag auf unserer Seite zu Gott seufzte; die Frau Generalin Dückern ließ, weil es eben Sonntag war, in allen Kirchen in den Hauptpredigten das Kirchengebet für ihren Gemahl verrichten. Von Güstrow kam heute ein Tambour wieder; des Abends kamen auch die von der Garnison Auscommandirten nebst den Stücken wieder und man hörte, daß sie bei Mecklenburg und der Orten postirt waren, den Marsch der Unsrigen einigermaßen zu decken. Von und nach der Armee war heute sehr viel Reiten und Fahren und man hörte, daß die Unsrigen bis Metteln, Dambeck und der Gegend avancirten, die Dänen aber standen noch bei Gadebusch. Jetzt fror es ziemlich stark, weshalb die Leute im Felde, die fast Tag und Nacht unter freiem Himmel standen, von der Kälte gar viel litten.

Den 19. Dec. kamen wieder einige Wagen mit Kranken von der Armee, wovon schon einige unterwegs gestorben waren. Mit dem Marsch der Armee ging es ziemlichlangsam fort und wie man hörte, folgten die Moskowiter den Unsrigen.

Den 20. Dec. wurde berichtet, daß die Moskowiter bis Neuen-Kloster gestreift, und da, wie auch sonst überall, alles ausgeplündert hatten. Die von der Armee herein Gesandten, nun aber wieder gesund gewordenen, wurden jetzt wieder nach der Armee abzugehen beordert. Es fing auch heute wieder an zu thauen und regnete und stürmte ziemlich stark.

Den 21. Dec. oder in der Nacht vom 20. auf den 21. Dec. kam ein von dem Feldmarschall Steenbock an den Generalmajor abgefertigter Courier, welcher die höchst angenehme Nachricht brachte, daß die Unsrigen gestrigen Tages von 12 Uhr bis Abends mit den Dänen, welche schon einige Sachsen und Moskowiter bei sich hatten, unweit Gadebusch gefochten und den Sieg erhalten. Diese höchsterwünschte Nachricht wurde sogleich hin und wieder kundgemacht, mit anbrechendem Tage aber wurde es allenthalben bekannt und erweckte eine unbeschreibliche Freude in der Stadt, welche bisher vor Kummer und Sorgen fast außer sich war. Den Tag über erhielt man die Bestätigung dieses Sieges, auch kamen einige Blessirte in die Statt, von denen man erfuhr, daß ein sehr scharfes Gefecht gewesen war. Die Unsrigen eroberten, nachdem sie die feindliche Armee in die Flucht gejagt hatten, die feindliche Artillerie und Bagage. Auf dem Platze waren ungefähr 3000 geblieben und an Gefangenen hatten man, ohne die Offiziere, deren auch über 100 waren, bei 4500 Gemeine bekommen.

Den 22. Dec. kamen wieder einige Blessirte von unserer Armee herein, wie auch einige von der dänischen Armee, welche während des Treffens entkamen.

Den 23. Dec. streifte eine Partei Sachsen von 100 Mann, nebst 30 Husaren und Kalmücken von den Moskowitern nahe vor Wismar, kamen des Abends am Rothen Thor, wo sie 2 Bürger und einen jungen Menschen, welche nach dem Lager waren, antrafen und gefänglich mit sich nach dem Lager nahmen. Den Müller aus der Mühle daselbst nahmen sie gleichermaßen eine Ecke mit sich, ließen ihn aber hernach wieder laufen und verübten auf der Mühle sonst noch allerhand Excessen.

Den 24. Dec. wurde unserer Blessirten halber Anstalt gemacht und mußten Betten und Lacken herbei geschaft werden, besondere zur Bequemlichkeit der blessirten Offiziere. Auch wurde Anstalt gemacht, die Gefangenen, welche hereinkommen sollten, zu logiren.

Den 25. Dec, als am ersten Weihnachtstage, dankte man dem lieben Gott in öffentlicher Gemeine für den erhaltenen herrlichen Sieg, es war aber jetzt Ordre gekommen, einen besonderen Danktag deswegen zu halten. Heute ging fast die ganze Garnison hinaus, um die Gefangenen, welche nun schon nahe wären, herein zu holen. Gegen Abend kam der Hr. Feldmarschall selbst nebst einigen hohen Offizieren herein, doch abermals ganz in der Stille. Eben diesen Abend mußten die Bürger den Anfang zu der Reserve machen, welche künftig der Gefangenen wegen gehalten werden sollte.

Den 26. Dec. Mittags kamen die Gefangenen wirklich herein und zwar auf folgende Art: Voran fuhren 12 Bauerwagen, auf deren jeden 1 von den eroberten dänischen Stücken und andere Sachen lagen. Diesen folgten 4 von unseren Hautboisten. Hinter denselben wurden 6 dänische Fahnen von 6 gemeinen Soldaten getragen. 4) kamen die gefangenen Offiziere. 5) marschirten einige Compagnien von der hiesigen Garnison, welche der Oberst Hesko selbst führte. Hierauf kam 6) eine ziemliche Anzahl Gefangener, welche alle roth uniformirt waren. 7) marschirten wieder einige Compagnien unserer Garnison mit 4 Hautboisten. Darauf folgten 8) abermals viele Gefangene, weiß gekleidet. 9) Noch verschiedene Gefangene, wieder roth gekleidet und zum Theil gestiefelt. Den Schluß machten 10) viele Wagen mit Blessirten unserer eigenen Leute, desgleichen ein Wagen mit Heerpauken und vielen anderen Sachen. Dies alles passirte vom Lübschen Thor nach dem Markte, worauf die Gefangenen sogleich vertheilt und weggebracht wurden, und zwar nach dem Tribunal, in v. Deilen’s Haus an der Grube, aus dem Zeughofe und so weiter.

Den 27. Dec. kamen noch einige Wagen mit schwedischen Blessirten herein; die, welche noch gehen konnten, wurden bei den Bürgern durch die ganze Stadt, die übrigen aber, welche am ärgsten zugerichtet waren, in die größten Häuser, die leer standen, verlegt. Auch wurden die Wagen, welche die Blessirten herein brachten, mit den vorhin gemachten Brücken beladen und gingen nach der Trave; den Fischern und Schiffern wurden auch viele weggennommen, die ebenfalls zu Wagen fort mußten; von Ankern und Tauen wurde nicht weniger etwas gefordert und mußten auch einige Zimmerleute mit, um über die Trave eine Brücke zu schlagen, weil der Hr. Feldmarschall sich vorgenommen, mit der Armee nach Holstein zu gehen. Noch sind verschiedene dänische Offiziere als Gefangene herein gekommen.

Den 28. Dec. kamen wieder Blessirte von der Armee, dagegen ging der Hr. Feldmarschall heute, wieder fort und mußten auch die Kranken aus der Armee, welche vorhin herein gekommen waren und nun wieder gesund geworden sind, etwa 300 Mann, wieder ausmarschiren und zu der Armee stoßen. Von den herein gekommenen Blessirten starben einige jetzt. Aus den Gefangenen wurden diejenigen, so in dem vorigen Ausfall gefangen genommen und hernach in dänische Dienste getreten waren, ausgesucht, um unter ihre vormaligen Compagnien gesteckt zu werden.

Den 29. Dec. kamen mit einer Postjagd einige Offfziere aus Schweden an, welche von dem andern Transport und dessen baldige Ankunft alle Versicherung gaben. Die den 23. d. gefangen genommenen Bürger hatten die Sachsen gutwillig wieder gehen lassen und sie stellten sich hier wieder ein. Sonst passirten die Unsrigen über ihre gemachte Brücke heute die Trave und quittirten also Mecklenburg.

Den 30. Dec. wurde das Dankfest wegen des erhaltenen Sieges gefeiert. Es ging der Gottesdienst an wie sonst an den Bettagen, weil aber nur 2 Texte von dem Hrn. Feldmarschall zu den Predigten verordnet waren, so ward gar keine Frühpredigt gehalten. Mittags und Abends ward nach geendigtem Gottesdienst jedesmal ein Danklied auf den Glocken gespielet, doch wurden keine Kanonen gelöst. Es ist auch zu merken, daß eben der Danktag auf den Freitag fiel, der vorm Jahre der Neujahrstag und so zugleich in der damaligen Bombardirung der allerschwerste gewesen war. Gottes heilige Regierung und Führung hat denselben, nach dem ehemaligen Angsttage, jetzt zu einem größern Freudentag gemacht, wofür man ihm billig vom Herzen danken mag.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar