1. bis 28. Februar 1716

Den 1. Febr. ließ der Generalmajor das Korn, welches man bei der neulichen Visitation gefunden und für das Waisenhaus ausgedroschen hatte, wegnehmen, weil er es für die Dragoner nöthig hatte. Die wirkliche Einrückung der Offiziere in ihre Quartiere, welche aller angewandten Mühe ungeachtet, heute vor sich ging, machte jetzt hin und wieder ziemlich viel Verdrießlichkeit. Nach fast 8wöchigem starken Frost fing es heute an zu thauen. Ein dänischer Tambour brachte Briefe wie auch Geld für die Gefangenen herein. Abends ward ein Unteroffizier mit 6 Dragonern aus dem Poeler Thor commandirt, die brandenburgische Feldwache zu allarmiren, welche aber bald und zwar unverrichteter Sache wieder kamen. Einige Leute, welche in diesen Tagen aus waren, etwas an Victualien herein zu holen, kamen jetzt glücklich wieder herein.

Den 2. Febr. brachte ein Tambour aus der Stadt Briefe nach dem dänischen Lager. Zwei Soldaten, welche desertiren wollten, wurden ertappt, und einer davon, der sich zur Wehre gesetzt hatte, niedergeschossen. Der dänische General ließ unserm Vice-Gouverneur heute anzeigen, keine Leute mehr aus der Stadt gehen zu lassen, um Holz oder Victualien zu holen, wie man bisher gethan, den er würde Jedem, den man fände, vor dem Kopf schießen lassen etc.; es wurden denn auch einem Kaufmannssohn seine von Lübeck geholten Victualien weggenommen.


Den 3. Febr. kam ein dänischer Deserteur zu Pferde herein. Die Feinde nahmen Einigen, die aus der Stadt wollten, Kleider und was sie sonst bei sich hatten, weg, andere kamen durch und brachten einige Kleinigkeiten an Häring, Korn, Seife etc. mit zurück. Abends ward ein Unteroffizier nebst 3 Dragonern commandirt, einen Bürger, der seine auf Annäherung der Feinde weggeworfene Briefe, die er hatte herein bringen wollen, wieder suchen wollte, zu escortiren; diese trafen 2 feindliche Posten an, schossen einem unter die Füße und den andern brachten sie gefangen mit herein. Von den Unsrigen war indessen auch einer blessirt.

Den 4. Febr. kam ein dänischer Deserteur zu Fuß herein. Auch gingen heute viele Leute mit Schlitten hinaus, um etwas von den Sträuchern herein zu holen und wagten sich sogar durch die feindlichen Vorposten; einige von ihnen wurden geplündert und zurück gejagt, andere nach dem Lager und folglich nach dem Hauptquartier gebracht, wo man ihnen aber gar kein Leid anthat, sondern nachdem sie examinirt und gewarnt worden waren nicht wieder zu kommen und solches auch ihren Mitbürgern anzuzeigen, wieder herein ließ. Abends zündeten die Unsrigen einige Feuerwerke zur Probe an. 3 Dragoner, welche vorigen Abend nach Poel zu recognosciren gesandt wurden, kamen nebst einem gefangenen Preußen zurück, doch war auch einer von den Unsrigen tödlich blessirt worden.

Den 5. Febr. bekamen die Bürger, wie ihnen gestern angesagt wurde, etwas Korn für Geld, und sie mußten für einen halben Scheffel Weizen (den die Meisten nur bekamen) 2 Mk., für einen halben Scheffel Roggen 30 ßl., für einen halben Scheffel Gerste 1 Mk. bezahlen. Verschiedene arme Leute, die gestern Abend weggehen wollten, aber durch die Feinde nicht kommen konnten, kamen heute wieder herein.

Den 6. Febr. brachte ein Tambour Briefe nach dem dänischen Lager. Der Generalmajor ließ noch einigen, die Korn hinterhielten, dasselbe wegnehmen. Heute wurden sämmtliche Membra Ministerii durch die Inspectoren und Provisoren des Waisenhauses in ihren Häusern begrüßt, am künftigen Sonntag den Waisen zum Besten die Zuhörer zu ermahnen, bei ergehender Collecte sich mildreich gegen dieselben zu erweisen. Vor dem Poeler Thor gegen den Wallfisch über fand man ein erwachsenes Mädchen und 2 Kinder todt liegen, die entweder vor Hunger oder vor Kälte gestorben waren; sie wurden nach dem Wallfisch gebracht und daselbst begraben. Abends kam eine Frau mit Briefen und Advisen herein.

Den 7. Febr. kam ein dänischer Trompeter nebst einem Cornet und 2 Dragonern an, mit Brod und Geld für ihre Gefangenen. Das hohe königl. Tribunal erhielt etwas Korn von dem Generalmajor.

Den 8. Febr. brachte ein dänischer Tambour Briefe an unsern Generalmajor. Heute (es war Sonnabend) galt das Pfund Rind - oder Kuhfleisch 7 ßl., Kalbfleisch 8 ßl., ein Gerstenbrod von etwa 1 ½ Pfund 3 ßl., ein Huhn 16 ßl., für den Faden Holz forderte man jetzt 12 Rthlr., die Krähen wurden jetzt abends und Morgens von den Dächern herunter geschossen und das Stück für 3 ßl. ver- und gekauft.

Den 9. Febr. erfolgte, weil es Sonntag war, in allen Kirchen die Ermahnung, sich der armen Waisen bestermaßen anzunehmen. Ein dänischer Tambour brachte Briefe an den Generalmajor, desgleichen Geld und einen Wagen mit Brod für die dänischen Gefangenen.

Den 10. Febr. sammelte man für die Waisen und es wurde an Geld, Korn und Speck so viel beigetragen, daß man auf eine Zeitlang damit auszukommen Hoffnung haben konnte. Die Bauleute mußten jetzt allerhand Fourage der Krone für die Provianthäuser liefern. Auf dem Eise jagten die Feinde mit unsern Leuten, die sehr häufig hinausgingen, Aale zu stechen, herum, bekamen aber doch keinen einzigen.

Den 11. Febr. des Morgens sah man 2 Monde am Himmel. Jetzt fing es wieder an zu frieren. Die Feinde ließen aus der Stadt Niemand durch, sondern nahmen ihnen das ihrige und jagten sie zurück; doch schlichen sich immer noch Einige durch und kamen mit einigen Victualien zurück.

Den 12. Febr. ward wieder von der Bürgerschaft verlangt, das Eis bis nach dem Wallfisch aufzueisen, allein man wollte nicht daran; indessen ward 1 Lieutenant nebst 50 Mann von der Infanterie commandirt, mit dem Eisen den Anfang zu machen, wofür ein Jeder Soldat täglich 4 ßl. bekam. Des Abends ward der Adjutant von der Cavallerie nebst 2 Unteroffizieren und 12 Dragonern commandirt, zwischen Poel und Wischendorf zu patrouilliren, weil man Nachricht haben wollte, daß die Feinde nebst den Bauern den Unsrigen, die etwas Proviant herein zu holen suchten, dort aufpaßten; sie trafen aber daselbst Niemand an, jedoch waren die Feinde allenthalben am Strand allart gewesen.

Den 13. Febr. wurden täglich 100 Mann commandirt, die angefangene Aufeisung nach dem Wallfisch fortzusetzen; außer den 4 ßl. wurden ihnen noch einige Kannen Branntwein gegeben. Der Mangel des Brods ward jetzt in der Stadt, da nur noch sehr wenige Bäcker backten, sehr groß und verursachte viel Lamentiren. Vor dem Lübschen Thor nahmen einige feindliche Reiter einen Knecht, der Mist auf den Acker fuhr, nebst dem besten Pferde vor dem Wagen weg. Weil nun die Feinde jetzt allerlei Sachen mit vielen Wagen zusammen führten, so entstand ein Gerücht, daß sie an dem Strand einige Werke anlegen und aus denselben den Hafen bestreichen wollten. Ein Tambour aus der Stadt brachte Briefe nach dem preußischen Lager, ein dänischer Trompeter hingegen dergleichen an den Generalmajor, wie auch etwas Geld für die Gefangenen.

Den 14. Febr. kamen 2 Bürger mit etwas Proviant, das sie vom Clützer-Ort geholt hatten, glücklich herein.

Den 15. Febr. brachte ein preußischer Trompeter etwas Geld wie auch Hemde für ihre Gefangenen herein. Den Schlachtern ward untersagt, bis auf weitere Verordnung etwas an Vieh ferner zu schlachten, weil man auf Mittel und Wege bedacht war, dem starken Auftreiben des Fleisches zu steuern und vorzubeugen. Einem gewissen Bürger, der sich geweigert hatte, Bier für gestempeltes Geld zu verkaufen, wurden einige Tonnen weggenommen und nach dem Waisenhause gebracht.

Den 16 Febr. brachte ein dänischer Trompeter Geld und Brod für die dänischen Gefangenen herein; auch kam ein Weib mit Briefen und Advisen an. Des Abends plünderten die Preußen vor dem Poeler Thor auf dem Schweinkruge, steckten das Haus in Brandt und nahmen den Wirth und seinen Knecht gebunden mit sich.

Den 17. Febr. Morgens um 2 Uhr ging ein starkes Commando von 50 Mann Cavallerie und 600 Mann Infanterie nebst 9 Kanonen unter Anführung des Obersten Lagerberg aus dem Poeler Thor, welchem noch 400 Mann zur Reserve mitgegeben wurden. Der Marsch ging nach Redentien, wo die preußische Partei, die gestern den Schweinkrug angesteckt, noch befindlich war. In dem Dorfe wurde alles Vieh und Victualien, so man fand, weggenommen, und um 8 Uhr herein gebracht; das Rindvieh wurde dann den Schlachtern das Pfund für 2 ßl. verkauft, jedoch sollten sie es an gewissen Tagen in der Woche und in gewissen Scharren für 2 ½ ßl. wieder verkaufen; bei dieser Gelegenheit wurde der Schwein-Krüger und sein Knecht wieder frei gemacht, auch wurden 5 Dragoner, 1 Unteroffizier, 15 Gemeine und 5 Pferde gefangen herein gebracht, hingegen waren von den Unsrigen 3 zu Pferde und 1 zu Fuß desertirt.

Den 18. Febr. bekamen die Soldaten jeder ein Brod mit dem Bemerken, mit demselben die Woche hindurch sich zu behelfen und von dem Fleisch, welches sie für 2 ½ ßl. haben könnten, sich etwas zu kaufen. Auch war jetzt den Schlachtern angedeutet, das Fleisch bei schwerer Strafe nicht höher als 6 ßl. gestempelten Geldes zu verkaufen.

Den 19. Febr. brachte ein preußischer Trompeter Briefe an den Generalmajor wie auch etwas Geld und andere Sachen für die preußischen Gefangenen herein. Ein Musketier von dem Witting’schen Regiment, der vor einigen Tagen desertirte und ertappt wurde, ward heute aufgehangen. Da der Brauerschaft anheimgestellt wurde, das Bier nicht mehr so stark zu brauen wie bisher, so war dieselbe deshalb heute zusammen.

Den 20. Febr. brachte Jemand von der Cavallerie einen Brief nebst einer Quittung, des gestern eingebrachten Geldes wegen, zu dem brandenburgischen Trompeter hinaus. Ein Tambour brachte Briefe nebst einem Packchen nach dem dänischen Lager, ein dänischer dagegen Briefe und Geld für ihre Gefangenen herein. Auf einen Prahm wurden einige Kanonen gebracht, desgleichen einige Schiffe fertig gemacht und mit Kanonen besetzt, um sich derselben, sobald das Wasser offen ist, gegen den Feind am Strande zu bedienen.

Den 21. Febr., obschon es Backtag war, war doch kein Brod fast in den Backhäusern zu bekommen, wie sehr die Leute auch darnach liefen und darum baten. Viele Soldaten fingen jetzt an zu betteln, weil sie mit dem Gereichten nicht auskommen konnten.

Den 22. Febr. kamen ein dänischer Unteroffizier und Gemeiner als Deserteurs herein, welche aussagten, daß 2 Bataillons dänischer Infanterie aus Pommern im Lager angekommen waren und daß man auch Geschütz vermuthete. Ein preußischer Trompeter brachte Hemden, Schuhe, Strümpfe und Brod für ihre Gefangenen. Heute, es war Sonnabend, kostete das Pfund Kuh- und Schweine-fleisch 7 bis 8 ßl., Schaffleifch 6 ßl., das Pfund Butter 12 ßl. gut Geld, Speck 12 ßl., Seife bis 14 ßl., Weizen der Scheffel 9 Mk., Roggen 8 Mk., Gerste 5 Mk., graue Erbsen 4 Mk., ein Ei kostete 1 ßl.; aus diesen allen ist auf die Noth der Stadt zu schließen. Die Armen aus den Gasthäusern, Kellern und sonstigen Orten, wie auch die Soldatenweiber, sollten sich aus der Stadt machen, und es wurden deshalb erstere. den 23. Febr. nach der Nachmittagspredigt aufs Rathhaus gefordert, es kam aber daselbst zu keinem Schluß und sie blieben noch hier.

Den 24. Febr. Morgens früh brachte ein gestern ausgegangenes Commando abermals einige 100 Hammel und Schafe von Fliemstorf ein, welche an die Schlachter verkauft und hernach das Pfund für 2 ½ ßl. gegeben wurde. Was man an Rindvieh hatte, ließ man, weil dasselbe übers Eis nicht fortzubringen war, wieder laufen.

Den 25. Febr. ward der Oberstl. Alexander von Essen, vom dem Prinz-Hessischen Regiment, unter einem Gefolge vieler Offiziere, unter Losbrennung von 12 Kanonen und einer doppelten Salve seines Bataillons, in der Klosterkirche begraben.

Den 26. Febr. brachte ein preußischer Tambour Geld und Zeug für ihre Gefangenen herein. Um Mittag kamen einige hundert Mann von der Miliz auf dem Markte zusammen und begehrten von dem Gouverneur und dem Generalmajor Brod, indem sie drohten, in Entstehung dessen die Waffen nieder zu legen. Als sie nun durch gute Verheißungen sich nicht zufrieden geben wollten, gingen einige Oberoffiziere mit bloßem Schwert auf sie los und trieben sie vom Markt. Es ward jedoch sofort Anstalt gemacht, ihnen etwas Brod zu reichen; auch in den folgenden Tagen ward ihnen Proviant besser gereicht.

Den 27. Febr. als des Morgens 1 Unteroffizier mit 2 Dragonern aus dem Mecklenburger Thor ritt, um auf dem Galgenberge Wache zu halten, fanden sie hinter demselben einen dänischen Unteroffizier und 8 Gemeine, welche von den Unsrigen, denen man vom Wall durch eine Kanone secundirte, bald zurück getrieben wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde 1 Dragonerpferd blessirt, welches dann in des Schlachters Hause in der kurzen Baustraße ge-schlachtet und das Pfund Fleisch zu 2 ßl. verkauft ward. Die hohen Offiziere, ja der Generalmajor selbst, erhandelten etwas hievon und tractirten sich damit unter einander. Von dieser Zeit kam das Pferdeschlachtcn recht in Gebrauch und das Fleisch wurde von den Soldaten gegessen. Der an gewissen Orten nach ihren Regimentern zusammen berufenen Miliz ward durch den Generalmajor und den Übrigen Chefs ihr Unfug wegen des gestrigen Tumults ernstlich vorgehalten und sie ermahnt, in ihrer Treue gegen Se. Königl. Majestät nicht wankend zu werden, wenn sie gleich einige Noth und Mangel erdulden müßten; es wurde ihnen dabei versprochen, daß sie künftighin täglich etwas Brod, Zaback, Branntwein und Geld bekommen sollten. Ein hannoverscher Tambour brachte Geld für ihre Gefangenen herein. Des Abends wurden 50 Mann von der Infanterie nebst 2 Kanonen nach dem Wallfisch commandirt, wo sie noch 50 Mann zu sich nahmen und unter Commando eines Capitäns nach Poel übergehen sollten, die feindliche Wache zu Brandenhusen zu attaquiren; der Feind aber ward ihrer noch zeitig gewahr und machte Allarrn, zündete die Feuerzeichen an und gab so den Unsrigen Anlaß, bei Zeiten wieder zurück zu gehen.

Den 28. Febr. ward überhaupt in der ganzen Stadt in allen Häusern im Namen des Gouverneurs visitirt, wie viel Ochsen, Kühe, Schafe, Schweine und dergleichen Vieh ein Jeder hätte. Es war diese Visitation kaum angegangen, so protestirte E. E. Rath dawider und versprach morgen eine solche Visitation ergehen zu lassen und derselben beizuwohnen, daher denn auch die jetzige nicht fortgesetzt wurde. In allen Backhäusern wurden Wachen gestellt, damit die Soldaten nicht eindringen und das Brod wegnehmen konnten. Wer Teig in die Backhäuser tragen oder Brodt aus denselben holen wollte, mußte sich wohl vorsehen, daß es ihm auf den Gassen nicht weggenommen wurde.

Den 29. Febr. erfolgte die gestern rückgängig gemachte Visitation wegen des vorhandenen Viehes durch einen Capitän, eine Rathsperson, einige Bürger und einige Unteroffiziere; man fand in allem etwa noch einige 180 Kühe und eine ziemliche Anzahl Schweine, auch einige Schafe. Hiebei ward den Eigenthümern angezeigt, ohne Consens der Obrigkeit nichts zu verkaufen oder zu schlachten. Einige aus der Bürgerschaft mußten auf des Generalmajors Credit 2000 Rthlr. vorschießen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar