Klosterleben im Mittelalter

Ein Kulturbild aus der Glanzperiode des Cistercienserordens [Zisterzienserorden]
Autor: Jaeger, Johannes Dr. phil. (?), Erscheinungsjahr: 1903
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Vorwort

Auf den von Benedikt von Nursia (geb. 480, † 543) gegründeten Benediktinerorden fielen zeitweilig tiefe Schatten. Allzu großer Reichtum der Klöster, Übergriffe weltlicher Großen, sogenannte Laienäbte, allgemeine menschliche Schwachheit brachten den Orden wiederholt in Misskredit. Einzelne Kongregationen bahnten wohl von Zeit zu Zeit heilsame Reformen des Benediktinerordens an, so die große Kongregation des Klosters Clugny in Burgund. Der zweite Abt von Clugny, Odo (927—941), bildete die Regel seines Klosters weiter aus als verschärfte Benediktinerregel und schärfte besonders Stillschweigen (Zeichensprache), Gehorsam und Wohltätigkeit ein. Clugny wurde bald berühmte Musteranstalt. Der Abt von Clugny wurde von Fürsten und Herren veranlasst, da und dort nach Clugny's Vorbild neue Klöster zu gründen, und alte zu reformieren: so entstand die Cluniacenser Kongregation, nicht sowohl auf Grund einer neuen Regel — denn es waren Benediktiner — als auf Grund einer neuen, streng monarchischen Verfassung. Diese Kongregation breitete sich rasch aus und erhielt bald Einfluss auf die gesamte Kirche. Die deutschen Kaiser, die Könige von Frankreich traten in nahe Beziehung zu Clugny. Die Gunst der Päpste häufte Privilegien und Exemptionen auf Clugny, die Gunst der Fürsten Güter und Kleinodien. Das war das Verderben Clugny's, dessen Zucht seit Abt Pontius (1109—1125) verfiel.

Wie der Mönchsorden der Cluniacenser, so ist auch der Orden der Cistercienser [Zisterzienser]aus dem Bedürfnis der Klosterreform hervorgewachsen. Sein Stifter ist der hl. Abt Robert. Da es ihm unmöglich erschien, in dem Benediktinerkloster St. Michael de la Tonnere, dem er vorstand, den guten Geist der alten Benediktinerregel heimisch zu machen, trat er aus demselben aus und zog mit anderen Einsiedlern in einen Wald in Molesme. Als aber auch hier wieder Zuchtlosigkeit einriss, begab er sich mit 20 seiner besten Genossen 1098 nach Citeaux (Cistercium), wo bald ein herrliches Kloster mit guter Zucht and Ordnung erblühte. Im Kloster Citeaux sollte die alte Regel St. Benedikts in der strengsten Weise ausgeführt werden.

Unter den Nachfolgern des Abtes Robert, unter den Äbten Alberich und Stephan, schien die Stiftung schon zu erlöschen, als 1113 der berühmteste Zisterzienser, Bernhard von Clairvaux, angezogen von der schwärmerischen Askese und außerordentlichen Strenge, die in Citeaux herrschte, mit 30 Genossen in dieses Kloster eintrat. Was der Zisterzienserorden geworden ist, ist er durch S. Bernhard, den ersten Abt von Clairvaux, geworden: er ist der eigentliche geistliche Vater des Zisterzienserordens und hat denselben zu ungeahnter Blüte gebracht.

Schon in den zwei nächsten Jahren (1114 und 1115) wurden 4 neue Klöster von Citeaux aus gegründet, später Stammklöster genannt: Le Ferté, Pontigny, Clairvaux und Morimond.

Im Jahre 1115 wurde Bernhard in einem Alter von 25 Jahren als Abt des neugegründeten Klosters Clairvaux entsendet. Was er ergriff, ergriff er mit ganzer Seele, und was er für richtig erkannt hatte, dafür trat er ein mit dem ganzen Feuer seiner Beredsamkeit. Bernhard von Clairvaux ist für viele ein geistlicher Führer geworden; auf Mönchtum und Klosterleben hat er einen mächtigen Einfluss ausgeübt. Auch in die großen Händel der Zeit griff er entscheidend ein. Voll Sterbensfreudigkeit und Sehnsucht nach dem Schauen Gottes ist er am 20. August 1153 gestorben. Er leuchtet hervor als Vertreter der Einfalt und Innigkeit des Glaubens im Kampf mit dem Dünkel einer alles begreifen und erklären wollenden Wissenschaft. Mit seinem mystisch-kontemplativen Wesen musste er sich z. B, im Streit gegen Abälard von dessen kritischer, skeptischer Natur und dialektischen, spekulativen Theologie abgestoßen fühlen. Aber er war fern davon, die Wissenschaft zu verachten oder zu verdammen; er erkannte sie vielmehr als eine heiligende und für den Dienst der Kirche nutzbar zu machende Gabe Gottes an, verlangte jedoch, dass sie auf Demut gegründet sein und dass die Gotteserkenntnis von der rechten Selbsterkenntnis ausgehen solle. Er war von der Überzeugung durchdrungen, dass man Gott auf einem anderen Wege als durch die Wissenschaft suchen und finden müsse. „Gott“, sagt er, „wird würdiger gesucht und leichter gefunden durch Gebet, als durch wissenschaftliche Untersuchung“. Er war überzeugt, dass man zuerst vom Herzen aus zu Gott sich erheben müsse; den Glauben bezeichnet er als das Vorausnehmen einer dem Erkennen des Geistes noch verhüllten Wahrheit durch die vom Willen bestimmte Richtung des Gemüts. So bildete in seiner Seele der kindliche Glaube den alles bestimmenden Grundton. Er erkannte ferner wohl, was Christus als Ur- und Vorbild des heiligen Lebens sei. Das Beispiel der Demut und Liebe war ihm etwas Grosses, hatte aber für ihn nur festen Grund in der Erlösung. —

In den Zisterzienserklöstern lebte im 12. und 13. Jahrhundert S. Bernhards Geist. Auch von den fränkischen Klöstern des Zisterzienserordens darf dies behauptet werden. Denn eine ganze Reihe bedeutender Niederlassungen dieses Ordens hatte Franken damals bereits aufzuweisen; ich nenne nur Ebrach, Langheim, Aldersbach, Bildhausen, Heilsbronn (Himmelstadt, Himmelthal, Himmelkron, Himmelspforten b/Würzburg, Mariaburghausen, Schlüsselau, Schönau, Wechterswinkel) u. a. Das älteste und zugleich durch alle Zeiträume hindurch bedeutendste Zisterzienser-Männerkloster war Ebrach, das im Jahre 1803 säkularisiert worden ist. Vom Mittelalter ist in Ebrach nur noch die berühmte Klosterkirche *) vorhanden; sie predigt von der Macht des Geistes, der im 13. Jahrhundert als S. Bernhards Erbe die Ebracher Mönche erfüllte. Andere Beweise aus jener Zeit sind leider, wie es wünschenswert wäre, nicht mehr vorhanden. So mussten wir unsere Belege und Beispiele der Geschichte der Abtei Clairvaux entnehmen.

Möge die nachfolgende Darstellung der Blütezeit des Zisterzienserordens überall in Franken und vielleicht auch anderwärts dasselbe Interesse finden, das der Verfasser bei seinen Studien zur Geschichte der ehemals so berühmten Abtei Ebrach seit mehr als 12 Jahren der Geschichte dieses Ordens entgegengebracht hat.

Amberg, im Mai 1903.

Dr. Johannes Jaeger.

*) S. mein illustriertes Werk „Die Klosterkirche zu Ebrach“. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Denkmal aus der Blütezeit des Zisterzienser-Ordens. Mit 127 Abbildungen. Würzburg, Stahel’sche Verlags-Anstalt, Kgl. Hof- und Universitäts-Verlag, 1908.