1. bis 31. Januar 1716

Den 1. Jan. ward wegen des aus Schweden berichteten hohen Todesfalls der Königl. Fr.Groß-Mutter in den Kirchen das Orgelspiel eingestellt, doch ward nicht, wie sonst gewöhnlich, deshalb mit den Glocken geläutet auch keine Kanzel schwarz bezogen. Die obgemeldeten schwedischen Convoje-Schiffe gingen in die See, damit sie nicht anfrieren. Abends kamen von dem aus 700 Mann bestehenden Transport, deren Oberst Witting war, einige 100 Mann ans Land und die Uebrigen wurden die folgenden Tage nach geschehener fleißiger Aufeisung, welche sowohl des Tags als des Nachts geschehen mußte, nach und nach herein gebracht.

Den 2. Jan. erfuhr man, daß in der vorigen Nacht 8 oder 10 Mann von unserer Infanterie desertirten, denn sie konnten jetzt, da alles zugefroren war, allenthalben sicher überlaufen.


Den 3. Jan. ward der Bürgerschaft angezeigt, wer Lust hätte noch einmal die angekommenen Schiffe herein eisen zu helfen, sollte sich melden und für seine Mühe ein Faß Roggen haben, wodurch fast alle zu dieser Arbeit sich bewegen ließen.

Den 4. Jan. ward ein gedrucktes Patent wegen des metallenen Geldes publizirt und angeschlagen, woraus man sah, daß Platten von 8, 6, 3, 1 ½ und ¾ Pfund, auch 12 Loth vorhanden waren und nach Proportion 8, 4, 2, 1 Mk., 8 und 4 ßl. gelten sollten; die Platten waren alle viereckig, in den vier Ecken stand die Jahreszahl 1715, in der Mitte der Werth in einem Cirkel eingeschlossen und über diesen der kleine Stempel der Stadt, auch brachte heute ein dänischer Tambour Briefe an den Generalmajor, dem auch einige wieder mitgegeben wurden.

Den 5. Jan. Abends gegen 4 Uhr gingen die Bürger unter Bedeckung der Cavallerie und 400 Mann von der Infanterie, die bei der Ziegelei vor dem Poeler Thor postirt wurden, hinaus, die draußen liegenden Transport-Schiffe beim Mondschein herein zu eisen, und es waren dieselben den folgenden Morgen unweit von dem Baum. In der Stadt war Alles die Nacht über allart; der Generalmalor patrouillirte selber, die Bürgerwache ward diesen Abend nicht abgelöst; von den Feinden aber rührte sich auch diesesmal Keiner.

Den 6. Jan eiste man die Schiffe völlig herein. Zwei Unteroffiziere von dem Stackelbergischen Regiment, welche in Stralsund gefangen genommen wurden, nachgehends aber Reisepässe bekommen hatten, kamen heute herein. In der Nacht desertirten 8 Mann.

Den 7. Jan. ward ein hannoverscher Tambour von unserer Feldwache gefangen herein gebracht. Heute löschte man aus den angekommenen drei Proviant-Schiffen das darin vorhandene Korn, Mehl, Zwiebck, Branntwein, Wein und andere Victualien, auch Hemde, Strümpfe, ebenfalls Bomben, Pulver und Kugeln, welches alles an gehörige Orte gebracht wurde. Nach dem dänischen Lager ward ein Tambour mit Briefen gesandt. Als sich des Abends um 8 Uhr eine feindliche Partei nahe vor dem Lübschen Thor beim Mondschein sehen ließ, wurde sie mit einigen Kanonenschüssen sogleich zurück gewiesen.

Den 8. Jan. kam wieder ein Fähnrich und 1 Unteroffizier von den in Stralsund gefangen genommenen herein; auch kam ein hannöverscher Deserteur zu Pferde an. Unsere Feldwache vor dem Poeler Thor brachte einen dänischen Musketier, welcher von der einen Seite nach der andern übers Eis gehen wollte, gefangen herein.

Den 10. Jan. brachte ein dänischer Tambour-Briefe an den Generalmajor, wie auch etwas Geld für ihre Gefangenen herein.

Den 11. Jan. wurde 1 Tonne Bier an den preußischen Generalmajor hinaus gesandt.

Den 12. Jan. desertirten von der Cavalierie der Adjutant, 1 Corporal und 3 Dragoner. Die neulich angekommenen Schweden von des Obersten Wittings Regiment zogen heute zuerst mit auf die Wache, deshalb wurden die Bürger von den Wachen am Lübschen und Poeler Thor abgelöst, am Wismarschen Thor aber behielten sie noch die Wache. Heute kamen abermals Briefe und Advisen herein. Unsere Feldwache am Mecklenburger Thor brachte ein dänisches Pferd mit voller Montour herein, welches, weil dessen Reiter abgesessen war, davon und zu den Unsrigen überlief.

Den 13. Jan. desertirte noch ein Dragoner von der Feldwache vor dem Mecklenburger Thor, deshalb wurden die Feldwachen eingezogen und nur dann und wann Jemand zu recognosciren ausgesandt.

Den 14. Jan. brachte ein dänischer Tambour Briefe an den Generalmajor, ihm wurde eine Quittung des am 10. eingebrachten Geldes wegen wieder zurück gegeben.

Den 15. und 16. Jan. wurde eine gedruckte Verordnung publizirt und durch die Bürgermeisterdiener in der ganzen Stadt ausgetragen, in welcher enthalten war, wie sich ein Jeder in seinem Hause gegen eine zu besorgende Bombardirung vorbereiten sollte. Die Kälte war jetzt sehr heftig und das Auseisen um so beschwerlicher. Das Brodt ward jetzt täglich knapper, 2 Semmeln, die 6 Pfennige kosteten, wogen jetzt nicht mehr als 5 Loth und waren kaum zu bekommen. An Malz that sich gleichfalls ein Mangel kund; der Holzmangel aber war bei der gegenwärtigen Kälte der größte, daher Viele mit Rohr und Stroh einheizten.

Den 17. Jan. war die Kälte fast am heftigsten und Einige glaubten, daß sie härter war als im J. 1709.

Den 18. Jan. galt das Pfund Rind-, Kuh- und Schaffleisch 5 ßl., Schweinefleisch 6 ßl., ein Huhn 12 ßl., ein Pfund Licht 10 ßl., 1 Pfund Weizenmehl 5 ßl., das Lpf. Talg kostete 6 bis 7 Mark und war nicht einmal zu bekommen; eine Kuh ward für 30 Rthlr. verkauft. An Wasser fehlte es auch jetzt überall, weil fast alle Wasser-Röhren zugefroren waren und es mußten auch sogar die Brauer ihr Wasser zum Brauen aus der Grube fahren lassen.

Den 20. Jan. zeigte der Generalmajor dem Rath an, daß 1) die ledigen Personen, desgleichen die Armen aus den Gast- und Armenhäusern, ja sogar die Waisen aus der Stadt geschafft werden müßten, weil er, wenn dieselben anch künftig vor Hunger umkommen sollten, die Festung ihretwegen nicht aufgeben könnte; 2) daß man das Schiffsholz, das auf der Lastadie in ziemlicher Menge noch vorhanden lag, zu Fadenholz schlagen und zum Verbrennen verkaufen müßte; 3) daß man’anstatt des bisherigen gewöhnlichen Biers etwas schlechteres künftig brauen sollte, weil nicht gar viel Malz mehr vorhanden sei; 4) daß die Offiziere, welche bisher Service genossen, in ihre Quartiere einrücken und selbe in Wirklichkeit genießen sollten etc. Auch wurden heute 4 Dragoner, 2 vor dem Alt-Wismarschen, 2 vor dem Mecklenburger Thor auf Piquet commandirt und beordert, wenn etwa ein feindlicher Trompeter oder Tambour ankäme, demselben entgegen zu reiten, und sein Gewerbe anzunehmen. Ein hannoverscher Tambour brachte heute Briefe an den Vice-Gouverneur, desgleichen etwas Geld für die Gefangenen. Auch kam noch ein Weib mit Briefen herein. Ein Commando von der Besatzung auf dem Wallfisch, 20 Mann stark, hatte in der vorigen Nacht zu Fliemstorf die feindliche Feldwache von 10 Mann angegriffen, die ausgesetzte Schildwache todtgeschossen und 2 gefangen genommen, welche nebst 9 erbeuteten Pferden heute herein gebracht wurden.

Den 21. Jan. brachte ein dänischer Tambour Briefe an den Generalmajor, auch Zeug für die Gefangenen. Das Schiffsholz auf der Lastadie warb jetzt zu Fadenholz gemacht und der Faden für 6 Rthlr. zum Kauf gestellt, doch nahm die Krone nahgehends alles zu sich.

Den 22. Jan. Abends wurde der General-Adjutant Buck nebst einigen 40 Pferden und 50 Grenadieren, wozu 30 Mann vom Wallfisch stießen, nach Wieschendorf commandirt, die daselbst liegende feinbliche Wache anfzuheben; sie schossen auch die 2 Schildwachen nieder, retirirten sich hiernächst, nachdem sie einige Granaten in die Stube, woraus die Feinde auf sie feuerten, geworfen hatten und kamen den 23. Jan. mit 3 Gefangenen und 7 Pferden herein; unter den Gefangenen war einer, der am vergangenen Neujahrs-Abend desertirte; von den Unsrigen war ein Musketier blessirt, der auch nachher an seiner Blessur starb. Die Kälte war heute etwas gelinder als bisher, doch mußte das Eisen noch fortgesetzt werden.

Den 24. Jan. ward 1 Musketier von dem Fürstenbergischen Regiment, der desertiren wollte, vor dem Mecklenburger Thor vor der Wache aufgehangen; zugleich ward Adam Richter, aus Hof im Voigtland gebürtig, gewesener Adjutant hierselbst, welcher den. 12. Jan. desertirt war und 3 andere Dragoner verführt hatte, in effigie am Galgen geschlagen als Dieb und Deserteur. Die Uebrigen, welche mit ihm desertirten, wurden citirt, in 6 Wochen zu erscheinen, widrigenfalls ihre Namen an den Galgen geschlagen werden sollten. Jetzt drang der Generalmajor sehr darauf, daß die Armen Leute aus der Stadt fort sollten, weil der Mangel in der Stadt immer größer ward. Einige geringe Bürger, Handwerksburschen und dergleichen, machten sich auch wirklich übers Eis fort, andere nahmen Dienste unter der Artillerie, weil sie sich nicht erhalten konnten.

Den 25. Jan. galt das Pfund Kuhfleisch 6 ßl.; eben so viel galt das Schweinefleisch, Hammel- oder Schaffleisch aber 5 ßl. Der Scheffel Weizen galt jetzt 6 bis 7 Mk., Roggen 5 bis 6 Mk., Gerste 4 Mk. Und zwar gut Geld. Der Scheffel Malz, welcher vor einigen Tagen nur 40 ßl. kostete, stieg jetzt auf 3 Mark 8 bis 12 ßl. Auch hatte der Generalmajor der notleidenden Bürgerschaft zum Besten 5 Last Joggen der Obrigkeit überlassen, also ward heute der Anfang zum Austheilen gemacht, so daß ein Jeder einen halben Scheffel bekam.

Den 27. Jan. bemühte man sich 1) die Armen in der Stadt zu behalten, 2) daß es mit den Quartieren der Offiziere in statu quo bleiben möchte, aber beides vergebens, doch erhielten die Waisen die Freiheit, in der Stadt zu bleiben; der Vorschlag, daß die Linden und Weiden auf den Wällen umgehauen werden möchten, damit die Notleidenden bei anhaltender Kälte sich des Holzes bedienen könnten, ward auch refüsirt. Die dänische Feldwache, welche bisher hinter dem Wischberg gelegen hatte, wollte sich jetzt diesseits logiren, weil sie wegen Wind und Schnee an der andern Seite viel leiden mußte, allein sie wurde mit einigen Kanonenschüssen von der Bastion Hannibal genöthigt, sich wieder hinter den Berg zu ziehen. Auch ward heute ein Tambour aus der Stadt nach dem dänischen Lager gesandt. In der Stadt ward allen armen und losen Leuten angesagt, sich hinaus zu machen, und

den 28., 29. und 30. Jan. geschah eine General-Visitation, wo alle, welche sich hinaus machen sollten, notirt wurden, der Armen wegen aber in den Gasthäusern addresirte man sich an das hohe königl. Tribunal.

Den 29. Jan. ward die Visitation wegen der Armen auch auf einige Häuser, worin man noch einigen Vorrath an Korn vermuthete, erstreckt und fand auch auf dem Schweinkruge vor dem Poeler Thor etwas, welches man dem Waisenhause, sobald es ausgedroschen sei, zufließen lassen wollte. Nachmittags gingen unsere Dragoner aus dem Lübschen Thor, weil einige Lüneburger bei der dort gewesenen Ziegelhütte Holz hauten; diese gingen, sobald sie die Unsrigen merkten, zurück. Die Unsrigen kehrten auch wieder nach der Stadt und gingen gleich zum Mecklenburger Thor wieder hinaus, um die dänische Feldwache zu allarmiren. Heute kamen 1 Unteroffiziere, 3 von dem Stackelbergischen und 1 von dem Schulischen Regiment, welche in Stralsund gefangen worden waren, nachher aber Reisepässe erhielten, herein.

Den 30. Jan. gingen schon einige Handwerksburschen und arme Bürger aus der Stadt. Des Abends ward 1 Lieutenant mit 6 Dragonern aus dem Mecklenburger Thor commandirt zu recognosciren; sie trafen am Galgenberge 2 Dänen zu Pferde und 2 zu Fuß an, welche sofort zurück wichen, jedoch bekamen die Unsrigen den einen von den letztern gefangen. Einige Bürger, welche hinaus gegangen waren Holz und Sträucherwerk herein zu holen, wurden von den Feinden überfallen, welche ihnen alles wegnahmen.

Den 31. Jan. fiel den ganzen Tag hindurch ein starker Schnee; während dem wurde die Cavallerie unter Commando des Generaladjutanten Buck beordert, die bei Triwalk liegende dänische Feldwache zu überfallen; die Unsrigen gingen über den Fischteich, jene aber zogen sich etwas zurück, nach erhaltener Verstärkung von einigen Escadrons kamen sie wieder vor, worauf die Unsrigen sich herein zogen und nur einige Mäntel, Pallasche und dergleichen, die die Feinde liegen ließen, mitbrachten. Den bei der neulichen Visitation gefundenen Armen und ledigen Personen ward heute im Namen der Obrigkeit angezeigt, sich gegen zukünftigen Montag aus der Stadt zu entfernen, doch erhielten diejenigen, die etwa 3 oder 4 Scheffel Korn oder Mehl in Vorrath hatten, Erlaubniß in der Stadt zu bleiben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar