Der Ernst des Lebens des Kaufmanns

Nach Beendigung der Schule — Abgangsprüfungen kannte man noch nicht —, begann der Ernst des Lebens an den angehenden Kaufmann heranzutreten. Er kam gemeiniglich nun in die Lehre, sei es daheim, sei es auswärts.

Der schon oben erwähnte Jakob Lubbe hatte das Glück, mit 16 Jahren bei einem „großen Handelsmanne“ Sanau in Danzig eintreten zu können, der ihn treulich zu allem Guten unterwies und trefflich hielt. Er wurde demzufolge in kurzer Zeit sehr geschickt und zur Kaufmannschaft so tüchtig, dass Sanau ihn „in seinem Handel zum Mitgesellen“ annahm. Das Haus „ging meist mit westwärtsen Waren um“ und Lubbe „pflegte“ deshalb nach Antwerpen zu reisen. Das Geschäft gedieh und mit ihm Lubbe. Sein Nachfahre Martin Gruneweg*), der Lubbes Papiere ein Jahrhundert später durchsah, stellt ihm das Zeugnis aus, dass seine Handschrift „nach jehnen zeitten“ gut und er ein ehrbarer frommer Kaufmann gewesen, der da wusste sein Brot zu erwerben und seinen Handel „unverworren zu füren, dan er seine register genug ordentlichen hielt“**). Eine schwere Krankheit bewog Lubbe, als er sich der Mitte der Dreißig näherte, zu dem Gelübde, zu Fuße und fastend nach Röhx und Aachen pilgern zu wollen, und erweckte obendrein in ihm den Entschluss, Mönch zu werden. Darob erzürnte sich Sanau, bei dem er immer noch wohnte; verstand es aber in trefflicher Weise, die Ausführung des Entschlusses zu verhindern. Er lud einige Dominikanerpriester zu Gaste, welche Lubbe vorstellten, dass er der Kirche weit mehr nützen könne, wenn er heirate; brachte er dem Orden auch noch so viel mit, so müsste er doch als „Dienstbruder“ arbeiten, denn zum Priesteramt sei er zu ungelehrt und zu bejahrt. Im Ehestande dagegen könnte er den Orden weit besser unterstützen mit Beten, Fasten und Almosengeben, und sie würden ihm eine Ordnung aufsetzen, nach der er sein Leben einrichten könne. Der eine von den Priestern trug ihm auch sogleich eine Verwandte an, eine Krämerin, welche Sanau und anderen Freunden sehr gefiel, denn sie war reich an Leib und Seele. Lubbe fand den Rat zu Anfang recht widerwärtig, ließ sich aber überzeugen und willigte schließlich ein. Die für ihn Erkorene, Barbara mit Vornamen, stammte von Vater und Mutter aus alten Kramergeschlechtern, welche „von Anfang der Stadt an ihren Sitz in der Kramergassen gehabt, ihr Brot mit Krämerei sich erworben und auch immer in dieser Gasse sich verheiratet hatten. Daraus kam, dass sie unter sich schlugen*) drei Häuser in derselben Gasse“. Diese Barbara war über zehn Jahre lang von Dominikanerinnen erzogen worden, hatte „Bücher lesen, Nähen und was sonst den Weibern zum Nutzen gedeiht“ gelernt, war bereits zweimal verwitwet und besaß eine kleine Tochter aus der zweiten Ehe. Auch sie war ursprünglich willens gewesen, geistlich zu werden, und sträubte sich gegen die neue Heirat. Doch ließ auch sie sich schließlich überreden durch den Hinweis auf den Umfang ihres eigenen Geschäfts, auf das Alter von Lubbe sowie darauf, dass „sich ihr beider Handel an Kaufmannswaren übereintrug“. Die Hochzeit richtete Sanau freudig aus, und das derart mit sanftem Zwange vereinte Paar hatte seine Fügsamkeit nicht zu bereuen. Die 25jährige kinderlose Ehe verlief nach Lubbes eigenen Aufzeichnungen friedlich und glücklich. Jetzt, nach der Verlobung, erwarb Lubbe das Danziger Bürgerrecht, und nach der von ihm dafür erlegten Schätzung bezifferte sich sein Vermögen in dieser Zeit auf 4.680 Mark, d. h. etwa rund 25.000 Reichsmark****). Soviel hatte er mithin in den 20 Jahren, die er in dem Sanauschen Hause tätig gewesen, sich erworben! Nach der Hochzeit entsagte er dem Kaufmannsstande, trat in die Brüderschaft der Kramer ein und erlangte offenbar bei seinen neuen Genossen alsbald Ansehen und Achtung. Er wurde wiederholt zum Ältermann erwählt und führte bis an seinen Tod 1490 ein ruhiges behagliches Dasein.


*) Gruneweg war 1562 in Danzig geboren, trat bereits mit 13 Jahren in den Dienst eines in Warschau lebenden Nürnberger Kaufmanns, dann 1581 in den eines armenischen in Leinberg ein. Er musste für seine Herren zahlreiche Handelsreisen in Polen und Russland bis nach Moskau und Kiew ausführen, dann auch in der Türkei bis nach Konstantinopel. 1586 erkrankte er in Adrianopel, wurde katholisch und wechselte seinen Stand. Nachdem er Danzig noch einmal besucht, wurde er Dominikaner in Leinberg und stellte hier die Familienchronik zusammen.

**) Lubbe gebrauchte nach Gruneweg „die pomerellische sprache, dan er war seines vattern hochdeiczen sprache gar abgewonet“.


***) Erwarben.

****) Abgesehen von der Kaufkraft! Das väterliche Bauerngut hatte die Schwester geerbt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse