Die Messen der Zisterziensermönche

Gehen wir zur Messe über. Abgesehen von den Privatmessen der Mönche, die Priester waren, fand täglich eine gemeinsame Messe statt; an Sonn- und Festtagen fanden zwei statt, eine Frühmesse und ein Hochamt. Die Frühmesse der Sonntage und die gemeinsame Messe der gewöhnlichen Tage wurden am Ende der Prim abgehalten;. ihnen folgte dann das „tägliche Kapitel“. Nur während der Erntezeit war das Kapitel vor der Prim, da an ihm alle Mönche teilnehmen mussten und nach seiner Beendigung die meisten derselben zur Feldarbeit das Haus verließen. Die Messe wurde dann in ihrer Abwesenheit gelesen, wenn sie nicht der Abt oder Prior — ihre Gegenwart auf dem Felde für entbehrlich haltend, bis zum Ende derselben im Hause zurückhielt. In der Regel dagegen verließen sie während dieser Zeit alle, selbst die Priester nicht ausgenommen, das Kloster vor der gemeinsamen Messe und ohne ihre gewöhnliche stille Messe gelesen zu haben. Erst als 1239 Graf Thomas von Flandern der Abtei Clairvaux 80 flandrische Pfund schenkte unter der Bedingung, dass auch während der Ernte die Priestermönche ihre Privatmessen lesen und die übrigen Mönche der gemeinsamen Messe anwohnen sollten, hörte in Clairvaux jene Gepflogenheit auf.

Die zweite Messe des Sonntags, das Hochamt (missa solemnis), fand nach der Terz statt. Es wurde nur an Tagen gefeiert, an welchen den Mönchen die Arbeit untersagt war, d. h. gegen Ende des 13. Jahrhunderts an den Festen der Jungfrau Maria und an 53 anderen Festtagen. Am Anfang des 12. Jahrhunderts war die Zahl der Feste etwas geringer. Was die Laienbrüder anlangt, so feierten sie außer an den Festen der Jungfrau und den Sonntagen nur an 24 Tagen und wohnten alsdann auch dem Hochamt bei.


Die Mönche kommunizierten in der Regel und, wenn der Abt nicht anders bestimmte, jeden Monat einmal. Diese monatliche Kommunion fand gewöhnlich an einem Sonn- oder Festtag statt. Die Laienbrüder kommunizierten nur siebenmal im Jahre: an Weihnachten, an Mariä Reinigung, am Gründonnerstag, an Ostern, Pfingsten, Märiä Geburt und Allerheiligen. Das hl. Abendmahl fand unter beiderlei Gestalt statt bis 1261. In diesem Jahre untersagt das Generalkapitel allen Mönchen und Brüdern den Kelch und erlaubt ihn nur den „Altardienern“, d. h. nicht allein dem Priester, sondern allen, die an der Zelebrierung der Messe beteiligt sind. Diese Vorschrift ist in den „Alten Definitionen“ des Zisterzienserordens von 1289 wiederholt. Erst 1437 wurde das Recht des Kelchs auf den zelebrierenden Priester allein beschränkt. —

Auf die Frühmesse folgte gewöhnlich das Mönchskapitel*). S. Benedikt schreibt vor: „Sobald ein Mönch einen Fehler gemacht, irgend gegen die Ordensregel verstoßen, etwas zerbrochen oder verloren, kurz, sich irgend etwas hat zu schulden kommen lassen, soll er sich sofort vor dem Abt oder der Gemeinde anklagen.“ Die geheimen Sünden gegen das Sittengesetz waren in dieser Vorschrift nicht mit inbegriffen, für sie war die Ohrenbeichte da. Versäumte ein Mönch die Selbstanklage wegen solcher Fehler, für die sie obligatorisch war, so sollten seine Brüder ihn anzeigen, und dann wurde die Strafe verschärft. Diese Selbstanzeige fand im „Kapitel“ statt. Im Zisterzienserorden war es — abgesehen von Verhinderungsfällen — der Abt, der das Kapitel leitete. Man begann mit einem stehend verrichteten Gebet, dann setzte man sich, der Vorleser las einen Abschnitt der Regel S. Benedikts vor, worauf der Abt das Wort ergriff und das eben Gehörte erklärte. Darauf folgten die Selbstanklagen derer, die sich verfehlt; im Kapitel wurden ferner die Namen der „Wöchner“ für die folgende Woche bekannt gegeben, ebenso die sog. „Totenrollen“ vorgelesen.

An Festtagen war die Unterweisung des Abts eingehender, feierlicher, nahm den Charakter der Predigt an. Nach alter Zisterzienser Gepflogenheit sollte gepredigt werden: am 1. Adventsonntag, an Weihnachten, Epiphanias, am Palmsonntag, an Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Trinitatis, an allen Festen der Jungfrau Maria, an Peter und Paul, am S. Benediktsund S. Bernhardstage, an Allerheiligen und am Kirchweihfeste. Wurde das Fest verlegt, so fiel indes die Predigt aus. Später ward das Trinitatisfest von dieser Liste gestrichen „wegen der Schwierigkeit des Predigtstoffes“ (propter difficultatem materiae). Die Predigt war nur für die Mitglieder des Ordens bestimmt. Fremde, die sich in der Abtei aufhielten, konnten sie in der Regel nicht hören, da der Zutritt zum Kapitel, wo allein gepredigt wurde, ihnen versagt war. Manchmal fanden indes Ausnahmen statt, z. B. bei einem Bischof oder Abt oder auch bei hochgestellten Laien, Adeligen, Königen.

*) Bischof Chrodegang von Metz hatte 760 zur Besserung der verwilderten Geistlichkeit eine Lebensregel, einen Kanon aufgestellt. Dieser Kanon verpflichtete sie, sich nach der Morgenandacht vor dem Bischof oder dessen Stellvertreter zu versammeln, der ihnen ein Kapitel der Bibel, besonders aus dem 3. Buche Moses — Leviticus genannt — vorlas, das religiöse Gesetze, namentlich für Priester und Leviten, enthält, woran er dann die nötigen Rügen und Ermahnungen knüpfte. Hiernach wurde später ein Saal, wo dies geschah, „Kapitelsaal“ genannt, und es erklären sich so auch die Ausdrücke: „die Leviten lesen, das Kapitel lesen, oder abkapiteln, den Text lesen“.

Die Laienbrüder hatten nur alle Sonntage am Ende der Frühmesse Kapitel, dessen. Ordnung wohl dem Mönchskapitel gleichen mochte. Selbstanklagen und Predigt, die wohl auch nur au bestimmten Tagen stattfand, machten seinen Hauptinhalt aus. War im Mönchskapitel Predigt, so begaben sich auch die Laienbrüder dahin *).

Außer dieser Frühversammlung im Kapitel hatten die Mönche noch eine Versammlung des Abends vor der Komplet. Sie entspricht etwa dem, was man heute in religiösen Gemeinschaften „Bibelstunden“ zu nennen pflegt; die Mönche nannten sie „Kollation“, weil hauptsächlich die Collationes oder Vitae patrum von Johannes Cassianus gelesen wurden. Gegenstand der Lektüre mussten Werke religiösen Inhalts sein; ihre Lektüre sollte zur Unterweisung und Erbauung dienen. Der Abt musste dieser Versammlung präsidieren. In Clairvaux scheint zu diesem Zweck ein besonderer Saal mit einem ,,Armarium“, das die gewöhnlich gelesenen Bücher enthielt, vorhanden gewesen zu sein.

Die Zisterzienser-Mönche sollten in der Regel den Gottesdienst nur in ihrer Klosterkirche feiern. Es war ihnen verboten, eine Pfarrei zu leiten oder zu verwesen, Seelsorge zu treiben oder ihr Kloster zu verlassen, um ein Kirchenamt zu übernehmen. War indes an ein Kloster vor seinem Anschluss an den Zisterzienserorden eine Pfarrei angeschlossen, so konnte der Status quo ante aufrecht erhalten bleiben.

*) Es mochte diesen armen Brüdern wohl schwer ankommen, sich an solchen Tagen noch früher als gewöhnlich zu erheben und dem Prediger aufmerksam zu folgen. Als einst bei einer Predigt des Abts Gerhard im Kapitel von St. Petersthal (Heisterbach) viele Bruder schliefen, einige sogar schnarchten, da erhob er seine Stimme und sagte; „Hört, liebe Brüder, vernehmt eine wichtige und sonderbare Sache: Es war einmal ein König, der hieß Arthur . . .“ Dann wartete er einen Augenblick, um fortzufahren: „Seht ihr, liebe Brüder, wie groß euer Elend ist! Als ich von Gott sprach, schlieft ihr; ich mache einen Scherz, und sofort erwacht ihr und spitzt die Ohren!“ Caesarius von Heisterbach erzählt dies als Augenzeuge in s. Dialog. Miracul. Dist. IV. cap. 36 apud Biblioth. patrum Cistero. II. .93. — Über Caesarius von Heisterbach vgl. Schädel, Prof. Dr. Ludw., Deutsches Klosterleben im 13. Jahrhundert nach Caesarius von Heisterbach. B. XVII. Heft 1 der „Zeitfragen des christlichen Volkslebens“. Stuttgart, Chr. Belser, 1892.

Die gottesdienstlichen Zeremonien trugen das Gepräge erhabener Einfachheit, die einen schreienden Kontrast zu dem in den Kathedralen zur Schau getragenen Pomp bildete; auch in Kirchen der Benediktiner, ja, in einzelnen einfachen Pfarrkirchen fand sich diese Prachtentfaltung. Man sang einstimmig, Abweichungen waren verpönt. Es hat den Anschein, als ob man in den ersten Zisterzienserklöstern die Orgel nicht erlaubt hätte, da es noch im 15. Jahrhundert in einem Fälle einer besonderen Ermächtigung des Generalkapitels bedurfte. Marmorne oder Mosaikböden waren ebenfalls verboten, und als im Jahre 1235 der Abt von Gard an der Somme das Gebot übertrat, wurde er dazu verurteilt, den Boden zu vernichten. Der alte Brauch in Citeaux litt keine gemalten Kirchenfenster. Im Jahre 1182 setzte das Generalkapitel eine Frist von zwei Jahren fest, binnen welcher alle farbigen Fenster, die der Verordnung zuwider sich allmählich eingeschlichen, vernichtet werden sollten. Nur die zum Zisterzienserorden übergetretenen Benediktinerabteien durften sie behalten. Die Statuten des Generalkapitels verpönen als überflüssig jede Malerei und Bildhauerei, abgesehen vom Kreuz; 1213 erlaubt das Generalkapitel als einziges Bild das des Herrn. Als 1240 das Generalkapitel erfuhr, dass man in einigen Abteien Altarbilder*) aufgestellt, gebot es, dieselben zu entfernen, indem es alle Freunde der Malerei ermächtigte, ihre Altäre weiß anzustreichen. Trotz dieses ausdrücklichen Verbots erkühnte sich der Abt. von Royaumont an der Oise, einen bilder- und statuengeschmückten Altar mit Nischen und Säulen zu errichten; doch man gebot ihm, binnen eines Monats alles zu vernichten, wolle er nicht, dass ihm und dem Prior bis zur Ausführung des Befehls der Wein entzogen werde. Das Generalkapitel trieb seine Abneigung gegen jede Malerei soweit, dass es mit der 1157 erteilten Erlaubnis, die Kirchentüren weiß anzustreichen, eine große Nachsicht geübt zu haben wähnte. Danach begreift man leicht, dass Papst Innocenz II. (1130 — 1113) bei seinem Besuche in Clairvaux 1131 nur vier nackte Wände in der Kirche zu sehen bekam. In großem Maßstabe versilberte oder vergoldete Kruzifixe werden durch das Generalkapitel 1157 verboten. Im Anfang war Mönchen und Äbten auch bei den größten Feierlichkeiten das Tragen seidener Gewänder untersagt. Doch allmählich nahm diese Strenge ab. Im Jahre 1152 wurde den Äbten erlaubt, bei der Segnung seidene Chormäntel (cappae) zu tragen. Ein Statut aus dem Jahre 1183 verbietet indes Mönchen und Äbten, reinseidene Messkleider (casublae) zu tragen. Noch im 18. Jahrhundert zeigte man eine Casubla des hl. Bernhard aus Baumwolle. Im Jahre 1226 wurde für geschenkte casublae eine Ausnahme gemacht, was für freigebige Wohltäter von Wichtigkeit war, und 1256 auch erlaubt, an den hohen Kirchenfesten die Altäre mit reinseidenen Stoffen auszuschlagen. Im Jahre 1257 erlangen die Äbte die päpstliche Erlaubnis, an allen Festen, an denen Prozessionen stattfinden, jedesmal wenn sie Hirtenstab und weiße Gewänder tragen, auch die Cappa anzulegen; ebenso bei der Einsegnung der Novizen. Im Jahre 1157 noch war den Mönchen, selbst wenn sie einem Bischof bei der Messe in einer Ordenskirche ministrierten, die Cappa verboten; 1257 dürfen sie beim Dienst der Messe eines gewöhnlichen Abts Tunika und Dalmatika tragen. Die Casublae mussten einfarbig, ohne Vergoldung oder Stickerei sein **).

*) Diese Bilder waren nach Caesarius von Heisterbach von einem Benediktinermönch gemalt, der sehr geschätzt war und die Bilder ohne Entgelt bloß gegen Erstattung der Auslagen fertigte. Vgl. Caesarius loc. cit. Dist. VIII. cap. 24.

**) Zu den Namen der Kirchengewänder sei noch folgendes bemerkt. Cappa (franz. chape) ist ein kirchliches Kleidungsstück, das jetzt Pluviale, Chormantel, Vespermantel genannt wird; dann heißt's auch soviel wie Mönchskleid, Mönchsmantel, wie ihn jetzt noch die Novizen und Laienbrüder bei den Zisterziensern in der Kirche tragen. Die Cappa, ursprünglich Kleid der Laien, ein vorn offener, ärmelloser Mantel, Regenmantel, wie ihn Damen jetzt noch tragen (Rad-, Staubmantel) war mit einer Kapuze versehen. — Casula, Casubla .(franz. chasuble) bedeutet in der Kirchensprache ein Messgewand, Messkleid. — Dalmatica und Tunica bezeichnen in der Kirchensprache das Kleid, welches Diakon und Subdiakon bei der Feier der hl. Messe tragen, Tunica bedeutet in der Mönchskleidung soviel wie Habit.


Die Beleuchtung war von einer Einfachheit, die den Spott herausfordern würde, bedächte man nicht die Motive, die dieser Einfachheit zugrunde liegen. Der alte Zisterzienserbrauch verbietet mehr als 5 Lampen in der Kirche, wovon 3 im Chor der Mönche: am Eingang, in der Mitte und im Hintergrunde. Sie sollten bei der Messe und an Festen auch bei der Vesper angezündet werden, wenn morgens im Kapitel Predigt gewesen; natürlich waren sie bei Absingung der Vigilien nötig. Die beiden anderen Lampen waren für die Laienbrüder und Fremden bestimmt. Nur in einem Falle waren mehr Lampen zugelassen: wenn die Privatmessen vor Tagesanbruch fielen; alsdann hatte jeder einzelne zelebrierende Priester eine. Man sieht, dass die Beleuchtung auf das äußerst notwendige Maß beschränkt war; indes erlaubte das Generalkapitel vermögenden Abteien eine „ewige Lampe“. Im Jahre 1220 verlangt und erhält der Abt von Clairvaux vom Generalkapitel die Erlaubnis, vor den Reliquien des hl. Bernhard eine Kerze zu brennen. Noch im Jahre 1240 wird das Verbot, am Altar eines Heiligen etwa an seinem Festtage eine Kerze anzuzünden, aufrecht erhalten. Lampen und Leuchter allein sind erlaubt. Gleichzeitig bestimmen dieselben Institutionen des Generalkapitels, dass an den Tagen, an welchen im Kapitel Predigt sei, bei der Messe am Altar zwei Kerzen brennen dürfen, ohne die Wandleuchter zur Rechten und Linken; die „ewige Lampe“ wird obligatorisch, während sie vorher fakultativ war. Die Zeitströmung verlangte Vermehrung des Beleuchtungsapparates; das Generalkapitel widersetzt sich dem durch ein 1270 erlassenes Statut. Zahlreiche Stiftungen*) zu Beleuchtungszwecken ermutigten jedoch die Mönche, diesen Vorschriften zuwider zu handeln, und so wurden dieselben ganz illusorisch.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Klosterleben im Mittelalter