Die Gelübde und Regeln der Zisterziensermönche

Die Arbeit und das Gebet sind die beiden Hauptlebenszwecke eines Christen. „Bet' und arbeit', so hilft Gott allezeit!“ Besonders im Zisterzienserorden wurde die Erfüllung dieser doppelten Pflicht zu einer Art kategorischen Imperativs. Der Orden von Citeaux als Ganzes widmete sich ausschließlich der Arbeit und dem Gebet. Keines seiner Glieder war von der Übung des einen oder anderen befreit. Damit aber die Gesellschaft der Zisterzienser in der Erfüllung dieser beiden Hauptobliegenheiten des Menschen eine möglichst hohe Stufe erreiche, hatte man die gemeinsame Aufgabe — in einem gewissen Maße — geteilt. Daher der Unterschied in Mönche im strengeren Sinne und Laienbrüder, ein Unterschied, den schon die Benediktiner machten, der aber bei den Zisterziensern in viel energischerer und prägnanterer Weise zum Ausdruck gelangte. Der Mönch arbeitet auch, zweifelsohne, aber seine Hauptbeschäftigung ist doch die Pflege des Gebets, und alle anderen Pflichten müssen hinter dieser zurückstehen. Er betet gemeinsam mit den Brüdern, folgsam dem Gebote des Herrn. Die Form seines Gebetes ist die durch die uralte Überlieferung der. Kirche geheiligte Liturgie. In Gemeinschaft mit seinen Brüdern erhebt er im feierlichen Gesänge seine Stimme zum Lobe Gottes und der Heiligen, deren Dienst er den besten Teil seines Lebens geweiht hat. Der Laienbrüder (Conversus) hingegen unterzieht sich der niedrigsten Arbeit; die schwere Arbeit der Hände ist seine Aufgabe. Zu früher Morgenstunde, beim Grauen des Tages erhebt er sich vom harten Lager, um das Feld zu bearbeiten, das Vieh zur Weide zu treiben. Im Kloster ist er der Gerber und Schuster, der Weber und Schneider, der Müller und Bäcker; aber alle diese Arbeiten verrichtet er unter beständigem, nachdenkendem Stillschweigen, unter Gebet; immer aber und überall, als Arbeiter, als Hirte, als Handwerker ist er in erster Linie Ordensbruder.

Wir werden hauptsächlich von den Mönchen sprechen, die das Haupt des Ordens sind, wie die Laienbrüder die schaffenden Hände. Die ersteren ausschließlich hatten die Berechtigung, die einzelnen Würden zu bekleiden, sie allein konnten an der Abtswahl teilnehmen. Doch werden wir auch auf die verschiedenen Besonderheiten, die Mönche und Laienbrüder trennten, Bezug nehmen.


Eine besondere Klasse von Ordensgliedern, die Oblati, Donati und Familiares, nahmen wohl an den religiösen Übungen teil, ebenso wie die eigentlichen Mönche und Laienbrüder, doch waren sie nicht „Genossen“ im strengeren Sinne und standen daher außerhalb der Regel. Wir hören nur wenig von ihnen. Man scheint anfangs den Prinzipien der Templer gefolgt zu sein, die ja auch von Bernhard von Clairvaux verfasst sind. Die „Angereihten“ durften ihre Frauen behalten. Der Orden hat Erbrecht beim Tode des Ehegatten; die eine Hälfte der Güter fällt ihm beim Tode des zuerst verstorbenen Teils zu, die andere beim Tode des anderen Ehegatten. Im 13. Jahrhundert verlangt die Ordenssatzung auch von ihnen die Ablegung der drei Gelübde: der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, sowie das Tragen, der Tonsur und eine Art Mönchshabit. Aber ein späteres Ordensstatut von 1453 erklärt ausdrücklich, dass sie stets in der Ehe leben und weltliches Gewand tragen durften. Die Abtei Clairvaux hatte solche Oblaten, die wir im 13, Jahrhundert an der Ernte teilnehmen sehen. Im Jahre 1224 schenkten Dominicus und Odo von Gillaucourt ihre Güter dem Kloster Clairvaux. Dieses hingegen verpflichtete sich zur Lieferung von Nahrung und Kleidung zeitlebens, bei ihrem Tode ihnen die letzten Liebesdienste zu erweisen und für ihre Seelen zu beten.

Die Grundlage der Ordenssatzungen der Zisterzienser bildete, wie bei den meisten übrigen Mönchsorden, die Ablegung der drei Gelübde, der Keuschheit, der Armut des Einzelnen, des Gehorsams, zu denen sich hier noch, wie übrigens auch noch bei einzelnen anderen Orden, das charakteristische Gelübde des Schweigens gesellt.

Die Verletzung des Keuschheits-Gelübdes wurde je nach den Umständen mehr oder minder hart bestraft. In einzelnen Fällen wurde der Schuldige aus dem Kloster gestoßen und in ein anderes versetzt; in anderen Fällen hingegen konnte er aus dem Orden gestoßen, ja zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt werden. Im übrigen waren alle erdenklichen Maßregeln getroffen, diese Gefahr möglichst zu verringern.

Ein Fundamentalgesetz des Ordens war es in erster Linie, die Weiber aus allen Wohnungen der Brüder zu verbannen. Es war ihnen versagt, die Schwelle des Klosters zu übertreten, ja, sich in der Umfriedigung der klösterlichen Ökonomiegebäude aufzuhalten. Die Gepflogenheit anderer Orden, Weiber als Viehmägde oder Wäscherinnen in die Klöster einzulassen, war vom Generalkapitel ausdrücklich verpönt. Ursprünglich ward es mit der Befolgung dieser Satzung so genau genommen, dass es sogar dem Pförtner untersagt war, den Frauen der Nachbarschaft Almosen zu spenden — außer zu Zeiten der Hungersnot, und dann bedurfte es noch einer ausdrücklichen Erlaubnis des Abts. Als 1190 Frauen in eine der Klosterkirchen eingetreten, mussten Abt und Brüder zur Strafe einen Tag bei Wasser und Brot fasten. Das gleiche Schicksal traf die Brüder von Belleraux 1192, dazu erhielten sie ohne Ausnahme noch eine körperliche Züchtigung vom Generalkapitel zudiktiert, weil Frauen am St. Peterstage die Kirche betreten hatten. Im folgenden Jahre setzt das Generalkapitel fest, dass jeder Abt, der ein Betreten der Klosterräume durch Frauen zulasse, unwiderruflich abgesetzt werde; führe ein Mönch sie ohne Vorwissen des Abts ein, so solle er aus dem Hause gejagt werden. Nur während des Kirchweihfestes soll eine Ausnahme gemacht werden; sonst solle bei ihrem Erscheinen der Gottesdienst sofort unterbrochen werden. Die Zahl der Tage, während welcher Frauen die neugeweihte Kirche eines Zisterzienserklosters betreten durften, war auf 9 festgesetzt. Ja, man ging noch weiter: 1194 wurde der Gottesdienst in der Abtei Edsendurc untersagt, solange Frauen ein benachbartes, dem Bischof gehöriges Haus bewohnten. Im Jahre 1205 wurde der Abt von Pontigny vor dem Generalkapitel bezichtigt, die Königin von Frankreich mit ihrem Gefolge zu einer Kapitelspredigt, zur Prozession im Kloster zugelassen und sie nebst ihren Frauen noch 2 Tage im Siechenhause beherbergt zu haben. Ein Brief des Papstes und eine Erlaubnis des Abts von Citeaux hatten ihn ermächtigt, die Königin zu empfangen; doch man fand, dass er die Grenzen dieses Dispenses überschritten habe, dass der Zulass einer solchen Menge von Frauen jeder Ordenssatzung der Zisterzienser Hohn spreche; man hielt ihm vor, dass er verdient habe, unverzüglich abgesetzt zu werden. Auf die Fürsprache des Erzbischofs von Rheims und mehrerer anderer Kirchenfürsten ließ man ihm seine Abtei, doch, um eine so eminente Übertretung nicht ungeahndet hingehen zu lassen, wurde ihm der Abtstuhl für 7 Monate versagt, für die gleiche Zeit das Messelesen verboten, zudem musste er 6 Tage fasten, wovon 2 bei Wasser und Brot. Die Ordensregel verbot ferner jedem Bruder, allein mit einer Frau zu sprechen (Dist. X. cap. XXI. apud Nom. Cisterc. 343).

Erst im 15. und 16. Jahrhundert lässt diese eiserne Strenge nach. Ein Statut aus dem Jahre 1454 erlaubt Prinzessinnen und hochgestellten Damen, dem Gottesdienst in Zisterzienserkirchen anzuwohnen. Die „Pariser Artikel“ von 1493 erlauben den Mönchen, hohe Damen in den Wohnräumen der Ordensleute zu empfangen; sie ermächtigen auch die Äbte, zur Pflege des Geflügels Frauen heranzuziehen. Im Jahre 1540 ermächtigt das Generalkapitel den Abt von Clairvaux, Frauen in sein Kloster einzuführen und sogar sie zu beherbergen. Das gleiche Recht hatte sein Stellvertreter oder der Prior in seiner Abwesenheit. Noch heute zeigt man Fremden in den überbliebenen Gebäuden von Clairvaux die Räumlichkeiten des einstigen Frauenlogis.

Ein weiteres Gelübde war das persönlicher Armut. Wenn ein Novize in den Orden eintreten will, „so soll er“ — sagt Bernhard von Clairvaux — „damit beginnen, seine Güter unter die Armen zu verteilen oder sie in feierlicher Schenkung dem Kloster übermachen, und zwar ohne den geringsten Vorbehalt; denn er möge bedenken, dass er von diesem Tage an nicht einmal mehr Herr seines eigenen Körpers ist. Ferner soll man ihn in der Kirche seiner eigenen Kleider entledigen und ihm Mönchskleider anlegen. Dem Vestiarius (Vorstand der Kleider- und Wäschekammer) soll man seine weltliche Tracht übergeben. Will er eines Tages, vom Teufel getrieben — was Gott verhüten möge! — das Kloster verlassen, so soll man ihm die geistliche Kleidung abnehmen und an der Pforte ihm seine eigene anlegen.“ Das nämliche Prinzip ist auch an anderen Stellen ausgesprochen: „Ein Mönch darf nichts als Eigentum besitzen, weder ein Buch, noch ein Schreibheft, noch eine Feder .... Er muss alles vom Abt erhalten, er darf nur besitzen, was der Abt ihm gegeben oder erlaubt; Alles sei Allen gemein.“

Jeder Mönch, der ein Amt hatte, musste dem Abt über die ihm anvertrauten Werte Rechenschaft ablegen, aber auch der Abt verfügte nicht über eine Privatschatulle, sondern hatte mit der Genossenschaft gleiche, von ihr unzertrennbare Einnahmequellen; beide waren ,,solidarisch“! Die ursprüngliche Gesetzgebung der Zisterzienser geht hinsichtlich dieses Punktes ins einzelnste mit einer minutiösen Strenge ein: „Der Mönch oder Laienbruder, der auf frischer Tat über einem Diebstahl oder über dem Besitz von Eigentum“ — was das Gleiche war, da jedes persönliche Eigentum ein Diebstahl am Gemeingut war — ,,betroffen wird, soll mindestens ein Jahr lang, oder, wenn es dem Abt gut erscheint, noch länger darüber hinaus, von Allen der Letzte sein; während eines Jahres sei er jeden Freitag auf Wasser und Brot gesetzt, vierzig Tage lang soll Wasser und Brot seine einzige Nahrung sein. Der Laienbruder soll seine Nahrung auf der Erde sitzend zu sich nehmen, während der vierzig Tage werde er im Kloster eingesperrt, unter stetem Stillschweigen mit der ihm aufgetragenen Arbeit beschäftigt, und nur mit dem Abte oder seinem Stellvertreter oder dem Meister der Laienbrüder (magister Conversorum) soll er sprechen dürfen. Auch für seinen Beichtvater sei eine Ausnahme gestattet. Ein solcher Laienbruder wohne allen Horen der Konventualen an, bei jedem Kapitel der Brüder empfange er die Züchtigung (also alle 8 Tage), alles dies ein Jahr lang. Der Mönch empfange die Züchtigung bei jedem Kapitel der Mönche, vierzig Tage lang. Überschreitet der Wert des Gestohlenen 20 Sous, so soll der Dieb, der Mönch wie der Laienbruder, der Ordenstracht entkleidet und vor die Türe des Klosters gestellt werden“.

Eigentum besitzen war eines der schwersten Verbrechen, die ein Zisterzienser begehen konnte. „Aufrührer, Brandstifter, Diebe, Besitzer von Eigentum sollen“ — so sagt ein Ordensstatut von 1183 — „jedes Jahr am Palmsonntag nach der Predigt exkommuniziert werden. Vorher sollen Nichtordensglieder das Kapitel verlassen; alsdann spreche der Vorsitzende des Kapitels, angetan mit der Stola, einen brennenden Leuchter in der Hand, die Exkommunikation aus im Namen Gottes, des Allmächtigen, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, der gebenedeiten Jungfrau, aller Heiligen und des gesamten Ordens“. Eine Folge dieser Exkommunikation war, dass die so Bestraften nicht kirchlich begraben wurden. Als man 1193 bei einem Laienbruder von Bonneval bei seinem Tode 3 Deniers fand, wurde er außerhalb des Friedhofes eingescharrt, und nur der Umstand, dass das Generalkapitel die zu seinem Gunsten vorgebrachte Entschuldigung, er sei geisteskrank gewesen, gelten lies, verschaffte ihm ein kirchliches Begräbnis. Im Jahre 1227 fand man gleicherweise bei einem verstorbenen Laienbruder 5 Deniers; aber alles, was man zu seiner Entschuldigung vorbrachte, wurde vom Generalkapitel als nicht stichhaltig abgewiesen.

Das dritte Gelübde war das des Gehorsams. Als erster Grad der Erniedrigung empfiehlt S. Benediktus den Mönchen den Gehorsam. Gehorchet ohne Furcht und Zagen, ohne zu zaudern und zu zittern, ohne Murren; denn Gehorsam gegen die Oberen ist Gehorsam gegen Gott! Die Schrift sagt: „Hütet euch, eurem eigenen Willen zu folgen!“ und „Lasst uns Gott bitten, auf dass er seinen Willen in uns offenbare“! und an einer anderen Stelle: „Manche Wege scheinen uns gerade, und doch enden sie im tiefsten Pfuhl der Hölle“. Die Gebote des Gehorsams sind vom Orden und Generalkapitel sanktioniert. Wer dem Abt den Gehorsam verweigert, werde mit Ruten gestrichen! Diese peinlich strenge Sittenzucht war eine Gepflogenheit des Zisterzienserordens im Anfang seines Bestehens, was viele Aufzeichnungen aus dieser Zeit beweisen. Aber auch freiwillig unterzogen sich Zisterzienser der Geißelung, wie man aus einem Briefe des Abts Fastredus von Clairvaux ersieht. Die Geißelung und andere minder harte Mittel, wie die Entziehung gewisser Nahrungsmittel bis zu den härtesten Maßregeln, Versetzung in ein anderes Kloster und schimpfliche Ausstoßung aus dem Orden, mochten wohl in der ersten Zeit genügen; als aber der ursprüngliche Glaubenseifer nachließ, musste man zu anderen Mitteln greifen, und was anfangs eine freiwillige Selbstkasteiung war, wurde in der Folge zu einem zwangsweisen Zuchtmittel. Der Märtyrertod Gerhards*), des 6. Abts von Clairvaux, ist ein Beispiel dieses Systemwechsels und der Gefahren, die er in sich barg. Im 13. Jahrhundert werden in allen Abteien Gefängnisse eingerichtet, eine Maßnahme, die durch das Generalkapitel vom Jahre 1229 vorgeschrieben, von späteren Bestimmungen aufrecht erhalten wurde. Die Gefängnisse erhielten sich in den folgenden Jahrhunderten, wie man aus den „Neueren Bestimmungen“ und den „Pariser Artikeln“ ersieht.

*) Ein sittenloser Mönch hohen Standes, der sich viele Verirrungen zuschulden kommen ließ und ein zügelloses Leben führte, wurde von dem für Gerechtigkeit, Sitte und Zucht eifernden Abt Gerhard in das Kloster Igny verbannt. Nach einiger Zeit kam Gerhard nach Igny, ermahnte den Schuldigen in liebevoller Weise zur geduldigen Tragung einer Strafe, die nur sein Bestes bezwecke. Der Mönch hörte scheinbar gelassen zu, versprach Besserung; anderen Tags lauerte er dem Abte auf und stieß ihn vor seinem Schlafgemache nieder. Gerhard sank, ohne einen Laut von sich zu geben, zu Boden und verschied nach drei Tagen. Der Mörder entkam. Abt Gerhards Leiche wurde unter feierlicher Absingung von Psalmen nach Clairvaux überführt, er selbst aber unter die Zahl der Märtyrer aufgenommen. [(i]

Zu den drei Mönchsgelübden der Armut, des Gehorsams und der Keuschheit kam bei den Zisterziensern noch, wie bereits erwähnt, das charakteristische Gelübde des Schweigens.

Wilhelm von S. Thierry, der Clairvaux zur Zeit des hl. Bernhard besuchte, berichtet, dass am hellen Tage dort eine solche Ruhe, eine solche Stille herrschte, wie sonst nur in tiefer Nacht. Diese Stille sei nur' selten unterbrochen durch das Geräusch der Arbeit und die Lobgesänge zu Ehren Gottes. Im Kloster durften Mönche sich nur im Sprechzimmer unterhalten, wozu die Erlaubnis des Abts oder Priors nötig war; auch wurden, Notfälle ausgenommen, nie mehr als zwei auf einmal zugelassen ; auch war die Gegenwart des Priors Vorschrift. Bei der Arbeit wurde nur das zur Erklärung unumgänglich Nötige gesprochen und dann abseits in Gegenwart des Priors mit leiser Stimme. Wer das Gelübde wissentlich übertrat, musste einen Tag bei Wasser und Brot fasten. Für die Laienbrüder galten dieselben Bestimmungen, doch wurden sie mit weniger Strenge gehandhabt. —

Außer der Arbeit pflegten die Zisterzienser das Gebet. Das liturgische Gebet der Klöster zerfällt in zwei Teile: in Andachtsübungen, die auf gewisse Stunden des Tages verteilt und festgesetzt sind, und in die Messe. Auch gehört hierher das tägliche Kapitel, das Lesen der heiligen Schrift, sowie die Betrachtung der verschiedenen zum Gottesdienst notwendigen und gebrauchten Geräte.

Die Andachtsübungen (Offizien) zerfallen wiederum in zwei Teile, in solche, die bei Tag, und solche, die bei der Nacht gepflogen wurden. Die nächtlichen Offizien kannte man unter dem Namen der Vigilien oder Nocturnos. Die „Horen“ des Tages umfassten sieben Teile:

l. die Landes, eine Reihe von Psalmen, welche sich besonders mit dem Lobpreise Gottes beschäftigen,
2. die Prim oder erste Stunde, um 6 Uhr morgens, das eigentliche Morgengebet,
3. die Terz oder dritte Stunde, um 9 Uhr morgens,
4. die Sext oder sechste Stunde, um 12 Uhr mittags,
5. die Non oder neunte Stunde, um 3 Uhr nachmittags,
6. die Vesper, das Abendgebet bei Sonnenuntergang und
7. die Komplet beim Eintritt der Nacht unmittelbar vor dem Zubettegehen.

Da man nach der Regel S. Benedikts und der ersten Zisterzienser den Lauf der Sonne als Maßstab der Ansetzung der Horen oder Stundengebete annahm, so entstanden darin natürlich während der verschiedenen Jahreszeiten bedeutende Abweichungen und Verschiedenheiten. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche sang man die Landes um 5 Uhr morgens, die übrigen Horen zu den oben angegebenen Stunden. Der Beginn der Vigilien schwankte ebenfalls nach der Jahreszeit. Nach der Regel des hl. Benedikt sollte man sich um die 8. Stunde der Nacht erheben, um sie zu singen, vom November bis Ostern also um 2 — 2 ½ Uhr; in der übrigen Zeit sollten sie so früh stattfinden, dass sie vor Tagesanbruch beendet seien. Im Sommer war also die Ruhe der Mönche sehr karg bemessen; doch wurde ihnen dafür eine mittägliche Ruhepause gegönnt. Diese Härte wurde im 13. Jahrhundert etwas gemildert; die „Älteren Definitionen“ bestimmen, dass von Ostern bis Kreuzeserhöhung nur das erste Nocturne, d. h. das erste Drittel der Vigilien vor Tagesanbruch beendet sein müsse, was die Ruhezeit etwas verlängerte. Erst 1429 wurde die Zeit des Aufstehens präzisiert; das Zeichen zum Absingen der Vigilien sollte während des ganzen Jahres an gewöhnlichen Tagen um 2 Uhr, an Sonn- und Festtagen um 1 Uhr gegeben werden*).

Die Laienbrüder, die angestrengter als die Mönche arbeiteten, durften länger schlafen; vom 13. September bis Gründonnerstag erhoben sie sich erst, wenn man den letzten Psalm des ersten Nocturnos anhob, von Ostern bis 13. September beim Beginn der Landes, nur an den Tagen, wo Mittagspause war, erhoben sie sich zu gleicher Zeit, wie im Winter. An arbeitsfreien Tagen, d. h. an den Sonntagen und bei gewissen Festen, mussten sie gleichzeitig mit den Mönchen aufstehen. Die Laienbrüder wurden nicht so streng zum Gebet angehalten wie die Mönche, wie sie sich auch keiner Bücher bedienten; sie ersetzten die Psalmen durch so und so viele Paternoster. Bei den Vigilien sagten sie nach den Versen Deus in adjutorium etc. etc., Domine labia etc. etc. **) 20 Paternoster und ebenso viele Gloria patri auf. Die Laienbrüder lagen ihren Gebetsübungen auch nicht immer in der Kirche ob; standen sie beim letzten Psalm des 1. Nocturnos auf, so wohnten sie dem Reste der Vigilie an und begaben sich dann an ihre Arbeit; erhoben sie sich bei Beginn der Landes, so verließen sie das Haus erst nach Beendigung der Prim und kehrten erst zur Komplet wieder in die Kirche zurück. Diese Anordnungen beziehen sich nur auf die Klosterinsassen. Wer von den Laienbrüdern auf den Meierhöfen der Abtei hauste, war anderen Bestimmungen unterworfen, worauf wir an einer anderen Stelle zurückkommen werden.

[i]*) Richard Löwenherz wurde auf der Meerfahrt nach Palästina eines Abends von einem Sturm überfallen, der seine Schiffe an den Rand des Verderbens brachte ; da seufzte der Held: „Wann wird doch die Stunde kommen, zu der die „grauen Mönche“ (d. i. die Zisterzienser) sich zum Preise Gottes erheben?! Ich habe ihnen soviel Gutes erwiesen, dass sie beim Aufstehen für mich beten werden, und Gott wird uns zu retten trachten“. Und siehe! in der 8. Stunde der Nacht, in der die Mönche sich erheben, beruhigte sich das Meer, und Stille folgte dem Sturme. Vgl. Caesarius von Heisterbach, Dialog. Miracul. Dist. X. c. 46.

**) Deus, in adjutorium meum intende; Domine ad adjuvandum me festina, 38. Psalm. — Domine, labia mea aperies et os meum annunciabit laudem tuam, 51. Psalm.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Klosterleben im Mittelalter