Einführung
Bei den ersten Veröffentlichungen der Kulturarbeiten hat es nicht an solchen gefehlt, die schrieben, das seien ja Sachen, die sie schon längst wüssten. Hat schon einer dem Verfasser einer französischen Sprachlehre gesagt: das ist doch ganz unnötig, in Frankreich können die Leute ja alle französisch? Ich schreibe nämlich für solche, die noch nicht „französisch können“. Und wenn hier viel vom Häuserbauen die Rede sein wird, so ist es nicht meine Absicht, die guten Architekten belehren zu wollen, sondern mein Rat richtet sich an die, welche Häuser bauen lassen. Dass ein solcher Rat nicht überflüssig ist, zeigt die traurige Verwüstung unseres schönen Landes durch die Neubauten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, zeigt unser allgemein anerkanntes Bauelend überhaupt, das auf jede Strasse seine Greuel pflanzt.
Der Wert der Gestaltungen unserer Zeit ist auf künstlerischem Gebiet gering, wenn man ihn an denen der früheren Epochen misst. Auf keinem Gebiete ist das Gestalten aber kümmerlicher, in seiner Tragweite unheilvoller und demoralisierender, als auf dem Gebiete des Bauens. Kümmerlicher, weil weder zum Maler-, noch zum Bildhauerberufe sich derart unbekümmert vollkommen Unberufene wenden, wie es beim Baugewerbe der Fall ist ein Beruf, der meist als ein lediglich rechnerisch-praktischer, nicht als einer angesehen wird, der die Fähigkeit zu sinnfälligem Gestalten voraussetzt.
Unheilvoller, weil kein anderer materiell Gestaltender seine Werke so zahlreich, so umfangreich und von so festem Material macht, wie der Bauende. Schlechte Bilder braucht man nicht aufzuhängen, schlechte Statuen kann man zerschlagen oder einschmelzen. Aber ein Haus steht fest und sein relativer Gebrauchswert verhindert, es ohne weiteres einzureißen.
Demoralisierender, weil uns der elende Anblick der verunstalteten Welt stets vor Augen steht, ohne dass wir ihrem Anblick entgehen können. Deshalb läuft der, der in den Formen zu lesen versteht, nur mit beständigen Qualen umher, während der geistig Blinde sich mehr und mehr abstumpft und gleichgültig gegen die Sprache der ihn umgebenden Gemeinheit wird.
So ist uns der lebendige Begriff des „Gestaltens“ abhanden gekommen und man spricht bloß noch von „konstruieren“ und von „verzieren“.
Ein „Gestalten“, d. h. der Idee die Realität verleihen, bei der Kultur des Sichtbaren also die äußere Formgebung, irgendwie geschieht es aber von jedem Sterblichen sein ganzes Leben hindurch. Dagegen gemessen schrumpft das Gestalten im engeren künstlerischen Sinne so zusammen, dass man es ganz übersehen könnte in jenem großen Getriebe, das die Veränderung der ganzen Erdoberfläche durch Menschenhand bedeutet. Daran arbeiten ja alle mit: der Bauer und der Ingenieur, der Kaufmann wie der Gärtner, der Seemann wie der Soldat, der Förster wie der Baumeister, alle, vom Chausseearbeiter an, der die Strasse glättet, bis zu der alten Frau, die ihre Blumen vorm Dachkammerfenster zieht.
Das alles ist keine Kunst im engeren Sinne. Aber tatsächlich gehört alles Gestalten derselben Familie an, der auch das eigentliche künstlerische Schaffen entspringt. Und nur wenn es Gestaltung der „Idee“ ist, hat es Kulturwert. Nur, wenn es in vollkommenster Weise seinem Zwecke dient und sich diese Vollkommenheit auch in seiner äußeren Form ausdrückt. Und ist der Zweck selbst ein ethischer, so wird das einzelne die Harmonie eines ethischen Weltbildes zur Anschauung bringen. Unsere menschlichen Aufgaben sind aber nie solche, die nur die Erfüllung einer einzelnen Forderung verlangen, sondern fast immer handelt es sich um zusammengesetzte Forderungen. Ein guter Innenraum soll nicht allein Schutz gegen Wind und Wetter bieten, sondern er soll Menschen vereinigen und Werkstätte geistigen Lebens sein. Und von Vollkommenheit der Gestaltung kann man erst dann reden, wenn sämtliche Zwecke zum sichtbaren Ausdruck gelangt sind.
Diese Vollkommenheit deckt sich haarscharf mit unserer Auffassung des Wortes „schön“. Ich glaube, all unser Menschenwerk wäre schön, wenn nie ein Schulmeister die Forderung gestellt hätte, man müsse etwas schön machen, wenn überhaupt von verschönern nie die Rede gewesen wäre; wenn als oberstes Arbeitsgesetz immer allein gegolten hätte: nur das zu bilden, was einem guten Zweck dient, dabei aber diesen Zweck stets auf die einfachste und vollkommenste Weise in seiner Erscheinung auszudrücken. Selbst die reine sogenannte zwecklose Kunst lässt sich hier mit einbeziehen. Sie bereitet unser Fühlen und Denken auf die Beherrschung der Wirklichkeit vor, setzt dieser die Ziele. Und auf die mit Nützlichkeitszwecken in Verbindung getretene Kunst trifft sie erst recht zu. Warum sind jene Villen „hässlich“? Weil ihr Äußeres nicht der Ausdruck eines behaglichen Daseins ist, weil man den Fenstern schon von außen ansieht, sie leiten das Licht nicht so in die Zimmer, dass es unsere Augen umschmeichelt und ihnen wohl tut, weil ihre Zierate den Eindruck kindischer Putzsucht machen, anstatt durch Steigerung der Bewegung in der Linienführung und durch Veredelung der Sprache der Materialien das ganze Bauwerk ausdrucksvoller zu gestalten. In ihren tiefsten Wurzeln berührt sich Schönheit mit Ethik, indem sie uns das im weitesten Sinne für den Menschen „Gute“ als „schön“ sichtbar macht und ihn es lieben lehrt. Eine Harmonie in unserer Weltanschauung ist nicht möglich, so lange wir Gut und Schön als Begriffe auffassen, die nichts miteinander zu tun haben.
Wir müssen jede Unterwerfung einer von uns unabhängigen Macht als ethisch betrachten, wenn diese Macht dabei nicht sinnlos vernichtet, sondern organisch einem höheren Zweck eingeordnet wird. Gibt es einen stärkeren Ausdruck der durch die Menschheit gebändigten Naturkräfte, als einen Eisenbahnzug? Wenn das Ungeheuer mit seinen glühenden Augen daherkommt, wie es in der großen Kurve dort auf dem Boden dahinschießt, dann auf dem Bahnhof laut keuchend und pustend kaum zu Atem kommt und nun mit tiefem Aufstöhnen von neuem die Last aufnimmt? — Natürlich, das ist Vermenschlichung: reden wir so, so wird für unser Gefühlsleben die Lokomotive „schön“. Es ist zum guten Teil Gewohnheit, weil sie so wenig Aehnlichkeit mit einem korinthischen Kapital hat, wenn uns nicht ohne weiteres dieses Wort auf die Lippen kommt. Sie hat auch noch Unvollkommenheiten an sich. Ausgerechnet diese erscheinen uns hässlich. Schön ist sie überall da, wo der gewaltige Zweck bis zur Vollkommenheit durchgedrungen ist.
Ich lebe in einem kleinen Örtchen, das auf einem gesegneten Fleck Erde liegt. Selten nur verbindet sich die Natur in ihrer Fülle mit solch einem Reichtum hoher und alter Kulturreste. Fluss und Felsen, Felder und Wälder, steinige Einöden wechseln ab mit alten Dörfern, Höfen, Burgen und Städten. Es ist kein Land, das durch „Ungeheuerlichkeiten“ den Touristen heranzöge, aber auch keines, bei dessen Spärlichkeit man die feinen Reize der Natur erst mühsam suchen müsste. Überall tritt einem ein solcher Reichtum der Mannigfaltigkeit, tritt eine Großartigkeit der Linie entgegen, die manche Ähnlichkeit mit der römischen Campagna hat. Geologisch genommen ist es eine Hochebene, eine Muschelkalkplatte mit etwas Rotsandstein, durch die in ungezählten Zeiträumen der Fluss sein breites und seltsam geschlungenes Bett gefressen hat. Und wenn man die Ränder des Tales in die Höhe klimmt, erblickt man die zu den weiten Fernen sich schwingende Hochebene, deren Ähren im Sonnengolde wogen. Idyllische Seitentäler mit steilen Hängen schieben sich dazwischen, in denen hie und da eine halbvergessene Wassermühle klappert. An einzelnen Stellen, an denen das Wasser heute noch nagt, fallen die Muschelkalkfelsen senkrecht zum Flusse ab; an anderen hat sich in langer Arbeit der Humus aufgehäuft, in lieblicher Hebung steigt der Boden an, mit dem dichten Kleide mächtiger Buchenwälder überzogen. Dort wieder, wo die Sonne das Gestein gebleicht hat, dehnt sich der langgestreckte Buckel kahler Grashalden, auf denen die Schafherden mit dumpfem Getrapp weidend ziehen. Der Fluss hat noch sein klares Gebirgswasser mitgebracht, ist aber doch schon breit genug, dass sein mit grünen Erlen umsäumtes dunkelblaues Band für jeden Blick über das Tal hervortritt. An seinen Südabhängen erheben sich Weinberge, in denen die wohlhabenden Städter im achtzehnten Jahrhundert mit höchst origineller Phantastik aus ihren Winzerhäuschen sich Sommer-Lusthäuser schufen, die der Schauplatz fröhlicher Weinlesefeste wurden. Und diese behagliche Fröhlichkeit ist hangen geblieben, noch nie hat die Anlage und Architektur des versteckten und einsamen Gärtchens eine reizendere Verkörperung gefunden, als zwischen den Mauern, die am Fuße der Weinberge von altem Efeu und wildem Weine umsponnen sind. Treppchen führen zwischen den Mauern nach oben, auf der höchsten Stufe steht hie und da noch ein lustiger Pavillon, von dessen breiten Fenstern oder säulengetragenem Vorplatze man flussauf- und flussabwärts meilenweit übers Tal blickt.
Ich kenne dieses Land seit meiner Kindheit, da meine Heimat in der Nähe liegt. Ich will nun weiter nichts tun, als die Kulturarbeiten beschreiben, die diesen Fleck Erde verändern, wie es mir auf Spaziergängen auffällt. Die Nutzanwendung des Gesagten mag man sich dann selber ziehen. Ich fürchte, sie passt nicht allein hier. Und ich weis, sie ist lehrreich überall im deutschen Lande.
Der Wert der Gestaltungen unserer Zeit ist auf künstlerischem Gebiet gering, wenn man ihn an denen der früheren Epochen misst. Auf keinem Gebiete ist das Gestalten aber kümmerlicher, in seiner Tragweite unheilvoller und demoralisierender, als auf dem Gebiete des Bauens. Kümmerlicher, weil weder zum Maler-, noch zum Bildhauerberufe sich derart unbekümmert vollkommen Unberufene wenden, wie es beim Baugewerbe der Fall ist ein Beruf, der meist als ein lediglich rechnerisch-praktischer, nicht als einer angesehen wird, der die Fähigkeit zu sinnfälligem Gestalten voraussetzt.
Unheilvoller, weil kein anderer materiell Gestaltender seine Werke so zahlreich, so umfangreich und von so festem Material macht, wie der Bauende. Schlechte Bilder braucht man nicht aufzuhängen, schlechte Statuen kann man zerschlagen oder einschmelzen. Aber ein Haus steht fest und sein relativer Gebrauchswert verhindert, es ohne weiteres einzureißen.
Demoralisierender, weil uns der elende Anblick der verunstalteten Welt stets vor Augen steht, ohne dass wir ihrem Anblick entgehen können. Deshalb läuft der, der in den Formen zu lesen versteht, nur mit beständigen Qualen umher, während der geistig Blinde sich mehr und mehr abstumpft und gleichgültig gegen die Sprache der ihn umgebenden Gemeinheit wird.
So ist uns der lebendige Begriff des „Gestaltens“ abhanden gekommen und man spricht bloß noch von „konstruieren“ und von „verzieren“.
Ein „Gestalten“, d. h. der Idee die Realität verleihen, bei der Kultur des Sichtbaren also die äußere Formgebung, irgendwie geschieht es aber von jedem Sterblichen sein ganzes Leben hindurch. Dagegen gemessen schrumpft das Gestalten im engeren künstlerischen Sinne so zusammen, dass man es ganz übersehen könnte in jenem großen Getriebe, das die Veränderung der ganzen Erdoberfläche durch Menschenhand bedeutet. Daran arbeiten ja alle mit: der Bauer und der Ingenieur, der Kaufmann wie der Gärtner, der Seemann wie der Soldat, der Förster wie der Baumeister, alle, vom Chausseearbeiter an, der die Strasse glättet, bis zu der alten Frau, die ihre Blumen vorm Dachkammerfenster zieht.
Das alles ist keine Kunst im engeren Sinne. Aber tatsächlich gehört alles Gestalten derselben Familie an, der auch das eigentliche künstlerische Schaffen entspringt. Und nur wenn es Gestaltung der „Idee“ ist, hat es Kulturwert. Nur, wenn es in vollkommenster Weise seinem Zwecke dient und sich diese Vollkommenheit auch in seiner äußeren Form ausdrückt. Und ist der Zweck selbst ein ethischer, so wird das einzelne die Harmonie eines ethischen Weltbildes zur Anschauung bringen. Unsere menschlichen Aufgaben sind aber nie solche, die nur die Erfüllung einer einzelnen Forderung verlangen, sondern fast immer handelt es sich um zusammengesetzte Forderungen. Ein guter Innenraum soll nicht allein Schutz gegen Wind und Wetter bieten, sondern er soll Menschen vereinigen und Werkstätte geistigen Lebens sein. Und von Vollkommenheit der Gestaltung kann man erst dann reden, wenn sämtliche Zwecke zum sichtbaren Ausdruck gelangt sind.
Diese Vollkommenheit deckt sich haarscharf mit unserer Auffassung des Wortes „schön“. Ich glaube, all unser Menschenwerk wäre schön, wenn nie ein Schulmeister die Forderung gestellt hätte, man müsse etwas schön machen, wenn überhaupt von verschönern nie die Rede gewesen wäre; wenn als oberstes Arbeitsgesetz immer allein gegolten hätte: nur das zu bilden, was einem guten Zweck dient, dabei aber diesen Zweck stets auf die einfachste und vollkommenste Weise in seiner Erscheinung auszudrücken. Selbst die reine sogenannte zwecklose Kunst lässt sich hier mit einbeziehen. Sie bereitet unser Fühlen und Denken auf die Beherrschung der Wirklichkeit vor, setzt dieser die Ziele. Und auf die mit Nützlichkeitszwecken in Verbindung getretene Kunst trifft sie erst recht zu. Warum sind jene Villen „hässlich“? Weil ihr Äußeres nicht der Ausdruck eines behaglichen Daseins ist, weil man den Fenstern schon von außen ansieht, sie leiten das Licht nicht so in die Zimmer, dass es unsere Augen umschmeichelt und ihnen wohl tut, weil ihre Zierate den Eindruck kindischer Putzsucht machen, anstatt durch Steigerung der Bewegung in der Linienführung und durch Veredelung der Sprache der Materialien das ganze Bauwerk ausdrucksvoller zu gestalten. In ihren tiefsten Wurzeln berührt sich Schönheit mit Ethik, indem sie uns das im weitesten Sinne für den Menschen „Gute“ als „schön“ sichtbar macht und ihn es lieben lehrt. Eine Harmonie in unserer Weltanschauung ist nicht möglich, so lange wir Gut und Schön als Begriffe auffassen, die nichts miteinander zu tun haben.
Wir müssen jede Unterwerfung einer von uns unabhängigen Macht als ethisch betrachten, wenn diese Macht dabei nicht sinnlos vernichtet, sondern organisch einem höheren Zweck eingeordnet wird. Gibt es einen stärkeren Ausdruck der durch die Menschheit gebändigten Naturkräfte, als einen Eisenbahnzug? Wenn das Ungeheuer mit seinen glühenden Augen daherkommt, wie es in der großen Kurve dort auf dem Boden dahinschießt, dann auf dem Bahnhof laut keuchend und pustend kaum zu Atem kommt und nun mit tiefem Aufstöhnen von neuem die Last aufnimmt? — Natürlich, das ist Vermenschlichung: reden wir so, so wird für unser Gefühlsleben die Lokomotive „schön“. Es ist zum guten Teil Gewohnheit, weil sie so wenig Aehnlichkeit mit einem korinthischen Kapital hat, wenn uns nicht ohne weiteres dieses Wort auf die Lippen kommt. Sie hat auch noch Unvollkommenheiten an sich. Ausgerechnet diese erscheinen uns hässlich. Schön ist sie überall da, wo der gewaltige Zweck bis zur Vollkommenheit durchgedrungen ist.
Ich lebe in einem kleinen Örtchen, das auf einem gesegneten Fleck Erde liegt. Selten nur verbindet sich die Natur in ihrer Fülle mit solch einem Reichtum hoher und alter Kulturreste. Fluss und Felsen, Felder und Wälder, steinige Einöden wechseln ab mit alten Dörfern, Höfen, Burgen und Städten. Es ist kein Land, das durch „Ungeheuerlichkeiten“ den Touristen heranzöge, aber auch keines, bei dessen Spärlichkeit man die feinen Reize der Natur erst mühsam suchen müsste. Überall tritt einem ein solcher Reichtum der Mannigfaltigkeit, tritt eine Großartigkeit der Linie entgegen, die manche Ähnlichkeit mit der römischen Campagna hat. Geologisch genommen ist es eine Hochebene, eine Muschelkalkplatte mit etwas Rotsandstein, durch die in ungezählten Zeiträumen der Fluss sein breites und seltsam geschlungenes Bett gefressen hat. Und wenn man die Ränder des Tales in die Höhe klimmt, erblickt man die zu den weiten Fernen sich schwingende Hochebene, deren Ähren im Sonnengolde wogen. Idyllische Seitentäler mit steilen Hängen schieben sich dazwischen, in denen hie und da eine halbvergessene Wassermühle klappert. An einzelnen Stellen, an denen das Wasser heute noch nagt, fallen die Muschelkalkfelsen senkrecht zum Flusse ab; an anderen hat sich in langer Arbeit der Humus aufgehäuft, in lieblicher Hebung steigt der Boden an, mit dem dichten Kleide mächtiger Buchenwälder überzogen. Dort wieder, wo die Sonne das Gestein gebleicht hat, dehnt sich der langgestreckte Buckel kahler Grashalden, auf denen die Schafherden mit dumpfem Getrapp weidend ziehen. Der Fluss hat noch sein klares Gebirgswasser mitgebracht, ist aber doch schon breit genug, dass sein mit grünen Erlen umsäumtes dunkelblaues Band für jeden Blick über das Tal hervortritt. An seinen Südabhängen erheben sich Weinberge, in denen die wohlhabenden Städter im achtzehnten Jahrhundert mit höchst origineller Phantastik aus ihren Winzerhäuschen sich Sommer-Lusthäuser schufen, die der Schauplatz fröhlicher Weinlesefeste wurden. Und diese behagliche Fröhlichkeit ist hangen geblieben, noch nie hat die Anlage und Architektur des versteckten und einsamen Gärtchens eine reizendere Verkörperung gefunden, als zwischen den Mauern, die am Fuße der Weinberge von altem Efeu und wildem Weine umsponnen sind. Treppchen führen zwischen den Mauern nach oben, auf der höchsten Stufe steht hie und da noch ein lustiger Pavillon, von dessen breiten Fenstern oder säulengetragenem Vorplatze man flussauf- und flussabwärts meilenweit übers Tal blickt.
Ich kenne dieses Land seit meiner Kindheit, da meine Heimat in der Nähe liegt. Ich will nun weiter nichts tun, als die Kulturarbeiten beschreiben, die diesen Fleck Erde verändern, wie es mir auf Spaziergängen auffällt. Die Nutzanwendung des Gesagten mag man sich dann selber ziehen. Ich fürchte, sie passt nicht allein hier. Und ich weis, sie ist lehrreich überall im deutschen Lande.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kulturarbeiten - Band 1 - Hausbau