Die unentbehrlichsten Hilfsmitteln des Unterrichts

Die Zucht war überall eine Strenge, und die Strafen spielten eine große Rolle. Vergessen war der schöne Spruch Walthers von der Vogelweide:

Nieman kan beherten
kindes zuht mit gerten:
den man z’eren bringen mac,
dem ist ein wort als ein slac.


Im Gegenteil, Stock und Rute gehörten zu den unentbehrlichsten Hilfsmitteln des Unterrichts, So dass selbst das aus dem Jahre 1356 erhaltene Siegel der Schule zu Höxter einen Schulmeister darstellt, der mit faltenreichem Talar und einer runden Mütze bekleidet, in der erhobenen Rechte die Rute über einem vor ihm knienden Knaben schwingt. Auch auf den zahlreichen bildlichen Darstellungen von Schulszenen aus dem Mittelalter fehlt die Rute als Standessymbol nur selten in der Hand des Lehrers, mindestens liegt sie handrecht neben ihm. Die humorvolle Schilderung der Strafmethode des wohlverdienten Schulmeisters Michel Wichmann zu Limmer aus dem 17. Jahrhundert trifft auch für die frühere Zeit zu. In der ihm gewidmeten viel zitierten Leichenpredigt lautet es*): „Use seeliger schaulmester empfund ook seyn deil, man weet wol wat datheet: jugend hat keine tugend. Aberst he was'r braaf achter an, wenn sie maudwillig wören oder öre leckschonen nich leered hadden. He ging aber nich met se um as een böddel oder tyrann, de se schinnen un fillen wull oder se alle över eenen kamm schoor. Naedem eener sündigede, naedem ward he straft. Eerst kreeg he oorfygen, herna handsmette oder knypkens, dann kreg he eenen leddernen aars vull, dan toog he ööme ganz stramm in de höögde, dat dat hinnerkasteel ganz prall word, mit dem stokk vor de böxen. Nu wen he et gar to grov maakt hadde, endlich eenen rechten met der raude vor den blooten steert, nach der ermahnung des weisen königs Salomon: „Wer sein kind lieb hat, der hält es unter der ruthen. De rauden hadde he vorher int water leggt, dat se beter dörtrokken; un de strafe is ook am besten, da behold de jungens heile knoken by. — Mannikmal mosten se sek ook wol met de blooten knee up kirschensteene setten, und dat hulp by etlikken meer as släge; na der regel Pauli: prüfet alles und das gute behaltet. He heilt averst nich alleen groote tucht by synen lämmern, sünnern he weide se ook so, dat se wat leereden.“

*) Hier (verkürzt) nach Boesch, Kinderleben, S. 102 f.

Unleugbar artete die Härte mitunter in Barbarei aus, aber die dafür gern und immer wieder angeführten Beispiele aus dem Leben von Johann Butzbach, Thomas glatter usw. — auch Luther ist an einem Vormittage fünfzehnmal mit der Rute gestrichen worden — dürfen nicht allzu sehr verallgemeinert werden. Weinsberg erzählt von seinem ersten Lehrer: „Disser scholmeister hilt die schuler seir strack und er hat mich auch oft geslagen, nit umb miner doichden willen“. Aber, so fügt er hinzu, „ich hab dissen meister seir leif gehat, umb willen das er mich gestraift hat, und bin ira folgens duck troistlich und fruntlich gewest“. Ähnlich wird es vielen ergangen sein, und den Frohsinn ließ sich die Schuljugend durch die Schulzucht jedenfalls nicht verkümmern. Auch wenn wir von den recht mannigfaltigen Schulfesten absehen, von denen wir hören, — ich erwähne nur, dass der Rat in Reval 1390 die Gelage abschaffte, welche die Schüler zweimal jährlich im Sommer und im Herbste im Freien abhielten, — können wir den Amtseiden der Lehrer und mehr noch den mittelalterlichen Beichtbüchern! und bildlichen Darstellungen des Schullebens entnehmen, dass die damaligen Schüler vielleicht derber und roher, aber um nichts weniger vergnügt gewesen sind wie die heutigen. Und auch der Charakter der Unarten hat sich kaum gewandelt: Schwatzen beim Gottesdienst und in der Schule, Raufereien mit Mitschülern, Werfen mit Schnee und Steinen, Vogel sangen, Apfel und Birnen naschen und dergleichen Ungezogenheiten mehr, sie kehren allerorten wieder**).

*) Das hierfür vielleicht ergiebigste hat kürzlich Battenberg, „Beichtbüchlein des Mag. Joh. Lupi“. Gießen 1907, zum ersten Male vollständig wieder abgedruckt. Lupus = Wolf war Pfarrer in Frankfurt a. M. 1453—1468; sein Beichtbüchlein erschien zuerst 1478 im Druck. — Weinsberg musste bereits im 7. Jahre zur Beichte gehen und tat es anfangs sehr ungern, obgleich die Bußen nicht schwer waren, „dan es waren nit mehe dan etlich pater-noster und gebetter“!

**) Wolf lässt einen Schüler u. a. auch beichten, dass er „falsche cleyder zo fastnacht getragen, als were ich eyn meydgen, so ich eyn knabe bin“.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse